Koalitionsfrieden zählt mehr als Klimaschutz
Die große Koalition hat ihren Streit über die Energiepolitik beigelegt. Die Klimaabgabe für alte Kohlekraftwerke soll es nicht geben. Schade, meint Barbara Schmidt-Mattern: Diese Abgabe hätte die Kraftwerksbetreiber in die Pflicht genommen.
Sich zu einigen, ist ein Wunsch, der in diesen Tagen der Griechenland-Krise schwer vorstellbar erscheint. Vielleicht ist auch deshalb bei allen Beteiligten die Erleichterung mit Händen zu greifen, dass es nun wenigstens in der deutschen Energiepolitik konkrete Entscheidungen gibt.
Das an sich findet jeder gut, so wie auch niemand mehr wirklich gegen Klimaschutz ist. Und trotzdem ist das jetzt vorgelegte Paket nicht der große Wurf, als der er verkauft wird. Stattdessen liefert die Große Koalition Ergebnisse ab, bei denen der Koalitionsfrieden mehr zählt als der Klimaschutz. Das mag politisch opportun sein, aber mutig ist es nicht.
Die ursprünglich geplante Klimaabgabe für alte, CO2-intensive Kohlekraftwerke wäre erfrischend innovativ gewesen, weil eben deutlich in ihrer Wirkung: Sie nimmt – ganz richtig dem Verursacherprinzip folgend – die Kraftwerks-Betreiber in die Pflicht. Sie erfüllt die selbstgesteckten CO2-Einsparziele der Bundesregierung, und: Sie wäre in jedem Fall billiger für Stromkunden und Steuerzahler gewesen.
Massiver Ausbau der Erdverkabelung bei Stromtrassen
Die jetzt gefällten Alternativ-Beschlüsse – unter anderem Reservekraftwerke für wind- und sonnenarme Tage und mehr umweltfreundliche Kraft-Wärme-Kopplung – kosten hingegen allesamt mehr Geld – für den Verbraucher und den Steuerzahler. Auch bei der Planung neuer Stromtrassen in Bayern bleibt umstritten, ob die jetzt gefundene Einigung – unter anderem ein massiver Ausbau der Erdverkabelung – wirklich die günstigere Lösung ist.
CSU-Chef Horst Seehofer hat sich hier durchgesetzt, und ausgerechnet er betonte heute, wie schön es doch sei, wenn sich alle einig sind. Am Ende zählt das Wort. Hätte Sigmar Gabriel seine Pläne für eine Klimaabgabe vorab besser vorbereitet und die Gewerkschaften sowie die übrigen Gegner mit ins Boot geholt, wäre sein Projekt vielleicht ein Erfolg geworden.
Hinterher auf die Kraftwerksbetreiber zu zeigen und ihnen vorzuwerfen, sie hätten ja nicht reden wollen, wirkt nicht besonders überzeugend für jemanden wie Gabriel, der nicht nur Superminister für Wirtschaft und Energie ist, sondern auch SPD-Chef und in zwei Jahren möglicherweise Kanzlerkandidat. Solange er das noch nicht ist, hätte man erwarten können, dass die einstige Klimakanzlerin Angela Merkel ihren Vize und Energieminister in den letzten Monaten deutlicher unterstützt hätte bei seinem Plan für einen Kohleausstieg. Merkel hat jedoch hat monatelang geschwiegen. Das ist – trotz der heute vereinbarten Ziele – kein gutes Zeichen, weder für das Koalitionsklima noch für die deutsche Energiewende.