Kein schwermütiger Rhapsode
Der introvertierte Ire galt als komplizierter Mensch: schweigsam, unnahbar, von einer Aura des Mönchischen umgeben. Dabei wusste er das Leben zu genießen. Sein Bild eines schwermütigen Rhapsoden bedürfe dringender Korrektur, meint sein Biograf James Knowlson.
Kaum jemand hat Samuel Beckett so gut gekannt wie James Knowlson, ein älterer Herr mit schlohweißem Haar und penibel gepflegtem Schnurrbärtchen. Zwanzig Jahre lang war der britische Literaturwissenschafter mit dem Großmeister des absurden Theaters befreundet. Für seine 1000-seitige Beckett-Biographie hat Knowlson unzählige Gespräche und Interviews mit dem als schwierig geltenden Dichter geführt. Knowlsons Diagnose: Samuel Beckett war NICHT der zerquälte, von Depressionen zerfressene Mensch, als den ihn die Beckett-Ikonographik mitunter darstellt.
James Knowlson: "Es stimmt schon, Beckett hatte depressive Momente, aber wenn man ihn traf, hatte man eigentlich immer auch Spaß mit ihm. Manchmal tauchte er in tiefes Schweigen ab, aber das war nicht die Regel. Samuel Beckett war ein humorvoller Mensch, er hatte Witz. Wenn man ihn zum Dinner traf, gab es spätestens nach fünf Minuten was zu lachen."
Dass Becketts Texte depressive Versuchsanordnungen mit einem Zug ins Ausweglose seien, bestreitet Knowlson. Im Gegenteil: Er pflege sich königlich zu amüsieren bei der Lektüre der Beckettschen Texte, erklärt des Dichters Biograph:
"Ich finde diese Texte lustig, ich muss immer wieder laut lachen während des Lesens. Die Menschen, die Beckett für einen todtraurigen Autor halten, verstehen ihn nicht richtig. Er hat einen herrlichen, schwarzen Humor."
Auch sonst rückt Knowlson so manches Beckett-Klischee zurecht: Man darf sich den Dichter keineswegs als schwerblütigen Stubenhocker vorstellen, betont er. Im Gegenteil: Samuel Beckett verblüffte, zumal in jungen Jahren, mit stupenden sportlichen Talenten:
"Er war ein guter Sportler, ein Allround-Sportler. Ich habe einen Mann gefunden, der war Ende 80 oder Anfang 90 Jahre alt, und der ist in seiner Jugend von Samuel Beckett im Boxen geschlagen worden. Er hat mich aus dem Ring geblasen, so formulierte es dieser Mann. Aber Beckett war auch ein guter Crickettspieler, er spielte Rugby, er spielte Golf fürs Trinity College und er liebte das Schach-Spiel. Also, er war da ein echter Allrounder."
Mitte der 30er Jahre hat Samuel Beckett seiner irischen Heimat für immer den Rücken gekehrt. Er ließ sich in Frankreich nieder, schrieb auch überwiegend auf Französisch. Dennoch: Im praktischen Lebensvollzug blieb Samuel Beckett der grünen Insel treu. Auf irischen Gerstensaft, auf ein Glas Whisky dann und wann, wollte er auch in Frankreich nicht verzichten. Samuel Beckett hat Irland nicht gehasst, wie vor ihm sein Idol James Joyce.
James Knowlson: "Beckett war ein echter Irishman. Den grünen Pass hat er zeitlebens behalten. Er hat nie die französische Staatsbürgerschaft angenommen, obwohl er doch viele Jahre lang in Frankreich gelebt hat. Seinen irischen Wurzeln ist Beckett stets treu geblieben. Ich würde sagen: Er war er in erster Linie Europäer. Die deutsche Kultur, die französische Kultur, die englische Literatur, das alles hat ihm viel bedeutet."
