"Keine reale Möglichkeit, mit SPD 2009 in eine Regierung zu kommen"
Höchstens ein "Linksrückchen" diagnostiziert der Bundesgeschäftsführer der Linken, Dietmar Bartsch, der SPD. Die Partei gehe in eine andere Richtung als "Die Linke", die unter anderem die Abschaffung von Hartz IV und einen Abzug aus Afghanistan fordere. "Im Moment siegen diejenigen, die sich in die Umklammerung der großen Koalition begeben wollen", sagte er über die SPD.
Deutschlandradio Kultur: Wenn die Rente mit 67 und Hartz IV rückgängig gemacht werden und dann irgendwann noch die Deutschen sich aus Afghanistan zurückziehen, braucht man dann noch "Die Linke"?
Dietmar Bartsch: "Die Linke" braucht man, weil sie viel breitere Angebote an die Menschen bringt, als diese drei Themen. Das sind nur drei, wo wir die öffentliche Diskussion in Deutschland wesentlich mitbestimmt haben. Aber Themen wie Gesundheitsreform, Themen wie Mindestlohn usw. sind Dinge, die nur Dank der Linken auf der politischen Agenda sind. Und nur mit einer starken Linken werden sie überhaupt weiter verfolgt.
Deutschlandradio Kultur: Aber dass "Die Linke" überflüssig werden könnte, haben Sie ja selbst gesagt, wenn "Die Zeit" Sie im letzten Herbst richtig zitiert hat. Also ist "Die Linke" eine Partei auf Abruf, wenn alles richtig läuft.
Bartsch: Schauen Sie: Das Problem ist, dass man Ironie in den Printmedien etwas weniger nachvollziehen kann. Ich habe gesagt: Es wäre doch schön, wenn "Die Linke" überflüssig wäre in dem Sinne, dass Hartz IV überwunden ist, dass die Deutschen nicht nur aus Afghanistan, sondern aus den anderen Ländern zurückgezogen sind usw. Dann könnte "Die Linke" überflüssig sein. Real meine ich und bin ganz sicher, dass wir dann neue Themen haben werden.
Jetzt ist es so: Links wirkt. "Die Linke" hat Deutschland in der politischen Debatte, leider noch viel zu wenig in der Politik, verändert. Wenn wir das weitermachen, wenn wir stärker werden, wissen die Menschen, Deutschland wird sozialer.
Deutschlandradio Kultur: Trotzdem wollen wir gerne das Innenleben Ihrer Partei verstehen. Ist das denn die radikalere SPD, die der 70er Jahre, die Geld austeilen, Reformmotor sein möchte, oder gibt es die sozialistische Alternative, die ein Stück mehr ist als nur die linke SPD?
Bartsch: Wir sind deutlich mehr als die linke SPD. Im 21. Jahrhundert sollten wir uns von der Denkweise, dass es Sozialdemokraten, Kommunisten gibt und vielleicht dazwischen nichts, lösen. Den Herausforderungen dieses Jahrhunderts muss auch mit neuen Ideen begegnet werden. "Die Linke" ist, wie der Name sagt, auch der Versuch, auf der Linken etwas zu bündeln. Und wir behaupten nicht, dass wir alle Antworten auf die Fragen dieser Zeit hätten. Aber wir wollen weder traditionell sozialdemokratisch, noch traditionell kommunistisch, noch traditionell sozialistisch sein, sondern wir machen das an Inhalten fest.
Und wir sind eine Partei, die noch nicht mal ein Jahr existiert. Für diese kurze Frist haben wir enorm viel geschafft. Aber es ist weiterhin auch noch sehr viel zu leisten. Die programmatische Richtung, noch mal, was steht am Ende dieses Jahrhunderts für die Menschen in Deutschland, in Europa und in der Welt, diese Aufgabe ist noch zu lösen.
Deutschlandradio Kultur: Was haben Sie denn programmatisch aus der Vergangenheit gelernt? Was haben Sie gelernt von der SED, von der DKP und der KPD? Das wird ja in Ihren Reihen selbst gefragt.
Bartsch: Die PDS, die ja auch eine wesentliche Quelle der neuen Linken ist, hat sich mit der Vergangenheit, insbesondere der DDR-Vergangenheit, auch der SED-Vergangenheit, aber nicht nur damit, sondern mit den breiteren Traditionen sehr umfangreich auseinander gesetzt. Wir haben um unser Selbst willen, nicht, weil gesellschaftlicher Mainstream so war, uns sehr kritisch mit der Vergangenheit auseinandergesetzt.
Die linke Bewegung ist eine Bewegung großer Heldentaten, aber eben leider auch von Verbrechen. Diese Auseinandersetzung haben wir ehrlich und offen geführt und werden sie auch weiter führen. Der traditionelle Staatssozialismus ist gescheitert. Es wird kein Comeback geben. Das ist auch gut so. Wir wollen einen demokratischen Sozialismus, einen freiheitlichen Sozialismus, wo Gleichheit und Freiheit ein Paar sind, was unzertrennbar ist.
Deutschlandradio Kultur: Ist das in der ganzen Partei Konsens, auch bei Leuten wie Sarah Wagenknecht und anderen?
Bartsch: Schauen Sie, Sarah Wagenknecht ist doch zu einem erheblichen Teil auch ein Medienprodukt. Dass in einer Partei wie der Linken - ich wiederhole: nach elf Monaten ihrer Existenz - nicht in allen Fragen Konsens herrscht, finde ich normal. Das gibt es bei keiner Partei, dass überall Konsens herrscht. Aber in zentralen Fragen, dass wir eine antistalinistische Partei sind, dass es bei uns keinen Antisemitismus, keinen Rassismus geben wird usw., da haben wir einen großen Konsens. Und uns eint auch das Ziel einer anderen, einer friedlichen, ökologischen und sozialen Gesellschaft, die wir demokratisch-sozialistisch nennen.
