Kein Strom aus der Wüste
Die Stiftung Desertec wollte mit deutschen Unternehmen ein großes Solarkraftwerk bauen, um den Solarstrom von Afrika nach Europa zu bringen - nach Streit unter den Beteiligten droht das Ende. Doch die Vision Desertec sei immer noch bestechend, sagt Volker Quaschning, Fachmann für regenerative Energie.
Joachim Scholl: Desertec – dieses Wort steht für einen Traum, eine Vision grenzenloser Sonnenenergie aus der Wüste. Die Stromversorgung Europas im 21. Jahrhundert vielleicht, das ist die Idee. Vor zehn Jahren entstand sie und ein gewaltiges Unternehmen damit.
Beitrag in Informationen am Mittag, Deutschlandfunk(MP3-Audio)
Verena Herb über das Projekt, das Industrieunternehmen Desertec.
Am Telefon ist jetzt Volker Quaschning von der Hochschule für Wirtschaft und Technik in Berlin, er forscht und lehrt auf dem Fachgebiet regenerative Energiesysteme. Guten Morgen, Herr Quaschning!
Volker Quaschning: Ja, schönen guten Morgen, Herr Scholl!
Scholl: Rückzüge allenthalben aus dem Projekt – entpuppt sich Desertec am Ende doch als Fata Morgana, Herr Quaschning, steht das Projekt vor dem Aus?
Quaschning: Na, das ist natürlich schwierig zu sehen, es geht um interne Querelen erst einmal. Man muss natürlich schauen, die Idee Desertec klingt auch erst mal verlockend, also wenn man das unabhängig von Konsortien einfach sich anschaut, dann ist die Idee ja, dass man in der Wüste, in Afrika, doppelt so viel Sonne hat wie in Deutschland. Man kann dann den Solarstrom für die Hälfte etwa produzieren, wie wir das in Deutschland machen. Der Transport ist zwar recht aufwändig, man muss dann elektrische Leitungen bauen, die kosten Geld, man hat auch Verluste, aber die Verluste sind kleiner als das, was man als Mehrertrag erwirtschaften kann. Und insofern klingt es erst mal interessant, in Afrika selber den Strom zu erzeugen, kostengünstiger nach Deutschland dann zu transportieren.
Das heißt, die Idee ist ja nicht erst vor zehn Jahren geboren, die existiert ja schon seit Jahrzehnten. Man versucht sie jetzt ein bisschen umzusetzen, und da merkt man, dass es einfach das politische Problem ist, also es ist eher nicht ein technisches oder wirtschaftliches Problem, es krankt an einem politischen Problem, es krankt auch unter Umständen an den Partnern. Wir haben dort große Energiekonzerne, RWE und E.on wurden ja schon genannt, diese betreiben Atom- und Kohlekraftwerke, und die haben gar kein großes Interesse, dass in kürzerer Zeit große Mengen an Solarstrom hier nach Deutschland strömen. Und das, denke ich mal, ist so ein bisschen das Hauptproblem, dass da Akteure auch mit am Ball sind, die gar kein großes Interesse an einer schnellen Energiewende haben.
Scholl: Herr Quaschning, diese politische Seite, die vertiefen wir gleich intensiver. Noch mal zurück zur technischen … also wie … wenn Unternehmensriesen wie Siemens und Bosch aus so einem Unternehmen, also so einem Projekt aussteigen, dann denkt man ja, dass sie die technische und auch die wirtschaftliche Realisierung für zweifelhaft halten. Wie sehen Sie das, weil Sie sagen, es ist technisch und wirtschaftlich möglich?
