Keine Amtsstube daheim

Behörden tun sich mit Homeoffice schwer

06:30 Minuten
Eine Person sitzt an einem Tisch im Homeoffice an einem Laptop, die Hand liegt auf der Maus, daneben steht ein Handy.
Für manche Behörden ist Homeoffice kein Problem. Oft gibt es aber noch Vorbehalte unter Mitarbeitern und Führungskräften. (Symbolbild) © Imago / Fotostand / K. Schmitt
Von Thorsten Gabriel |
Audio herunterladen
Ausgerechnet der Staat als Arbeitgeber macht beim Thema Homeoffice keine besonders gute Figur. In vielen Behörden in Deutschland ist Arbeiten von zu Hause noch immer nicht möglich – und das liegt nicht immer nur an fehlender Technik.
Hoch im Norden ist Homeoffice mittlerweile Routine – zumindest für Julika Kennedy. Die 45-Jährige ist eine von zwei Vorstandsassistentinnen im Flensburger Rathaus. Wenn sie nicht von zu Hause arbeitet, sitzt sie im Vorzimmer der Oberbürgermeisterin und der Dezernentin für Gesundheit und Soziales.
"Es fing im ersten Lockdown an, wo wir natürlich das Rathaus herunterfahren mussten auf ein absolutes Minimum an Mitarbeitern. Wir haben uns dann zusammengetan und überlegt, wie können wir auch für uns gute Lösungen schaffen?"

Homeoffice bei Behörden kann funktionieren

Mit ihrer Kollegin erarbeitet sie ein Konzept: Wer ist wann im Büro und wer arbeitet wann von zu Hause? Und schon auf den ersten Metern zeigt sich: Behörden-Homeoffice funktioniert.
"Wir hatten allerdings, muss ich sagen, von Tag eins an auch eine super Rückendeckung von unseren Chefinnen, die auch selber das Modell Homeoffice uns im Prinzip auch nahegelegt haben. Jeder war eigentlich offen und hat gesagt: Wir probieren es einfach mal und schauen, wie es funktioniert."
Natürlich arbeiten auch in Flensburg nicht alle in den eigenen vier Wänden. Von den rund 1600 Beschäftigten der Stadt könnten 1200 ihren Job auch daheim erledigen, heißt es aus der Pressestelle. Praktisch gibt es aber derzeit nur 500 digitale Zugänge von außen. Das macht eine Homeoffice-Quote von rund 40 Prozent.

Je kommunaler, desto mehr Präsenzarbeit

Umfragen unter Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen zeichnen deutschlandweit ein buntes Bild: Manche Behörden sind bis zu 90 Prozent aus dem Homeoffice arbeitsfähig, andere liegen gerade mal bei 15 Prozent. Die Tendenz: je kommunaler die Behörde, desto präsenter die Beschäftigten.
Das zeigt auch das Beispiel Berlin: Während die meisten Senatsverwaltungen nach eigenen Angaben in Sachen Homeoffice mit Quoten von 70 bis 90 Prozent vergleichsweise gut aufgestellt sind, treten in vielen Bezirksrathäusern die Beschäftigten noch tagtäglich im Büro an. Auf den politischen Führungsetagen wird das vor allem mit "Kundenfreundlichkeit" begründet. Der Pankower Gesundheitsstadtrat Torsten Kühne von der CDU etwa sagt:
"Wir bringen zu über 80 Prozent Leistungen direkt am Bürger. Das sind also wirklich Dinge, wo wir auch größtenteils in Präsenz vor Ort sein müssen. Das ist die Ausgabe von Pässen, von Ausweisen, Dinge, die den Jugendschutz betreffen. Also, viele Dinge, die wirklich nur sehr eingeschränkt oder teilweise gar nicht im Homeoffice erledigt werden können."
Der grüne Bürgermeister des Bezirks Mitte, Stephan von Dassel, formuliert es sogar noch ein Stück heroischer: "Wir müssen so ein bisschen der Fels in der Brandung sein. Wir müssen noch funktionieren. Nicht nur das Gesundheitsamt, sondern eben auch die anderen Behörden. Ich habe zu meinen Beschäftigten gesagt, die natürlich auch gesagt haben: Warum gehen wir nicht alle ins Homeoffice? Warum schließen wir nicht die Rathäuser zu? – Nein! Wir sind gerade in dieser Krise systemrelevant."