Deutschlandradio Kultur: Versuchen wir es noch mal anders. Wenn wir Sie beim Regieren beobachten, sehen wir, dass sowohl die Politiker der alten PDS als auch die Politiker der neuen Linken wie Sozialdemokraten regieren. In der Opposition spielen Sie demokratische Sozialisten. Ist das ein einheitliches Bild? Oder ist das Taktik?
Bartsch: Nein, es ist ein einheitliches Bild. Die Ziele der Partei sind in allen Gliederungen die gleichen. Sie sind festgelegt. Allerdings ist es so, wenn wir Bürgermeister, Oberbürgermeister, Landräte oder eben unsere Regierungsbeteiligung in Berlin sehen, gerade letztere, für diese ist nicht das Parteiprogramm der Linken die Grundlage, sondern ein Koalitionsvertrag. Das ist immer noch nach den Kräfteverhältnissen auszutarieren. Eine 14-Prozent-Partei bestimmt natürlich die Politik maximal zu 14 Prozent. Wir haben da, wo wir auch in Ländern regiert haben, sehr wohl auch die Länder geprägt.
Man kann nach Berlin schauen, da könnte ich viele Beispiele sagen, wo man auch sieht: Ja, das ist die Handschrift der Linken. Ich habe einen Beitrag geleistet zur ersten Regierungskoalition, die wir in Mecklenburg-Vorpommern mit der SPD geschlossen haben. Da sind die Koalitionsverträge die Grundlage, wie bei jeder anderen Partei. Wenn ich mir die Diskrepanz zwischen SPD-Parteiprogramm und Bundesregierungspolitik anschaue, da sind die Welten noch viel größer.
Ja, wir haben auch aus den Regierungsbeteiligungen gelernt. Ja, wir haben da auch nicht nur ruhmreiche Erfolge zu verzeichnen, sondern auch Fehler gemacht. Aber ich glaube, das, was wir unterm Strich vorweisen können, und zwar in der kommunalen wie in der Landespolitik, das kann sich sehen lassen.
Deutschlandradio Kultur: Wenn Sie jetzt vielleicht in die Champions League aufsteigen, sprich, nach den Bundestagswahlen 2009, hat Gregor Gysi gesagt, man könne sich - zumindest gedanklich - mal der Frage annähern, ob man das mit der SPD und möglicherweise mit anderen machen könnte. Ist das eine realistische Perspektive? Was will er uns sagen, wenn er eine Woche vor dem Parteitag sagt: Überlegt euch mal, ob ihr 2009 auf Bundesebene mitregieren wollt?
Bartsch: Wir sind in der Champions League. Die Frage ist nur, auf welchem Platz wir da spielen - im Moment auf Platz drei. Gregor Gysi hat nichts Neues gesagt, sondern klar und deutlich formuliert, dass es unter - er nennt immer sieben - inhaltlichen Prämissen auch möglich ist, dass wir in eine Bundesregierung eintreten. Es ist, ich will das deutlich sagen, ein irrer Zustand, den es nur in Deutschland gibt, dass die SPD den Kanzler oder eine Kanzlerin stellen könnte und das nicht macht. Das hat mit ihrer Politik zu tun. Ich sehe das anders als Gregor Gysi, dass 2009 nach jetzigem Stand eine reale Möglichkeit existiert, mit der SPD in eine Regierung zu kommen. Ich sehe das im Moment nicht.
Deutschlandradio Kultur: Sie rücken nach links.
Bartsch: Die rücken nicht nach links. Wenn überhaupt, gibt es in der SPD ein Linksrückchen. Dazu kommt noch, dass dieses Linksrückchen vor allem verbal ist. Schauen Sie sich die Bahnprivatisierung an. Schauen Sie sich das Mindestlohnthema an. Schauen Sie sich Afghanistan an. Schauen Sie sich die Rente mit 67 an.
Deutschlandradio Kultur: Schauen Sie sich die Rentenerhöhung, schauen Sie sich das Arbeitslosengeld für ältere Arbeitnehmer an.
Bartsch: Genau. Das sind sehr gute Beispiele, wo man eines festhalten kann: Links wirkt. Es hätte selbst diese viel zu niedrige Rentenerhöhung ohne uns nicht gegeben. Es hätte die Verlängerung der 58er Regelung ohne uns nie gegeben. Der Druck von uns ist ausschlaggebend, dass es überhaupt diese Veränderungen und diese Debatten gibt. Ansonsten will ich aber auch ganz klar und eindeutig meine Position zu der Frage Regierungsbeteiligung sagen: Man muss regieren wollen.
Deutschlandradio Kultur: Und Sie wollen?
Bartsch: Man muss regieren können. Und es müssen die Bedingungen stimmen. Wir wollen regieren. In dem Fall sage ich auch deutlich, dank Oskar Lafontaine gibt es hier eine völlig andere Positionierung in der Partei "Die Linke", als es in der PDS war. Die Diskussionen sind aus meiner Sicht Gott sei Dank beendet. Man muss regieren können. Dazu sind wir in der Lage. Aber selbstverständlich müssen wir da auch weiterhin einiges leisten, in vielerlei Hinsicht. Und nicht zuletzt müssen die Bedingungen stimmen.