Quaschning: Ein Unternehmen schaut ja, ob wir in den nächsten zwei, drei Jahren auch irgendwann mal schwarze Zahlen schreiben können. Und wenn dann halt eine Evasion im Gespräch ist, die vielleicht ab 2020, 2030 – und wenn man das verspricht, dann dauert es wahrscheinlich ja noch länger – irgendwann mal für Europa interessant wird, dann muss man schauen, dann sagt man: Okay, also für die nächsten Jahre hat man hier keine großen Erwartungen, Gewinnerwartungen zu erzielen, das kann man sich aus der Ferne anschauen und später, wenn es wirklich mal spruchreif wird, auch wieder einsteigen. Das Problem ist, dass so langfristige Perspektiven natürlich für Unternehmen da auch nicht wirklich interessant sind.
Scholl: Der jüngste Streit um die Geschäftsführung, der ist ja grundsätzlicher Natur, der Idee an sich berührt, also Strom für die Region und für Europa, dafür stand die jetzt geschasste Geschäftsführerin, und das war ja auch die buchstäblich elektrisierende Vision, die die Unternehmen des Konsortiums erst zusammengeführt hat. Jetzt ist nunmehr die Rede: Wir bleiben in der Region, wir bleiben also für den Nahen Osten, das ist die Losung des neuen Chefs. Gleichzeitig sagt man aber immer, ach, die Vision, ja, in 20, 30 Jahren wird das so sein. Was denn nun?
Quaschning: Ja, man muss sehen, in Afrika wird ja derzeit Strom aus Europa importiert. Das heißt, wir betreiben in Spanien Kohlekraftwerke und bringen den Strom nach Afrika, obwohl man dort genug Sonne hat. Das heißt, es ist wirklich sinnvoll, erst mal in einem ersten Schritt zu sagen, wir bauen Solaranlagen vor Ort, wir vermindern die CO2-Emissionen vor Ort. Man hat ja auch in Marokko zum Beispiel ein großes Wachstum und ein großes Wachstum im Strombedarf. Das muss man erst mal abdecken, und erst, wenn man vor Ort genügend Solarstrom hat, um die eigenen Bedürfnisse dann zu befriedigen, dann macht es Sinn, drüber nachzudenken, zu exportieren. Es ist ja auch nicht sinnvoll dann, Solarstrom nach Europa zu exportieren und dann Kohlekraftwerke in Marokko oder in anderen Ländern in Nordafrika zu bauen, um dort dann mit CO2-haltigen Energieträgern dann den Strombedarf vor Ort zu decken.
Scholl: Desertec – ist der Traum von Energie aus der Wüste am Ende? Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Kritiker haben von Anfang an gesagt, Herr Quaschning, diese Form der zentralisierten Energiegewinnung ist eigentlich widersinnig, denn das Tolle am Solarstrom ist ja auch die dezentralisierte Form, das heißt, Solarzellen, Photovoltaik auf jedem Dach, und demgemäß wäre Desertec nur der perfide Versuch der großen Energiekonzerne, ihre Pfründe zu wahren, die Finger auf der Stromerzeugung und den Preisen zu haben, und jetzt sind wir bei diesem politischen Aspekt, den Sie vorhin schon angesprochen haben. Herr Quaschning, wie triftig finden Sie denn als Fachmann diese Kritik?
Am Telefon ist jetzt Volker Quaschning von der Hochschule für Wirtschaft und Technik in Berlin, er forscht und lehrt auf dem Fachgebiet regenerative Energiesysteme. Guten Morgen, Herr Quaschning!
Volker Quaschning: Ja, schönen guten Morgen, Herr Scholl!
Scholl: Rückzüge allenthalben aus dem Projekt – entpuppt sich Desertec am Ende doch als Fata Morgana, Herr Quaschning, steht das Projekt vor dem Aus?
