"Keine mutwillige Skandalisierung von Wulff"

Wolfgang Donsbach im Gespräch mit Nana Brink |
Der Kommunikationswissenschaftler Wolfgang Donsbach findet, dass die Medien den Fall Wulff" relativ an der Sache orientiert behandelten. Es sei schließlich die Aufgabe von Journalisten nachzusehen, ob etwas nicht mit rechten Dingen zugehe.
Nana Brink: Gestern hat Bundespräsident Christian Wulff Journalisten in einer Anwaltskanzlei Einblick in die Unterlagen für den 500.000-Euro-Kredit gewährt, und auch diverse Urlaubsreisen wurden öffentlich. Wie gesagt, wir haben darüber in dieser Sendung berichtet. Er selbst hat schon am Wochenende erklärt, dass er an einen Rücktritt nicht denkt. Aber die Gerüchteküche brodelt weiter, befeuert von nicht zuletzt auch einzelnen Medien.

Über die Macht der Medien im Fall Wulff spreche ich jetzt mit Wolfgang Donsbach, er ist Professor für Kommunikationswissenschaft an der TU Dresden. Schönen guten Morgen, Herr Donsbach.

Wolfgang Donsbach: Guten Morgen, Frau Brink!

Brink: Ist die Affäre um den Privatkredit von Bundespräsident Wulff auch eine Medienkampagne?

Donsbach: Na ja, das würde voraussetzen, dass wir eine klare Definition haben, was eine Medienkampagne ist. Natürlich findet sich das Thema in allen Medien, aber das liegt auch daran, dass es die nötigen Nachrichtenfaktoren hat: Es geht um das Staatsoberhaupt, es geht um etwas, was man immer irgendwie vermutet, dass in der Politik es nicht so mit rechten Dingen zugeht. Es ist also ganz natürlich und auch richtig, dass die Medien sich um diesen Fall kümmern.

Es gibt eine dünne Linie zwischen dem, was man investigativen Journalismus nennt, und Kampagnenjournalismus. Wir erinnern uns alle noch, oder jedenfalls die Älteren unter uns, an die Watergate-Affäre in den USA. Die Journalisten Woodward und Bernstein, die sind damals dafür geadelt worden, dass man sagt, sie haben richtig recherchiert sie haben auch ungewöhnliche Mittel eingesetzt, um an Informationen zu kommen, und haben damit sozusagen etwas Heilsames getan für das amerikanische Land. Und das ist ja auch die Aufgabe oder eine der Aufgaben von Journalisten, dass sie hinter den Vorhang schauen und nachsehen, ob etwas nicht mit rechten Dingen zugeht.

Eine Kampagne oder ein Kampagnenjournalismus wird es dann, wenn das einseitig gemacht wird, wenn es aus bestimmten politischen Motiven geschieht, wenn sozusagen die Medien in eine Richtung nur recherchieren und auch nicht die Gegenseite hören, oder wenn man viel mit Mutmaßungen arbeitet. Ich kann das eigentlich in dem Fall nicht erkennen, oder nur in Ansätzen. Es gab heute Morgen in einer Regionalzeitung dann so einen Satz, da steht drin, "in mehreren Medien wird von weiteren Enthüllungen geraunt, die möglicherweise bevorstehen."

So was sollte man lassen, wenn man nichts in der Hand hat, und Geraune gehört nicht in die Presse. Damit sollte man warten, bis man harte Fakten hat. Insofern glaube ich insgesamt, dass der Fall Wulff relativ sachlich von den Medien abgehandelt wird. Ich erkenne keine mutwillige Skandalisierung von Wulff, sondern man versucht einfach, der Sache gerecht zu werden von journalistischer Seite.

Brink: Warum hat aber dann die Bildzeitung just zu dem Zeitpunkt etwas veröffentlicht, das ganze ins Rollen gebracht, als der Bundespräsident nicht da war? War das auch Kalkül?