Technische Ausstattung wirklich nicht ausreichend?

Dass es in den Bezirken beim Arbeiten von zu Hause Luft nach oben gibt, bestreiten beide nicht. Kühne und von Dassel machen dafür vor allem die mangelnde Digitalisierung verantwortlich:
"Wir haben natürlich nicht die technische Ausstattung, die wir uns wünschen. Das hat auch mit den hohen Sicherheitsstandards zu tun, die wir als Verwaltung gewährleisten müssen."
"Wir haben hier natürlich ‚technologische Schulden‘ aus den letzten Jahren."
Studien legen allerdings nahe, dass fehlende Technik mancherorts auch ein Feigenblatt ist, um etwas anderes zu verdecken – nämlich die Vorliebe für "Präsenzkultur". Die Rehabilitationswissenschaftlerin Lara Lindert von der Universität Köln befragte im vergangenen Jahr online Behördenbeschäftigte, die bereits ins Homeoffice gewechselt waren. nach ihren Erfahrungen.
"Da gab es so ein Zitat, dass jemand gesagt hat: Das Thema Homeoffice hat so einen ‚faden Beigeschmack‘, weil die Führungskraft zum Beispiel eine schlechtere Arbeitsdisziplin befürchtet und selber nicht nachvollziehen kann, was an Arbeit geleistet wird. Was wir uns auch angeschaut haben, waren dann Gründe, die bisher gegen die Arbeit im Homeoffice gesprochen haben. Und da wurde wieder auch genannt, dass die Führungskräfte teilweise eben mangelndes Vertrauen den Mitarbeitenden entgegenbringen – und dass diese mangelnde Präsenz sich möglicherweise negativ auf zum Beispiel meine Arbeitsplatzverlängerung auswirken könnte."

Andere Personalführung erforderlich

Auch wenn etliche andere in der Umfrage angaben, solche Probleme mit Vorgesetzten nicht zu kennen, zeigt sich für Lindert doch: Auch Führungskräfte stünden vor neuen Herausforderungen.
"Wir hatten auch Personen mit Führungstätigkeit in dieser Umfrage, die eben auch berichtet haben: Mir fällt es einfach schwer, die Leute auf Distanz zu führen, die Leute überhaupt zusammenzubekommen, weil die an unterschiedlichen Orten arbeiten, teilweise aber auch zu ganz unterschiedlichen Zeiten arbeiten."
Eine Erfahrung, die Vorstandsassistentin Julika Kennedy mit ihren Chefinnen im Flensburger Rathaus zwar nicht gemacht hat, die sie aber aus Gesprächen gut kennt: Homeoffice – für manche ihrer Kolleginnen gerade am Anfang der Pandemie ein Mysterium.
"Es gab schon durchaus die eine oder andere, die sich nicht so recht vorstellen konnte, was wir denn eigentlich so den ganzen Tag im Homeoffice machen. Und da war manchmal die klassische Frage: Hast du morgen frei? Ach, nein! Du bist ja im Homeoffice!"

Der Lockdown hat in Deutschland nicht nur für Stillstand gesorgt, sondern auch Dinge in Bewegung gebracht. Manche sehen die Arbeitswelt nach Corona bereits völlig verändert. Aber genügt der Lockdown auch als Impuls für einen Kulturwandel in Behörden? Der Wunsch bei Julika Kennedy und ihrer Kollegin ist zumindest da.
"Tatsächlich haben wir dazu auch schon Gespräche mit unseren Chefinnen geführt. Wir möchten es natürlich nicht jeden Tag, das ist klar. Aber die Tendenz soll schon sein, dass jede von uns einen festen Homeoffice-Tag behält. Und das ist natürlich was, das hätten wir wahrscheinlich ohne Corona so nie erleben dürfen, sag ich mal. Das ist schon eine gute Sache für uns."
Mehr zum Thema