Quaschning: Na, das ist natürlich schwierig zu sehen, es geht um interne Querelen erst einmal. Man muss natürlich schauen, die Idee Desertec klingt auch erst mal verlockend, also wenn man das unabhängig von Konsortien einfach sich anschaut, dann ist die Idee ja, dass man in der Wüste, in Afrika, doppelt so viel Sonne hat wie in Deutschland. Man kann dann den Solarstrom für die Hälfte etwa produzieren, wie wir das in Deutschland machen. Der Transport ist zwar recht aufwändig, man muss dann elektrische Leitungen bauen, die kosten Geld, man hat auch Verluste, aber die Verluste sind kleiner als das, was man als Mehrertrag erwirtschaften kann. Und insofern klingt es erst mal interessant, in Afrika selber den Strom zu erzeugen, kostengünstiger nach Deutschland dann zu transportieren.
Das heißt, die Idee ist ja nicht erst vor zehn Jahren geboren, die existiert ja schon seit Jahrzehnten. Man versucht sie jetzt ein bisschen umzusetzen, und da merkt man, dass es einfach das politische Problem ist, also es ist eher nicht ein technisches oder wirtschaftliches Problem, es krankt an einem politischen Problem, es krankt auch unter Umständen an den Partnern. Wir haben dort große Energiekonzerne, RWE und E.on wurden ja schon genannt, diese betreiben Atom- und Kohlekraftwerke, und die haben gar kein großes Interesse, dass in kürzerer Zeit große Mengen an Solarstrom hier nach Deutschland strömen. Und das, denke ich mal, ist so ein bisschen das Hauptproblem, dass da Akteure auch mit am Ball sind, die gar kein großes Interesse an einer schnellen Energiewende haben.
Scholl: Herr Quaschning, diese politische Seite, die vertiefen wir gleich intensiver. Noch mal zurück zur technischen … also wie … wenn Unternehmensriesen wie Siemens und Bosch aus so einem Unternehmen, also so einem Projekt aussteigen, dann denkt man ja, dass sie die technische und auch die wirtschaftliche Realisierung für zweifelhaft halten. Wie sehen Sie das, weil Sie sagen, es ist technisch und wirtschaftlich möglich?
Quaschning: Ein Unternehmen schaut ja, ob wir in den nächsten zwei, drei Jahren auch irgendwann mal schwarze Zahlen schreiben können. Und wenn dann halt eine Evasion im Gespräch ist, die vielleicht ab 2020, 2030 – und wenn man das verspricht, dann dauert es wahrscheinlich ja noch länger – irgendwann mal für Europa interessant wird, dann muss man schauen, dann sagt man: Okay, also für die nächsten Jahre hat man hier keine großen Erwartungen, Gewinnerwartungen zu erzielen, das kann man sich aus der Ferne anschauen und später, wenn es wirklich mal spruchreif wird, auch wieder einsteigen. Das Problem ist, dass so langfristige Perspektiven natürlich für Unternehmen da auch nicht wirklich interessant sind.
Scholl: Der jüngste Streit um die Geschäftsführung, der ist ja grundsätzlicher Natur, der Idee an sich berührt, also Strom für die Region und für Europa, dafür stand die jetzt geschasste Geschäftsführerin, und das war ja auch die buchstäblich elektrisierende Vision, die die Unternehmen des Konsortiums erst zusammengeführt hat. Jetzt ist nunmehr die Rede: Wir bleiben in der Region, wir bleiben also für den Nahen Osten, das ist die Losung des neuen Chefs. Gleichzeitig sagt man aber immer, ach, die Vision, ja, in 20, 30 Jahren wird das so sein. Was denn nun?
Quaschning: Ja, man muss sehen, in Afrika wird ja derzeit Strom aus Europa importiert. Das heißt, wir betreiben in Spanien Kohlekraftwerke und bringen den Strom nach Afrika, obwohl man dort genug Sonne hat. Das heißt, es ist wirklich sinnvoll, erst mal in einem ersten Schritt zu sagen, wir bauen Solaranlagen vor Ort, wir vermindern die CO2-Emissionen vor Ort. Man hat ja auch in Marokko zum Beispiel ein großes Wachstum und ein großes Wachstum im Strombedarf. Das muss man erst mal abdecken, und erst, wenn man vor Ort genügend Solarstrom hat, um die eigenen Bedürfnisse dann zu befriedigen, dann macht es Sinn, drüber nachzudenken, zu exportieren. Es ist ja auch nicht sinnvoll dann, Solarstrom nach Europa zu exportieren und dann Kohlekraftwerke in Marokko oder in anderen Ländern in Nordafrika zu bauen, um dort dann mit CO2-haltigen Energieträgern dann den Strombedarf vor Ort zu decken.