Ich will das noch mal sagen: Wenn es so ist, dass wir uns einigen könnten auf die Ziele - konsequente Bekämpfung der Kinderarmut, eine Reform der Gesundheitsreform, die Überwindung von Hartz IV, die Rezivilisierung der Außenpolitik, die mit dem Abzug aus Afghanistan beginnt, eine andere Rentenpolitik, nicht nur die Abschaffung der Rente mit 67, sondern eben wirklich auch eine gegen Altersarmut, die jetzt durch Niedriglöhne hervorgerufen wird, die Angleichung der Lebensverhältnisse Ost-West -, dann ist doch selbstverständlich, dass wir bereit sind, auch über eine Regierungsbildung zu reden, ohne Wenn und Aber.
Das wäre doch kurios, wenn wir das leugnen würden. Aber ich sehe überhaupt nicht, dass die SPD in diese Richtung geht. Das Gegenteil ist in der praktischen Politik der Fall. Sie redet manchmal links. Es gibt einige, die anderes wollen. Aber im Moment sind in einer Partei, in der SPD, zwei Parteien vorhanden. Im Moment siegen diejenigen, die sich in die Umklammerung der Großen Koalition begeben wollen.
Deutschlandradio Kultur: Zunächst einmal treten Sie mit einem Zukunftsinvestitionsprogramm von 50 Milliarden Euro an. Das wollen Sie beschließen auf dem Cottbusser Parteitag in einer Woche. Was ist links an dem Programm?
Bartsch: Dieses Zukunftsinvestitionsprogramm ist ja nicht eine besonders kreative Leistung. Wir haben schon im Wahlprogramm zu den Wahlen 2005, damals noch als Linkspartei/PDS, den Vorschlag unterbreitet, 40 Milliarden in die Zukunft zu investieren. Interessanterweise hat ja die große Koalition bei ihrer ersten Klausur dann ein Investitionsprogramm von 20 Milliarden beschlossen, was ja durchaus interessant ist.
Ja, wir sagen, das ist der richtige Weg. Deutschland muss in Bildung, in Forschung und Entwicklung investieren. Deutschland muss investieren, dass Arbeitsplätze geschaffen werden. Das ist ein Weg, der zunächst noch kein bisschen sozialistisch ist.
Deutschlandradio Kultur: Das machten doch die bisherigen Regierungen auch. Nehmen Sie mal dieses Energieförderprogramm. Es ist immer staatliches Geld eingeflossen, um die Konjunktur anzukurbeln, selbst in guten Zeiten. Da kommt doch nichts Neues. Sie satteln einfach drauf.
Bartsch: Nein, wir satteln nicht nur einfach drauf. Ich finde im Übrigen das, was dort energiepolitisch von Rot-Grün geleistet worden ist, eine vernünftige Entscheidung. Ich finde auch eine vernünftige Entscheidung, dass in die Universitäten, dass jetzt auch noch mal besonders in sechs ostdeutsche Universitäten investiert wird, richtige Entscheidungen. Aber ein Investitionsprogramm mit der Zielrichtung, wie wir es beschließen wollen, das erachten wir als richtig.
Aber ich teile Ihre Sicht, dass das nicht der Kernpunkt linker oder gar sozialistischer Politik ist. Es ist ein Element. Dass es dort eine Auseinandersetzung in der Linken gab, das finde ich gut, weil das hat zumindest eines mit sich gebracht, dass die Menschen in Deutschland sehen konnten, wir beschäftigen uns auch mit Wirtschafts- und Finanzpolitik. Die entscheidende Frage, darum ging auch der Streit bei uns, war die Frage, wie finanzieren wir das. Das finde ich eine sehr notwendige Frage - das sage ich gerade auch als Mitglied des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages.
Deutschlandradio Kultur: Und wie finanzieren Sie es?
Bartsch: Wir haben klare Vorschläge in der Steuerpolitik, wie wir mehr Einnahmen für den Staat generieren wollen. Ich kann das kurz anreißen: Wir finden das völlig inakzeptabel, was jetzt als Reform der Erbschaftssteuer angestrengt wird. Vier Milliarden nimmt Deutschland aus der Erbschaftssteuer ein. Das ist viel zu wenig. Hätten wir die Erbschaftsteuer der Vereinigten Staaten, würden wir 50 Milliarden in die öffentlichen Haushalte bekommen. 1,3 Billionen werden in den nächsten Jahren vererbt. Das ist ein Punkt.
Zweitens: Die Richtung der Steuerpolitik ist falsch gewesen. Wir hatten zu Zeiten von Helmut Kohl noch einen Spitzensteuersatz von 53 Prozent. Heute ist er bei 42. Wir sagen: Entlastung bei den Einkommen, wo der sogenannte Mittelstandsbauch ist. Das muss gradlinig sein, aber eben auch eine deutliche Erhöhung des Spitzensteuersatzes, in einem ersten Schritt sofort auf 45 und dann in Richtung 50 Prozent. Das bringt mehr Einnahmen.
Drittens würde eine Börsenumsatzsteuer, wie wir sie zum Beispiel in Großbritannien haben, Größenordnungen in die öffentlichen Kassen bringen und nicht zuletzt auch die Wiedererhebung der Vermögenssteuer.
Ich will auch ganz klar und eindeutig sagen, dass in den Haushalten genügend Reserven sind. Hätten wir eine Steuern- und Abgabenquote wie im Durchschnitt Europas, die bei 40 Prozent ist, hätten wir viele Probleme nicht. Also, wer sagt, wir beschäftigen uns nicht mit diesen Fragen, der kennt unsere Programmatik und unsere Kompetenz nicht. Das sage ich gerade als jemand, der sich mit diesem Fachgebiet auch ein klein wenig beschäftigt.