Die 68er und ihre Gefolgsleute haben den Autor pessimistischer Bühnenparabeln wie "Endspiel" oder "Warten auf Godot" gern als "unpolitisch", wenn nicht als "reaktionär" abgetan. Ein Urteil, das Becketts Biograph James Knowlson so nicht gelten lassen will:
"Beckett war nicht apolitisch, wie viele Leute glauben. Im Gegenteil, er war politisch außerordentlich interessiert. Er war ein fanatischer Gegner aller Arten von Totalitarismus, egal ob von links oder von rechts. Seinen eigenen Maßstäben nach stand er sicher links von der Mitte, das kann man sagen. Er war Anti-Establishment, wenn man so will. Seine Sympathien haben immer den Underdogs gehört, den Erfolglosen, den Tramps, den Häftlingen."
Das Mitleid mit den Erniedrigten und Beleidigten ist auch in Becketts Dichtungen deutlich zu spüren, in Romanen wie "Murphy", in Theaterarbeiten wie "Glückliche Tage" oder dem "Letzten Band". So düster die Perspektiven seiner Protagonisten auch sein mögen, Beckett bewahrt sich immer eine Grundsympathie für sie. Der Dichter habe einfach ein gutes Herz gehabt, konstatiert James Knowlson. Auch im Alltag:
"Eines Tages, als ich ihn interviewte, sagte er zu mir: Ich kann einfach nicht an einem Clochard vorbeigehen, ohne ihm Geld zu geben, Jim. Ich kann es einfach nicht!"
Über Becketts Beziehung zu Frauen ist bisher eher wenig bekannt gewesen. Obwohl es da einiges zu berichten gäbe, wie James Knowlson weiß:
"Beckett hatte eine starke Wirkung auf Frauen. Er hat viele Affären gehabt in seinem Leben. Ich habe mindestens zwanzig Frauen getroffen, die in irgendeiner Phase seines Lebens Becketts Geliebte gewesen waren. Man muss es deutlich sagen: Sexuelle Treue stand auf der Liste von Samuel Becketts Prioritäten nicht ganz oben."
Ein Mann, der das Leben zu genießen wusste offenbar. Das überlieferte Bild von Samuel Beckett als wortkargem Düsterling, als schwermütigem Rhapsoden der Trostlosigkeit dieses Beckett-Bild bedarf dringender Korrektur, wie James Knowlson weiß. Der Beckett-Biograph zitiert Edward Albee: "Kein Autor schreibt nur aus Verzweiflung. Auch Samuel Beckett nicht."
James Knowlson: "Es stimmt schon, Beckett hatte depressive Momente, aber wenn man ihn traf, hatte man eigentlich immer auch Spaß mit ihm. Manchmal tauchte er in tiefes Schweigen ab, aber das war nicht die Regel. Samuel Beckett war ein humorvoller Mensch, er hatte Witz. Wenn man ihn zum Dinner traf, gab es spätestens nach fünf Minuten was zu lachen."
Dass Becketts Texte depressive Versuchsanordnungen mit einem Zug ins Ausweglose seien, bestreitet Knowlson. Im Gegenteil: Er pflege sich königlich zu amüsieren bei der Lektüre der Beckettschen Texte, erklärt des Dichters Biograph:
"Ich finde diese Texte lustig, ich muss immer wieder laut lachen während des Lesens. Die Menschen, die Beckett für einen todtraurigen Autor halten, verstehen ihn nicht richtig. Er hat einen herrlichen, schwarzen Humor."
Auch sonst rückt Knowlson so manches Beckett-Klischee zurecht: Man darf sich den Dichter keineswegs als schwerblütigen Stubenhocker vorstellen, betont er. Im Gegenteil: Samuel Beckett verblüffte, zumal in jungen Jahren, mit stupenden sportlichen Talenten:
"Er war ein guter Sportler, ein Allround-Sportler. Ich habe einen Mann gefunden, der war Ende 80 oder Anfang 90 Jahre alt, und der ist in seiner Jugend von Samuel Beckett im Boxen geschlagen worden. Er hat mich aus dem Ring geblasen, so formulierte es dieser Mann. Aber Beckett war auch ein guter Crickettspieler, er spielte Rugby, er spielte Golf fürs Trinity College und er liebte das Schach-Spiel. Also, er war da ein echter Allrounder."
