Ton Steine Scherben
In eine Kneipenszenerie verlegt: Daniela Heller hat den Song "Der Traum ist aus" für den Band "Keine Macht für Niemand – ein Ton Steine Scherben Songcomic" gezeichnet. © Ventil Verlag / Daniela Heller
„Keine Macht für Niemand” als Comic
11:44 Minuten
„Keine Macht für Niemand“ von Ton Steine Scherben gehört zu den bedeutendsten Alben der deutschen Popmusikgeschichte. 50 Jahre ist es alt, nun gibt es eine Comicversion. Manche der Songs sind sehr frei in Szene gesetzt.
Das Album der Rockband Ton Steine Scherben erschien 1972 – doch „Keine Macht für Niemand“ hat Bedeutung bis heute. Zwar gab es auch immer wieder Zeiten, in denen man es nicht mehr hören wollte und konnte. Dennoch: Die Legende lebt. Es ist eine der wichtigsten Platten der deutschen Popmusikgeschichte.
Jetzt ist ein Comic dazu erschienen. Zeichnerinnen und Zeichner haben sich mit je einem Song des Albums beschäftigt. Was haben die zwölf Songs heute noch zu sagen?
„Die Songs haben absolut weiterhin Aussagekraft“, ist Nikel Pallat, der bereits früh Mitglied bei Ton Steine Scherben war, überzeugt. Bei Konzerten werde er immer wieder auf die Aktualität der Songs angesprochen. "Da sage ich immer: Das ist verkehrt herum gesehen. Die Zeiten haben sich so wenig geändert, oder die Verhältnisse an sich, so dass die Songs dadurch aktuell geblieben sind.“
Der 1. Mai in Berlin
Bianca Schaalburg hat in "Keine Macht für Niemand – ein Ton Steine Scherben Songcomic" den Song „Die letzte Schlacht gewinnen wir“ bebildert. Die Zeichnerin wurde 1968 geboren, als das Album 1972 erschien, war sie ein Kleinkind. In ihrer Jugend sei es noch überall gespielt worden, erinnert sie sich. „Gerade in Berlin, bei den Hausbesetzungen und Demonstrationen, war das ein Album, das immer irgendwo lief – auch in meinem Freundeskreis.“
Schaalburg beschreibt in ihrem Comic den legendären 1. Mai 1987 in West-Berlin, als es in Kreuzberg heftigst krachte. Und unterlegt die Geschichte, die sie selbst damals erlebt hat, mit dem Text des Songs.
Sie sei an diesem sommerlichen Maitag zu einer Freundin in die Wiener Straße nach Kreuzberg gefahren, berichtet sie. Dort seien dann Demonstranten vorbeigezogen. Das „Katz-und-Maus-Spiel“ zwischen ihnen und der Polizei sei dann immer dunkler geworden.
„Steine flogen, Molotowcocktails, Autos und Gegenstände brannten“, erinnert sie sich. „Die Straßen hier wurden aufgerissen, und die Polizei knüppelte ganz schön ordentlich rein. Das war sehr unheimlich.“
Zugang über Rio Reiser
Einige der Zeichnerinnen und Zeichner kannten hingegen die Band und ihre Musik gar nicht, bevor sie sich ans Werk machten. Manche stießen auch über das Solomaterial von Rio Reiser, dem Frontmann von Ton Steine Scherben, auf die Band.
Die Umsetzung der Songs in Bilder ist sehr unterschiedlich: Es gibt mehr oder weniger Eins-zu-eins-Übersetzungen, in denen man sieht, was gesungen wird. Und es gibt sehr freie Interpretationen.
Er finde es faszinierend, wie unterschiedlich Bilder sein könnten, die Menschen zu den Songs seiner Band im Kopf haben, sagt Pallat. Er selbst habe sich beim Mitsingen oft Szenen ausgemalt. Und auch die Songs selbst beschrieben vieles in Szenen.
"Genetik"-Rapper als "halbe Enkel"
Zur Frage, wer musikalisch das Erbe von Ton Steine Scherben antreten könne, sagt Pallat: “Ich sehe heutzutage viele Bands, die sich viele Gedanken über das Zeitgeschehen machen, das (aber) anders ausdrücken.“
Ein Beispiel seien die Rapper von Genetik aus Saarbrücken, die auch schon die Stimme von Rio Reiser gesampelt hätten. „Dann fangen sie mit einem knallharten Rap an, mit dem sie ihren Blick auf die Zeit ausdrücken, mit fantastisch knallharten Bildern.“
Da seien ganz klar künstlerische und inhaltliche Brücken zu den Ton Steine Scherben-Songs zu sehen – auch wenn die Rapper „halbe Enkel“ seien.