Deutschlandradio Kultur: Aber zurück bleiben doch zwei Eckpunkte. Einmal, Sie satteln auf einen verschuldeten Etat noch mal drauf, noch mal mit 50 Milliarden, statt dass Sie den Haushaltsausgleich suchen. Und Oskar Lafontaine erzählt, er könne mit einer neuen Steuerpolitik 150 Milliarden möglicherweise bei den Reichen einsammeln. Das sind doch gräuliche Geschichten. Da werden Sie doch nur Widerstand ernten.
Bartsch: Nein, das sind keine gräulichen Geschichten und offensichtlich ernten wir ja nicht nur Widerstand. Was gräulich ist, ist, dass eine Situation in Deutschland entstanden ist, dass durch unsere Vorschläge jetzt jede einzelne Partei einen Teil davon nimmt und sagt, das wollen wir. Schauen Sie sich die CSU an. Die CSU hat solide die Streichung der Pendlerpauschale für die ersten 20 Kilometer beschlossen, eine Entscheidung, die in besonderer Weise auch gegen Ostdeutschland gerichtet ist und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer trifft. Jetzt im Wahlkampf sagt die CSU: "Zurück, haltet den Dieb!" Das ist eine Politik, die uns immer unterstellt wird: populistisch.
Oskar Lafontaine spricht die schlichte Wahrheit aus, dass mit einer anderen Steuer- und Abgabenquote Deutschland, also mit der durchschnittlichen europäischen, keine Probleme hätte. Nun will ich diesen Aussagesatz zunächst unterstreichen, bin aber dafür, dass wir auch in unserer Partei um die Untersetzung kämpfen. Was heißt das? Es kann ja nicht heißen, dass wir sagen, na ja, wir machen die Mehrwertsteuer mal auf 25, dann haben wir die schon. Das ist nicht der Fall. Aber dass wir die Situation haben, dass wir im Staat mehr Einnahmen aus Lohnsteuern haben und weniger aus Unternehmenssteuern, ist eine schlichte Wahrheit.
Was ist denn in Deutschland bei der großen Koalition passiert? Entlastung der Banken und Konzerne durch eine Unternehmenssteuerreform - bis zu 10 Milliarden. Und das Geld ist bei den Schwächeren dieser Gesellschaft geholt worden: Pendlerpauschale, Kindergeld reduziert, Sparerfreibetrag reduziert, Mehrwertsteuererhöhung. Das ist doch nicht zu akzeptieren, dass im Ergebnis dieser Politik die Zahl der Vermögensmillionäre in Deutschland steigt, dass wir immer mehr Vermögensmilliardäre haben und auf der anderen Seite 2,5 Millionen Kinder in Armut, wie Unicef und nicht "Die Linke" sagt. Nein, eine solche Politik ist zumindest nicht sozialdemokratisch. Sie ist erst recht keine linke Politik. Und da muss man was gegen tun und dann auch gegen den Mainstream schwimmen. Das machen wir.
Deutschlandradio Kultur: Teilen Sie, was Ulrich Maurer sagt, dass er einen Spitzensteuersatz von 70 Prozent haben will? Sie wissen doch, dass das Verfassungsgericht das niemals zulassen will.
Bartsch: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ulrich Maurer einen Spitzensteuersatz von 70 Prozent gefordert hat.
Deutschlandradio Kultur: Das hat er nach dem Parteivorstand vor wenigen Wochen gesagt, dass er sich einen Spitzensteuersatz von 70 Prozent vorstellen kann.
Bartsch: Ein Spitzensteuersatz von 70 Prozent ist nicht durchsetzbar, da ist das Verfassungsgericht davor. Ich habe die Position, die bei uns auch in der Partei die Beschlusslage ist. Ich muss dann mit meinem Freund Ulrich Maurer darüber reden. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass er 70 Prozent fordert. Wir haben 42, ich sage, Richtung 50 muss das gehen. 45 ist sofort machbar, aber auch eine Steigerung. Wir werden das in unserem Wahlprogramm im Übrigen vorstellen.
Deutschlandradio Kultur: Wenn man über "Die Linke" redet, geht es auch immer um staatliches Eigentum oder um Privatisierung. Jetzt sagen Sie in Ihrem Leitantrag: Sie sind gegen Verschleuderung von öffentlichem Eigentum. Herr Steinbrück, der Finanzminister ist das sicherlich auch. Was würden Sie ihm denn empfehlen? Soll er beispielsweise Teile der Bahn so teuer so möglich verkaufen und sie nicht verschleudern?
Bartsch: Ich würde Herrn Steinbrück, was die Bahn betrifft, empfehlen, dass er gar nichts veräußert. Sie müssen sich nur anschauen, was in den Ländern passiert ist, wo die einst staatliche Bahn privatisiert wurde. Nur das aktuelle Beispiel: Vorige Woche hat Neuseeland die Bahn zurückgekauft für einen Preis, der um 120 Milliarden über dem damaligen Erlös lag. Die Privatisierung mit 24,9 Prozent ist aus meiner Sicht sowieso Irrsinn. Man wird keinen Investor finden, der für 24,9 reingeht, sondern sie gehen alle nur mit der Option rein, dann auch mehr Einfluss zu bekommen. Das ist falsch.
Und das ist dann der Dissens, da muss man ansetzen: Was sind öffentliche Güter, die für alle zugänglich sein müssen? Wollen wir nur die Bahn, die schnell von München nach Berlin fährt? Oder wollen wir auch kleinere Strecken, auch Menschen partizipieren lassen in Deutschland, die eben auf Dörfern und in Kleinstädten wohnen? Wollen wir das oder wollen wir eine Bahn, die renditeorientiert ist, die wunderbaren Service für die Elite des Landes gibt? Nein, das wollen wir nicht. Deswegen ist das ein öffentliches Gut und ich bin gegen die Privatisierung. Wenn dann allerdings privatisiert wird, das ist auch völlig klar, dann natürlich so, dass möglichst Geld in die öffentlichen Haushalte kommt.