Mitte der 30er Jahre hat Samuel Beckett seiner irischen Heimat für immer den Rücken gekehrt. Er ließ sich in Frankreich nieder, schrieb auch überwiegend auf Französisch. Dennoch: Im praktischen Lebensvollzug blieb Samuel Beckett der grünen Insel treu. Auf irischen Gerstensaft, auf ein Glas Whisky dann und wann, wollte er auch in Frankreich nicht verzichten. Samuel Beckett hat Irland nicht gehasst, wie vor ihm sein Idol James Joyce.
James Knowlson: "Beckett war ein echter Irishman. Den grünen Pass hat er zeitlebens behalten. Er hat nie die französische Staatsbürgerschaft angenommen, obwohl er doch viele Jahre lang in Frankreich gelebt hat. Seinen irischen Wurzeln ist Beckett stets treu geblieben. Ich würde sagen: Er war er in erster Linie Europäer. Die deutsche Kultur, die französische Kultur, die englische Literatur, das alles hat ihm viel bedeutet."
Die 68er und ihre Gefolgsleute haben den Autor pessimistischer Bühnenparabeln wie "Endspiel" oder "Warten auf Godot" gern als "unpolitisch", wenn nicht als "reaktionär" abgetan. Ein Urteil, das Becketts Biograph James Knowlson so nicht gelten lassen will:
"Beckett war nicht apolitisch, wie viele Leute glauben. Im Gegenteil, er war politisch außerordentlich interessiert. Er war ein fanatischer Gegner aller Arten von Totalitarismus, egal ob von links oder von rechts. Seinen eigenen Maßstäben nach stand er sicher links von der Mitte, das kann man sagen. Er war Anti-Establishment, wenn man so will. Seine Sympathien haben immer den Underdogs gehört, den Erfolglosen, den Tramps, den Häftlingen."
Das Mitleid mit den Erniedrigten und Beleidigten ist auch in Becketts Dichtungen deutlich zu spüren, in Romanen wie "Murphy", in Theaterarbeiten wie "Glückliche Tage" oder dem "Letzten Band". So düster die Perspektiven seiner Protagonisten auch sein mögen, Beckett bewahrt sich immer eine Grundsympathie für sie. Der Dichter habe einfach ein gutes Herz gehabt, konstatiert James Knowlson. Auch im Alltag:
"Eines Tages, als ich ihn interviewte, sagte er zu mir: Ich kann einfach nicht an einem Clochard vorbeigehen, ohne ihm Geld zu geben, Jim. Ich kann es einfach nicht!"
Über Becketts Beziehung zu Frauen ist bisher eher wenig bekannt gewesen. Obwohl es da einiges zu berichten gäbe, wie James Knowlson weiß:
"Beckett hatte eine starke Wirkung auf Frauen. Er hat viele Affären gehabt in seinem Leben. Ich habe mindestens zwanzig Frauen getroffen, die in irgendeiner Phase seines Lebens Becketts Geliebte gewesen waren. Man muss es deutlich sagen: Sexuelle Treue stand auf der Liste von Samuel Becketts Prioritäten nicht ganz oben."
Ein Mann, der das Leben zu genießen wusste offenbar. Das überlieferte Bild von Samuel Beckett als wortkargem Düsterling, als schwermütigem Rhapsoden der Trostlosigkeit dieses Beckett-Bild bedarf dringender Korrektur, wie James Knowlson weiß. Der Beckett-Biograph zitiert Edward Albee: "Kein Autor schreibt nur aus Verzweiflung. Auch Samuel Beckett nicht."