Donsbach: Das ist schwer zu entscheiden. Die Bildzeitung war ja eigentlich nicht die erste, die an dem Fall dran war. Es war der Spiegel, der versucht hatte, an die Informationen zu kommen, die dann irgendwann frei wurden, im rechtlichen Sinne frei zugänglich wurden, und dann war es die Bildzeitung, die sich der Sache angenommen hat. Ob sie das jetzt gemacht hat, als der Bundespräsident im Ausland war, und dass dahinter irgendeine bestimmte Absicht steht, das kann ich nicht erkennen. Ich wüsste nicht, worin sie bestehen soll.

Ich glaube, dass das sogar etwas wieder Positives ist für unser Mediensystem. Der Bildzeitung, dem Springer-Verlag wird ja immer nachgesagt, sie seien so konservativ; jetzt haben sie ausgerechnet den konservativen, den CDU-Bundespräsidenten hier in die Mangel genommen. Das spricht ja eigentlich dafür, dass bei uns es doch relativ gut zugeht im Journalismus und man nicht auf einem Auge blind ist. Das war in der Vergangenheit sehr oft der Fall: Wir hatten eine doch im Vergleich mit Amerika, mit England, sehr stark parteipolitisch geprägte Presse, und ich glaube, dass man heute eher auch auf die andere Seite schaut, dass man versucht, eine politische Bewertung vorzunehmen, die dann doch unabhängig ist von eigenen politischen Präferenzen der Journalisten oder ihrer Medienhäuser, ihrer Verleger.

Brink: Welche Macht haben denn die Medien dann ganz konkret im Falle Wulff? Wie schätzen Sie das ein?

Donsbach: Die Medien werden darüber entscheiden, wie das ausgeht. Wir haben ja eine sehr unklare Gemengelage. Die rechtliche Bewertung ist eine Sache, und da gibt es dann irgendwann mal klare Urteile, ob das gegen das Ministergesetz verstoßen hat oder nicht. Aber was eigentlich zählt in der Öffentlichkeit ist ja die politische Bewertung. Und diese politische Bewertung, die steht auf sehr viel weicheren Füßen. Das heißt, man kann hier sehr viel mehr in die eine oder andere Richtung tarieren. Und wohin sich dann das Pendel neigt, das ist in erster Linie Sache der Medienberichterstattung.

Ich habe nur bis jetzt den Eindruck, dass die Medien irgendwie noch erschrocken sind von dem, was vor über einem Jahr mit Köhler passierte, der dann zurückgetreten ist wegen der Medienkampagne und auch wegen des fehlenden Rückhalts, den er dann in der Regierung gesehen hat. Aber irgendwie sind die Medien wohl etwas erschrocken, sie könnten schon wieder einen Bundespräsidenten fällen. Sie können es machen, wenn sie das weiter treiben.

Wie gesagt, im Moment sehe ich eine relativ zurückhaltende Berichterstattung, die sich weitgehend auf Fakten basiert und auch in der Politik immer wieder Stimmen findet, die mäßigend sind – auch von der Opposition, was ja sehr ungewöhnlich ist. Normalerweise würden die Oppositionsparteien sofort da draufspringen und "Rücktritt, Rücktritt" rufen. Das sehe ich ja auch nicht, weder bei der SPD, noch bei den Grünen oder gar den Linken. Insofern haben die Medien jetzt auch nicht so viel Futter, um das zu betreiben. Sie brauchen ja immer die Stimmen aus der Politik. Ein Journalist kann ja nicht selbst den Rücktritt fordern, aber er kann eben die Stimmen einsammeln, die den Rücktritt fordern, und das geschieht im Moment noch relativ zurückhaltend.

Brink: Wolfgang Donsbach, Professor für Kommunikationswissenschaft an der TU Dresden. Schönen Dank, Herr Donsbach, für das Gespräch.

Donsbach: Gerne!

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