Schauen Sie, "Die Linke" sagt überhaupt nicht, wir wollen etwa alles verstaatlichen. Das ist doch völliger Unsinn. Aber wir haben doch in Deutschland die Erfahrung gemacht - ob es die Netze der großen Energiekonzerne sind, ob es die Bahn ist, ob es die Post ist: Was ist denn besser geworden?
Deutschlandradio Kultur: Was ist schlechter geworden?
Bartsch: Es ist einiges schlechter geworden, ja, deutlich schlechter geworden, weil sie auf vielen Dörfern jetzt nur noch zweimal in der Woche die Post bekommen. Das ist so. Wie wird es denn besser? Durch Personalreduzierung? Das ist die Praxis. Ich will nicht wieder "Zumwinkel" sagen. Ich glaube, der hat mit der Post zu tun. Die Realität ist, dass die Serviceleistung begrenzt ist. Post-Bank, alles reduziert worden, Filialen werden noch weiter reduziert.
Niemand kann sagen, dass diese Privatisierung uns nun so erheblich vorangebracht hat. Und bei der Bahn prognostiziere ich Ihnen Ähnliches. Wir werden in Deutschland ziemlich zügig, es wird ein bisschen länger dauern als zum Beispiel in Neuseeland oder auch in anderen Ländern, auch die Debatte des Rückkaufs haben.
Deutschlandradio Kultur: Aber das ist doch der springende Punkt. Wenn Sie sagen, Sie hätten gern die Bahn weiter als Staatsunternehmen und alle, auch im Verkehrsausschuss, in Bund wie in den Ländern ärgern sich über diese Bahn, die sie nicht in den Griff bekommen. Sie streiten sich über die Netzpolitik, über die Infrastrukturpolitik. Ist es da nicht sinnvoll zu sagen: Wir wollen Netze und Fahrbetrieb trennen, vielleicht auch zwei Staatsgesellschaften machen, wie in Frankreich. Aber wo sind da die Konzepte der Linken, die mehr sagen als nur, wir sind gegen die Privatisierung?
Bartsch: Was ist denn "für Privatisierung"? Ist das ein Konzept?
Deutschlandradio Kultur: Es gibt mehr Wettbewerb.
Bartsch: Welchen Wettbewerb gibt es denn? Über die Trennung kann man reden, wenn das beides im Staatseigentum ist. Das ist überhaupt nicht mein Thema. Und wie die Bahn geführt wird, ist noch ein anderes Thema. Da will ich gar nicht drüber reden. Da könnte man über Herrn Mehdorn und seine Führungsqualitäten und die vielen Mitarbeiter reden, das will ich jetzt hier gar nicht tun. Aber es ist doch auch kein Konzept "Wir privatisieren", wenn man es vor allem damit begründet, wir brauchen frisches Geld für die Bahn. Das ist so absurd.
Deutschlandradio Kultur: Es gibt Wettbewerber. Die Kleinen müssen doch auch fahren dürfen.
Bartsch: Die fahren doch jetzt auch.
Deutschlandradio Kultur: Und Sie ärgern sich über die Trassenpreise der Bahn, des Monopolkonzerns, der die Bedingungen auf der Schiene setzt. Das könnte natürlich auch eine staatliche Netzagentur machen, während die anderen normale Konkurrenten sind.
Bartsch: Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass man auch andere Konkurrenten zulässt, aber die Bahn, die wir haben als Serviceunternehmen, die ist notwendig. Ich verweise noch mal auf die Erfahrung anderer Länder. Da kann man sehr, sehr viel studieren. Und niemand, wirklich niemand - es versucht ja auch keiner, nicht mal jemand von der CDU sagt, dass 24,9 Prozent sinnvoll sind. Auch in der SPD gibt es die Meinung - die einen sind völlig gegen Privatisierung, das sind nicht wenige - nur wegen des Kompromisses, und ein schwacher Parteivorsitzender schafft natürlich ganz schnell gute Kompromisse, weil ansonsten ist er weg, ist dieser Kompromiss durchgesetzt worden.
Weil null, das ist richtig, und alles andere, diese 24,9, sind absurd. Die gibt es nur und die werden Sie nur zu einem respektablen Preis überhaupt verkaufen, wenn Sie die Option für weitere Veräußerungen geben. Natürlich wird das die CDU und die FDP sowieso in ihr Wahlprogramm schreiben. Und wir werden dann eine andere Position einnehmen. Das ist ja auch in Ordnung, dass es da Gott sei Dank verschiedene Entwürfe gibt. Wir sagen: Öffentliche Güter in Deutschland, die Rückgewinnung des Öffentlichen ist ein zentraler Punkt, auch des Konzeptes der Linken, das Öffentliche, der Staat, der jetzt nicht heißt, da sitzen sieben Leute, die entscheiden. Aber wir müssen das Öffentliche wieder zurückholen, dass wir als Politikerinnen und Politiker überhaupt entscheiden können. Wir können das nur noch begrenzt.
Deutschlandradio Kultur: Was meinen Sie denn dann bei den Stromversorgern beispielsweise? Ist das auch das Öffentliche, das Sie zurückhaben wollen? Heißt das, Sie wollen E.ON zurückkaufen, rekommunalisieren?
Bartsch: Ich will, dass die Netze nicht im Eigentum dieser vier Großen sind. Wir haben, wie Sie ja selber sagen, an den Netzen sechs Milliarden verdient, ohne Grund. Warum ist das nicht in öffentlicher Hand? Im Übrigen sagt ja jetzt, ich weiß nicht genau, ob E.ON, jedenfalls einer der vier Großen: Ja, zurück an den Staat. Also, auch hier eine klare Position der Linken.