Scholl: Desertec – ist der Traum von Energie aus der Wüste am Ende? Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Kritiker haben von Anfang an gesagt, Herr Quaschning, diese Form der zentralisierten Energiegewinnung ist eigentlich widersinnig, denn das Tolle am Solarstrom ist ja auch die dezentralisierte Form, das heißt, Solarzellen, Photovoltaik auf jedem Dach, und demgemäß wäre Desertec nur der perfide Versuch der großen Energiekonzerne, ihre Pfründe zu wahren, die Finger auf der Stromerzeugung und den Preisen zu haben, und jetzt sind wir bei diesem politischen Aspekt, den Sie vorhin schon angesprochen haben. Herr Quaschning, wie triftig finden Sie denn als Fachmann diese Kritik?
"Kleine Investoren oder Bürger sind komplett raus"
Quaschning: Ja, also wie gesagt, als Techniker finde ich die Vision Desertec immer bestechend, aber wenn man die politische Komponente sich anschaut und die Leute im Konsortium, was wir schon angesprochen haben, dann ist einfach das Problem, dass wir große Energie-Player haben, die so was nur finanzieren können. Das heißt, so ein Wüstenstromkonzept, das ist ja ein mehrstelliger Milliardenbetrag, den ich da brauche, und da sind ja kleine Investoren oder Bürger komplett raus, das können nur große Konzerne und Investoren machen, und genau diese haben die letzten Jahre ganz intensiv auf die Kernenergie und auf die Kohlekraft gesetzt. Das heißt, in Deutschland werden derzeit von den großen Energiekonzernen noch eine Großzahl an neuen Kohlekraftwerken errichtet, und da ist es natürlich nicht interessant, für die Konzerne jetzt schnell auf den Ausbau erneuerbarer Energien zu setzen.
Und da gibt es durch die Bürger eine ganz andere Option, das heißt, wir sehen, dass die Solartechnik auch in Deutschland sehr preiswert geworden ist, das heißt, ich kann in Deutschland schon Solarstrom preiswerter zu Hause erzeugen, als den Strom aus dem Netz einzukaufen. Und dann haben wir als Konkurrenz zu den Energiekonzernen hier Millionen von Haushalten, die die Energiewende vorantreiben können, die die Solaranlagen einfach bauen, weil es sich rechnet, weil sie einen Beitrag zur Energiewende leisten wollen, und das gibt eine ganz andere Dynamik, als beispielsweise das Desertec-Konzept dann geben könnte.
Scholl: Ich meine, der technisch-industrielle Zweig von Desertec, diese sogenannte Deutsche Industrieinitiative, hat jetzt trotz der Negativschlagzeilen der letzten Wochen verkündet, langfristig 15 bis 20 Prozent der Stromversorgung Europas zu generieren. Vor dem Hintergrund dessen, was Sie jetzt gerade gesagt haben, Herr Quaschning, ist das ja eigentlich heiße Luft, oder? Die wollen eigentlich gar nicht mehr.
