Kein Zutritt für Männer

Von Eva Wolk |
Sit-ups und Suren - wer meint, das gehe nicht zusammen, war noch nicht im Fitness-Studio Hayat in Köln-Ehrenfeld. Emine Aydemir hat es gegründet - speziell für Musliminnen, die in normale Fitness-Studios nicht hinein wollen. Etwa weil sie ohne Kopftuch nicht vor Männern Gewichte heben wollen.
Köln-Ehrenfeld, nachmittags kurz vor fünf. Im Bickendorfer Gewerbegebiet hat Emine Aydemir, eine zierliche, schlanke Türkin, über einem Supermarkt ihr Frauenfitness-Studio eingerichtet.

An der Eingangstür zum 120-Quadratmeter-Studio ist eine für das andere Geschlecht geltende Barriere in Form eines großen Plakats angebracht: "Achtung!" steht da. "Männliche Besucher haben keinen Zutritt ins Damen-Studio! Bei Fragen und Anlieferungen bitte Klingel benutzen und warten, bis wir uns melden. Danke!"

Emine Aydemir: "Ich bin selber in normale deutsche Frauenfitness-Studios gegangen, weil ich übergewichtig war, um die Kilos loszuwerden. Und da konnte ich nicht ohne Kopftuch trainieren - weil ich selber Muslim bin und Kopftuch trage –, weil da immer wieder Männer reinkamen. Entweder kam der Postbote oder der Paketdienst oder der Besitzer war ein Mann.

Und so ist mir dann halt die Idee gekommen: Warum gibt es kein Frauenfitness-Studio, wo keine Männer reindürfen - oder unangemeldet reindürfen? Dann habe ich mir gesagt, das musst du dann machen."

Die Bank gefiel die Idee, sie gab Kredit. Und dass das Hayat heute, gut fünf Jahre nach Gründung, schuldenfrei ist und 400 feste Kundinnen hat, liegt nicht nur daran, dass es eine männerfreie Zone ist. Seinen Erfolg verdankt das Studio auch der Tatsache, dass die Inhaberin selbst Muslimin ist und weiß: Für muslimische Frauen ist Sport nicht selbstverständlich.

Emine Aydemir: "Viele Deutsche sind ja entweder in einem Verein oder die machen draußen Sport oder sind im Fitness-Studio angemeldet, aber bei uns ist das halt nicht so, und daher kennen die das nicht. Und es gibt halt keine Bewegung, deshalb nehmen auch meine Landsleute sehr viel zu. Und das ist dann die Gelegenheit.

Sie trauen sich auch, zu mir zu kommen, weil ich Gleichgesinnte bin. Die können dann hier ihr Problem äußern - zum Beispiel eine Frau, die 50 ist und Kopftuch trägt und dazu auch nicht so gut Deutsch sprechen kann, würde sich nie in ein normales deutsches Frauenfitness-Studio trauen. Deshalb kommen die zu mir, und die machen zum ersten Mal in ihrem Leben Sport hier."

Anfangs hat Emin Aydemir in Werbung investiert. Aber inzwischen funktioniert die Mund-zu-Mund-Propaganda bestens. Und die beschränkt sich nicht auf muslimische Frauen.

Emine Aydemir: "Also ich sag’ immer: Hayat verbindet Nationen. Es sind auch Christen dabei, Buddhisten, deutsche Mitglieder haben wir sehr viele. Auch nicht muslimische Frauen möchten gerne ohne Männer trainieren, weil das halt angenehmer ist. Da kann man auch mal mit `nem Schlabber-T-Shirt hierhin kommen. Und viele Frauen haben nun mal nicht den perfekten Körper, und die möchten halt in Ruhe trainieren ..."
... oder die Kurse absolvieren, die neben anderen Trainerinnen auch Monika Jürgens leitet. Zwei mal pro Woche arbeitet die Christin im Hayat.

Monika Jürgens: "Ich bin insgesamt in zehn Studios tätig. Und was ich hier in dem Studio so schätze, ist das Persönliche. Nach den Stunden setzt man sich immer noch mal kurz zusammen hin und erzählt ein bisschen was, es ist auch ein bisschen was Privates, das hat so was Familiäres. Also wenn der eine oder andere nicht gut drauf ist, das kriegt man auch mit, und da redet man hier auch schon mal drüber. Das macht dieses Studio einfach aus."

Die persönliche, beinahe intime Atmosphäre des Hayat macht es auch möglich, dass die Kundinnen sich freier fühlen und ein neues Verhältnis zu ihrem Körper entwickeln können.

Monika Jürgens: "Speziell die Musliminnen haben ein ganz anderes Körpergefühl. Fängt mit der Verhüllung an - dass sie das hier alles ablegen können und sich frei fühlen können, also dass sie machen können, was sie wollen, ohne dass sie irgendwie beobachtet werden.

Gut, was hier anders ist: das mit dem Umziehen. Man läuft hier halt nicht nackt durch, sondern man zieht sich in der Umkleidekabine um, und die Duschen sind auch abgetrennt, das ist auch noch anders."

Die unterschiedlichen Glaubensrichtungen, die im Hayat zusammenkommen, sind nach Beobachtung der Trainerin kaum ein Thema - und für sie selbst nur dann, wenn Glaubensregeln ihren Job berühren.

Monika Jürgens: "War auch für mich ein bisschen befremdlich – weil zwischendurch die Leute rausgegangen sind zum Beten zum Beispiel. Man muss halt erst mal so eine gewisse Disziplin reinbringen, dass es halt schon ein bisschen anders läuft, so eine Sportstunde, dass man nicht einfach mittendrin rausgehen kann und beten. Das haben sie aber mittlerweile so koordiniert, dass sie das in den Pausen machen zwischen den Kursen.

Und zum Ramadan-Fest zum Beispiel lassen wir die Kurse hier und da auch ausfallen, weil ich es nicht für gutheißen kann, wenn man nichts isst und vor allen Dingen nichts trinkt und Sport macht. Und da muss man die Frauen manchmal auch ein bisschen von überzeugen.

Aber mittlerweile ist das auch so akzeptiert. Ansonsten ist alles ganz easy und locker. Und ich finde, man muss tolerant sein, und es erweitert einem selber ja auch `n bisschen den Horizont. Und von daher find’ ich das ganz nett hier."

Im abgetrennten Trainingsraum beginnt der BOP-Kurs. Trainerin Monika Jürgens bringt die kleine Gruppe ordentlich ins Schwitzen, aber den Frauen scheint es Spaß zu machen. BOP heißt: Bauch, Oberschenkel, Po - konfessionsübergreifende Problemzonen sozusagen. Zwischendurch schnell die Frage an zwei der Kurs-Teilnehmerinnen, beide islamischen Glaubens, warum sie sich fürs Fitness-Studio "Hayat" entschieden haben.

Muslima 1: "Ich finde es richtig gut. Ich war früher immer in anderen Fitness-Studios, wo halt auch Männer trainiert haben. Aber irgendwie fühl' ich mich unter Frauen einfach wohler. Ich fühl mich nicht so beobachtet und – ja, ich find’s einfach angenehmer."

Muslima 2: "Ich bin Muslimin, und ich bin hier, weil es hier nur für Frauen ist, da kann man sich freier bewegen, da hat man nicht die Blicke immer auf sich. Und es ist sauber hier. Ist ein bisschen kleiner hier, nicht so groß, hier sind nicht so viele Leute. Das ist auch gut so."