Deutschlandradio Kultur: Aber bei der Bahn nicht?
Bartsch: Da bin ich dafür, dass beim Strom auch Stadtwerke und Ähnliche eine gleiche Chance haben. Da geht es um Einspeisegesetze und viele, viele Details. Da bin ich dafür. Der Wettbewerb soll doch dazu führen, dass die Preise nach unten gehen für die Menschen. Das ist doch überhaupt nichts Schlechtes. Aber man muss selbstverständlich die Netze in öffentlicher Hand halten.
Also, hier kommt es auf ökonomische, ökologische, aber sehr wohl auch immer beschäftigungspolitische und soziale Kriterien an. Denn die Energieproblematik ist ein zweites zentrales Thema der Linken und wird aus außenpolitischen Gründen, aus finanzpolitischen Gründen und aus ökologischen Gründen, eine ganz zentrale Frage in den nächsten Jahrzehnten sein. Dieser Frage widmen wir uns im Übrigen sehr entschlossen, haben da nicht nur Konferenzen gemacht, sondern auch da einiges vorzulegen.
Deutschlandradio Kultur: Das werden Sie auf dem Parteitag in Cottbus sicher versuchen, noch mal herauszuarbeiten. Politik vermittelt sich natürlich auch immer über Personen, die ganz vorne die Partei führen. Bei der Linken sind es drei: Gysi, Bisky, Lafontaine. Das sind drei Herren, die 60 plus sind und möglicherweise findet demnächst ja auch der Generationswechsel statt. Bereiten Sie den schon vor?
Bartsch: Ich stimme Ihnen zu. Wir werden auf dem Parteitag die Erfolgsgeschichte darstellen: steigende Mitglieder, Wahlerfolge in den alten Ländern, Wahlerfolge bei Kommunalwahlen und Veränderung der Politik in Deutschland. Das sind die Signale, die Cottbus aussenden soll. In Cottbus treten Lothar Bisky und Oskar Lafontaine für den Parteivorsitz noch einmal an. Sie haben das beim Gründungsparteitag gesagt, dass sie für die ja auch im Verschmelzungsvertrag festgelegte Zeit zur Verfügung stehen. Das freut mich, weil sie auch die Erfolgsgaranten waren. Und in der Fraktion sind das Oskar Lafontaine und Gregor Gysi.
Wir haben viele Frauen, die auch jetzt schon eine wichtige Rolle spielen. Also, ich würde es nicht ganz so teilen, dass es nur die drei sind. Ob Petra Pau oder Katja Kipping oder Dagmar Enkelmann oder Gesine Lötzsch, da gibt es eine ganze Menge, in den Ländern sowieso. Also, hier wird es Veränderungen geben, auch einen Generationswechsel. Eines ist ganz sicher. In zehn Jahren werden die drei Herren nicht mehr an der Spitze stehen, vielleicht auch schon nicht mehr in neun, vielleicht auch in acht. Und dann geht die Sendung zu Ende, wenn ich jetzt weiter runtergehe.
Deutschlandradio Kultur: Oskar Lafontaine wird dieses Jahr 65. Sie sind ja so sehr für die Rente mit 65 oder vielleicht noch drunter. Also, für ihn gilt diese Regel auf keinen Fall?
Bartsch: Oskar Lafontaine ist doch derjenige, der uns mit der WASG zusammen den Erfolg im Westen gebracht hat. Ich würde es als einen riesengroßen Fehler ansehen, wenn er sich etwa jetzt zurückzieht. Ich bin sehr froh, dass er die Spitzenkandidatur im Saarland anstrebt, weil das wird - da bin ich ganz sicher - ein sensationelles Ergebnis und wird die alte Bundesrepublik ein bisschen durcheinanderbringen. Und ich freue mich auch, dass er Spitzenkandidat zu den Bundestagswahlen im Jahre 2009 wird. Das sind beides richtige Entscheidungen.
Aber es stimmt genauso, dass wir junge Frauen und auch Männer brauchen, die dann nach den dreien die Führung der Partei übernehmen können und weiter erfolgreich "Die Linke" stärken.
Deutschlandradio Kultur: Herr Bartsch, wir danken für das Gespräch.
Dietmar Bartsch: "Die Linke" braucht man, weil sie viel breitere Angebote an die Menschen bringt, als diese drei Themen. Das sind nur drei, wo wir die öffentliche Diskussion in Deutschland wesentlich mitbestimmt haben. Aber Themen wie Gesundheitsreform, Themen wie Mindestlohn usw. sind Dinge, die nur Dank der Linken auf der politischen Agenda sind. Und nur mit einer starken Linken werden sie überhaupt weiter verfolgt.
Deutschlandradio Kultur: Aber dass "Die Linke" überflüssig werden könnte, haben Sie ja selbst gesagt, wenn "Die Zeit" Sie im letzten Herbst richtig zitiert hat. Also ist "Die Linke" eine Partei auf Abruf, wenn alles richtig läuft.
Bartsch: Schauen Sie: Das Problem ist, dass man Ironie in den Printmedien etwas weniger nachvollziehen kann. Ich habe gesagt: Es wäre doch schön, wenn "Die Linke" überflüssig wäre in dem Sinne, dass Hartz IV überwunden ist, dass die Deutschen nicht nur aus Afghanistan, sondern aus den anderen Ländern zurückgezogen sind usw. Dann könnte "Die Linke" überflüssig sein. Real meine ich und bin ganz sicher, dass wir dann neue Themen haben werden.