Quaschning: Na ja, es ist allen schon klar, dass die Solartechnik eine große Zukunft hat. Wir sehen, dass wir in diesem Jahrhundert, wahrscheinlich Mitte des Jahrhunderts, 30, 40 oder 50 Prozent Solarstrom weltweit erreichen werden. Das heißt, man sieht in den Konzernen schon, dass man irgendwann einsteigen muss. Die Frage ist natürlich, wann dann das optimale Datum für den Einstieg ist und wann man das machen kann, ohne die eigenen Gewinne jetzt aus den Kohle- und Atomkraftwerken zu gefährden. Das ist für die Konzerne natürlich auch schwierig, deswegen versucht man, den Fuß in der Tür zu haben, das positive Image der Solarenergie natürlich auch zu nutzen, das ist ja auch firmenpolitisch sehr interessant, und dann aber erst einzusteigen, wenn es nicht mehr anders geht und wenn man auch wirklich dann entsprechend Profit mit machen kann.
Scholl: Nun hört man immer von – auch in diesem Zusammenhang das Thema – immer von lokaler Energiegewinnung im Maghreb, also in Tunesien oder Marokko. Diese Länder betreiben große Investitionen in die Solarenergie. Aber diese Projekte, wenn man dann genauer hinschaut, haben mit Desertec erst mal gar nichts zu tun. Wie konkret, Herr Quaschning, ist denn die Vision eigentlich inzwischen? Gibt es denn überhaupt technische Entwicklungen, schon Standorte für Desertec? Ist eigentlich überhaupt etwas passiert außer Philosophie?
Quaschning: Desertec selber möchte ja auch Kraftwerke bauen, da ist etwas in Planung, aber es ist eigentlich auch relativ egal, ob das nun unter dem Namen Desertec läuft, oder ob andere Player dort nun andere Investoren, große Solarkraftwerke bauen. Entscheidend ist ja erst mal, dass dort vor Ort genügend Strom erzeugt wird. Wer letztendlich dann da federführend ist oder verantwortlich, ist ja noch relativ egal. Marokko baut oder plant derzeit sehr, sehr große Solaranlagen, die dann aus anderen Quellen initiiert oder finanziert werden, da hängt die Weltbank dann auch mit drin, und das werden erst mal größere Anlagen sein, die einen größeren Teil des marokkanischen Bedarfs zum Beispiel decken können, und das ist hinsichtlich des Klimaschutzes natürlich eine sehr erfreuliche und interessante Entwicklung.
Scholl: Das heißt sozusagen, Desertec als Firma wird dann erst mal gar nicht so schnell sichtbar sein.
Quaschning: Ja, die werden schon sichtbar sein, weil sie ein einzelnes Projekt haben. Wenn sie das realisieren, wird man natürlich damit auch wieder an die Presse gehen, aber von der Dimension ist das eine ganz andere Größenordnung, da reden wir noch lange nicht über irgendwelche Möglichkeiten von dem Export, das sind dann kleinere Mengen, die man in den afrikanischen Strommarkt dann einspeisen kann. Und ob die dann die Größe erreichen, dass man wirklich dann mal so viel Strom hat aus dem Konsortium heraus, dann Strom nach Europa zu exportieren, das muss man dann mal abwarten.
Scholl: Gegenwart und Zukunft des Energieprojektes Desertec – wir haben die Einschätzung von Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme in Berlin, gehört. Danke Ihnen dafür, Herr Quaschning!
Quaschning: Ja, danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Und da gibt es durch die Bürger eine ganz andere Option, das heißt, wir sehen, dass die Solartechnik auch in Deutschland sehr preiswert geworden ist, das heißt, ich kann in Deutschland schon Solarstrom preiswerter zu Hause erzeugen, als den Strom aus dem Netz einzukaufen. Und dann haben wir als Konkurrenz zu den Energiekonzernen hier Millionen von Haushalten, die die Energiewende vorantreiben können, die die Solaranlagen einfach bauen, weil es sich rechnet, weil sie einen Beitrag zur Energiewende leisten wollen, und das gibt eine ganz andere Dynamik, als beispielsweise das Desertec-Konzept dann geben könnte.