Jetzt ist es so: Links wirkt. "Die Linke" hat Deutschland in der politischen Debatte, leider noch viel zu wenig in der Politik, verändert. Wenn wir das weitermachen, wenn wir stärker werden, wissen die Menschen, Deutschland wird sozialer.
Deutschlandradio Kultur: Trotzdem wollen wir gerne das Innenleben Ihrer Partei verstehen. Ist das denn die radikalere SPD, die der 70er Jahre, die Geld austeilen, Reformmotor sein möchte, oder gibt es die sozialistische Alternative, die ein Stück mehr ist als nur die linke SPD?
Bartsch: Wir sind deutlich mehr als die linke SPD. Im 21. Jahrhundert sollten wir uns von der Denkweise, dass es Sozialdemokraten, Kommunisten gibt und vielleicht dazwischen nichts, lösen. Den Herausforderungen dieses Jahrhunderts muss auch mit neuen Ideen begegnet werden. "Die Linke" ist, wie der Name sagt, auch der Versuch, auf der Linken etwas zu bündeln. Und wir behaupten nicht, dass wir alle Antworten auf die Fragen dieser Zeit hätten. Aber wir wollen weder traditionell sozialdemokratisch, noch traditionell kommunistisch, noch traditionell sozialistisch sein, sondern wir machen das an Inhalten fest.
Und wir sind eine Partei, die noch nicht mal ein Jahr existiert. Für diese kurze Frist haben wir enorm viel geschafft. Aber es ist weiterhin auch noch sehr viel zu leisten. Die programmatische Richtung, noch mal, was steht am Ende dieses Jahrhunderts für die Menschen in Deutschland, in Europa und in der Welt, diese Aufgabe ist noch zu lösen.
Deutschlandradio Kultur: Was haben Sie denn programmatisch aus der Vergangenheit gelernt? Was haben Sie gelernt von der SED, von der DKP und der KPD? Das wird ja in Ihren Reihen selbst gefragt.
Bartsch: Die PDS, die ja auch eine wesentliche Quelle der neuen Linken ist, hat sich mit der Vergangenheit, insbesondere der DDR-Vergangenheit, auch der SED-Vergangenheit, aber nicht nur damit, sondern mit den breiteren Traditionen sehr umfangreich auseinander gesetzt. Wir haben um unser Selbst willen, nicht, weil gesellschaftlicher Mainstream so war, uns sehr kritisch mit der Vergangenheit auseinandergesetzt.
Die linke Bewegung ist eine Bewegung großer Heldentaten, aber eben leider auch von Verbrechen. Diese Auseinandersetzung haben wir ehrlich und offen geführt und werden sie auch weiter führen. Der traditionelle Staatssozialismus ist gescheitert. Es wird kein Comeback geben. Das ist auch gut so. Wir wollen einen demokratischen Sozialismus, einen freiheitlichen Sozialismus, wo Gleichheit und Freiheit ein Paar sind, was unzertrennbar ist.
Deutschlandradio Kultur: Ist das in der ganzen Partei Konsens, auch bei Leuten wie Sarah Wagenknecht und anderen?
Bartsch: Schauen Sie, Sarah Wagenknecht ist doch zu einem erheblichen Teil auch ein Medienprodukt. Dass in einer Partei wie der Linken - ich wiederhole: nach elf Monaten ihrer Existenz - nicht in allen Fragen Konsens herrscht, finde ich normal. Das gibt es bei keiner Partei, dass überall Konsens herrscht. Aber in zentralen Fragen, dass wir eine antistalinistische Partei sind, dass es bei uns keinen Antisemitismus, keinen Rassismus geben wird usw., da haben wir einen großen Konsens. Und uns eint auch das Ziel einer anderen, einer friedlichen, ökologischen und sozialen Gesellschaft, die wir demokratisch-sozialistisch nennen.
Deutschlandradio Kultur: Versuchen wir es noch mal anders. Wenn wir Sie beim Regieren beobachten, sehen wir, dass sowohl die Politiker der alten PDS als auch die Politiker der neuen Linken wie Sozialdemokraten regieren. In der Opposition spielen Sie demokratische Sozialisten. Ist das ein einheitliches Bild? Oder ist das Taktik?
Bartsch: Nein, es ist ein einheitliches Bild. Die Ziele der Partei sind in allen Gliederungen die gleichen. Sie sind festgelegt. Allerdings ist es so, wenn wir Bürgermeister, Oberbürgermeister, Landräte oder eben unsere Regierungsbeteiligung in Berlin sehen, gerade letztere, für diese ist nicht das Parteiprogramm der Linken die Grundlage, sondern ein Koalitionsvertrag. Das ist immer noch nach den Kräfteverhältnissen auszutarieren. Eine 14-Prozent-Partei bestimmt natürlich die Politik maximal zu 14 Prozent. Wir haben da, wo wir auch in Ländern regiert haben, sehr wohl auch die Länder geprägt.
Man kann nach Berlin schauen, da könnte ich viele Beispiele sagen, wo man auch sieht: Ja, das ist die Handschrift der Linken. Ich habe einen Beitrag geleistet zur ersten Regierungskoalition, die wir in Mecklenburg-Vorpommern mit der SPD geschlossen haben. Da sind die Koalitionsverträge die Grundlage, wie bei jeder anderen Partei. Wenn ich mir die Diskrepanz zwischen SPD-Parteiprogramm und Bundesregierungspolitik anschaue, da sind die Welten noch viel größer.
Ja, wir haben auch aus den Regierungsbeteiligungen gelernt. Ja, wir haben da auch nicht nur ruhmreiche Erfolge zu verzeichnen, sondern auch Fehler gemacht. Aber ich glaube, das, was wir unterm Strich vorweisen können, und zwar in der kommunalen wie in der Landespolitik, das kann sich sehen lassen.