Scholl: Ich meine, der technisch-industrielle Zweig von Desertec, diese sogenannte Deutsche Industrieinitiative, hat jetzt trotz der Negativschlagzeilen der letzten Wochen verkündet, langfristig 15 bis 20 Prozent der Stromversorgung Europas zu generieren. Vor dem Hintergrund dessen, was Sie jetzt gerade gesagt haben, Herr Quaschning, ist das ja eigentlich heiße Luft, oder? Die wollen eigentlich gar nicht mehr.
Quaschning: Na ja, es ist allen schon klar, dass die Solartechnik eine große Zukunft hat. Wir sehen, dass wir in diesem Jahrhundert, wahrscheinlich Mitte des Jahrhunderts, 30, 40 oder 50 Prozent Solarstrom weltweit erreichen werden. Das heißt, man sieht in den Konzernen schon, dass man irgendwann einsteigen muss. Die Frage ist natürlich, wann dann das optimale Datum für den Einstieg ist und wann man das machen kann, ohne die eigenen Gewinne jetzt aus den Kohle- und Atomkraftwerken zu gefährden. Das ist für die Konzerne natürlich auch schwierig, deswegen versucht man, den Fuß in der Tür zu haben, das positive Image der Solarenergie natürlich auch zu nutzen, das ist ja auch firmenpolitisch sehr interessant, und dann aber erst einzusteigen, wenn es nicht mehr anders geht und wenn man auch wirklich dann entsprechend Profit mit machen kann.
Scholl: Nun hört man immer von – auch in diesem Zusammenhang das Thema – immer von lokaler Energiegewinnung im Maghreb, also in Tunesien oder Marokko. Diese Länder betreiben große Investitionen in die Solarenergie. Aber diese Projekte, wenn man dann genauer hinschaut, haben mit Desertec erst mal gar nichts zu tun. Wie konkret, Herr Quaschning, ist denn die Vision eigentlich inzwischen? Gibt es denn überhaupt technische Entwicklungen, schon Standorte für Desertec? Ist eigentlich überhaupt etwas passiert außer Philosophie?
Quaschning: Desertec selber möchte ja auch Kraftwerke bauen, da ist etwas in Planung, aber es ist eigentlich auch relativ egal, ob das nun unter dem Namen Desertec läuft, oder ob andere Player dort nun andere Investoren, große Solarkraftwerke bauen. Entscheidend ist ja erst mal, dass dort vor Ort genügend Strom erzeugt wird. Wer letztendlich dann da federführend ist oder verantwortlich, ist ja noch relativ egal. Marokko baut oder plant derzeit sehr, sehr große Solaranlagen, die dann aus anderen Quellen initiiert oder finanziert werden, da hängt die Weltbank dann auch mit drin, und das werden erst mal größere Anlagen sein, die einen größeren Teil des marokkanischen Bedarfs zum Beispiel decken können, und das ist hinsichtlich des Klimaschutzes natürlich eine sehr erfreuliche und interessante Entwicklung.
Scholl: Das heißt sozusagen, Desertec als Firma wird dann erst mal gar nicht so schnell sichtbar sein.
Quaschning: Ja, die werden schon sichtbar sein, weil sie ein einzelnes Projekt haben. Wenn sie das realisieren, wird man natürlich damit auch wieder an die Presse gehen, aber von der Dimension ist das eine ganz andere Größenordnung, da reden wir noch lange nicht über irgendwelche Möglichkeiten von dem Export, das sind dann kleinere Mengen, die man in den afrikanischen Strommarkt dann einspeisen kann. Und ob die dann die Größe erreichen, dass man wirklich dann mal so viel Strom hat aus dem Konsortium heraus, dann Strom nach Europa zu exportieren, das muss man dann mal abwarten.
Scholl: Gegenwart und Zukunft des Energieprojektes Desertec – wir haben die Einschätzung von Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme in Berlin, gehört. Danke Ihnen dafür, Herr Quaschning!
Quaschning: Ja, danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.