Deutschlandradio Kultur: Wenn Sie jetzt vielleicht in die Champions League aufsteigen, sprich, nach den Bundestagswahlen 2009, hat Gregor Gysi gesagt, man könne sich - zumindest gedanklich - mal der Frage annähern, ob man das mit der SPD und möglicherweise mit anderen machen könnte. Ist das eine realistische Perspektive? Was will er uns sagen, wenn er eine Woche vor dem Parteitag sagt: Überlegt euch mal, ob ihr 2009 auf Bundesebene mitregieren wollt?
Bartsch: Wir sind in der Champions League. Die Frage ist nur, auf welchem Platz wir da spielen - im Moment auf Platz drei. Gregor Gysi hat nichts Neues gesagt, sondern klar und deutlich formuliert, dass es unter - er nennt immer sieben - inhaltlichen Prämissen auch möglich ist, dass wir in eine Bundesregierung eintreten. Es ist, ich will das deutlich sagen, ein irrer Zustand, den es nur in Deutschland gibt, dass die SPD den Kanzler oder eine Kanzlerin stellen könnte und das nicht macht. Das hat mit ihrer Politik zu tun. Ich sehe das anders als Gregor Gysi, dass 2009 nach jetzigem Stand eine reale Möglichkeit existiert, mit der SPD in eine Regierung zu kommen. Ich sehe das im Moment nicht.
Deutschlandradio Kultur: Sie rücken nach links.
Bartsch: Die rücken nicht nach links. Wenn überhaupt, gibt es in der SPD ein Linksrückchen. Dazu kommt noch, dass dieses Linksrückchen vor allem verbal ist. Schauen Sie sich die Bahnprivatisierung an. Schauen Sie sich das Mindestlohnthema an. Schauen Sie sich Afghanistan an. Schauen Sie sich die Rente mit 67 an.
Deutschlandradio Kultur: Schauen Sie sich die Rentenerhöhung, schauen Sie sich das Arbeitslosengeld für ältere Arbeitnehmer an.
Bartsch: Genau. Das sind sehr gute Beispiele, wo man eines festhalten kann: Links wirkt. Es hätte selbst diese viel zu niedrige Rentenerhöhung ohne uns nicht gegeben. Es hätte die Verlängerung der 58er Regelung ohne uns nie gegeben. Der Druck von uns ist ausschlaggebend, dass es überhaupt diese Veränderungen und diese Debatten gibt. Ansonsten will ich aber auch ganz klar und eindeutig meine Position zu der Frage Regierungsbeteiligung sagen: Man muss regieren wollen.
Deutschlandradio Kultur: Und Sie wollen?
Bartsch: Man muss regieren können. Und es müssen die Bedingungen stimmen. Wir wollen regieren. In dem Fall sage ich auch deutlich, dank Oskar Lafontaine gibt es hier eine völlig andere Positionierung in der Partei "Die Linke", als es in der PDS war. Die Diskussionen sind aus meiner Sicht Gott sei Dank beendet. Man muss regieren können. Dazu sind wir in der Lage. Aber selbstverständlich müssen wir da auch weiterhin einiges leisten, in vielerlei Hinsicht. Und nicht zuletzt müssen die Bedingungen stimmen.
Ich will das noch mal sagen: Wenn es so ist, dass wir uns einigen könnten auf die Ziele - konsequente Bekämpfung der Kinderarmut, eine Reform der Gesundheitsreform, die Überwindung von Hartz IV, die Rezivilisierung der Außenpolitik, die mit dem Abzug aus Afghanistan beginnt, eine andere Rentenpolitik, nicht nur die Abschaffung der Rente mit 67, sondern eben wirklich auch eine gegen Altersarmut, die jetzt durch Niedriglöhne hervorgerufen wird, die Angleichung der Lebensverhältnisse Ost-West -, dann ist doch selbstverständlich, dass wir bereit sind, auch über eine Regierungsbildung zu reden, ohne Wenn und Aber.
Das wäre doch kurios, wenn wir das leugnen würden. Aber ich sehe überhaupt nicht, dass die SPD in diese Richtung geht. Das Gegenteil ist in der praktischen Politik der Fall. Sie redet manchmal links. Es gibt einige, die anderes wollen. Aber im Moment sind in einer Partei, in der SPD, zwei Parteien vorhanden. Im Moment siegen diejenigen, die sich in die Umklammerung der Großen Koalition begeben wollen.
Deutschlandradio Kultur: Zunächst einmal treten Sie mit einem Zukunftsinvestitionsprogramm von 50 Milliarden Euro an. Das wollen Sie beschließen auf dem Cottbusser Parteitag in einer Woche. Was ist links an dem Programm?
Bartsch: Dieses Zukunftsinvestitionsprogramm ist ja nicht eine besonders kreative Leistung. Wir haben schon im Wahlprogramm zu den Wahlen 2005, damals noch als Linkspartei/PDS, den Vorschlag unterbreitet, 40 Milliarden in die Zukunft zu investieren. Interessanterweise hat ja die große Koalition bei ihrer ersten Klausur dann ein Investitionsprogramm von 20 Milliarden beschlossen, was ja durchaus interessant ist.
Ja, wir sagen, das ist der richtige Weg. Deutschland muss in Bildung, in Forschung und Entwicklung investieren. Deutschland muss investieren, dass Arbeitsplätze geschaffen werden. Das ist ein Weg, der zunächst noch kein bisschen sozialistisch ist.
Deutschlandradio Kultur: Das machten doch die bisherigen Regierungen auch. Nehmen Sie mal dieses Energieförderprogramm. Es ist immer staatliches Geld eingeflossen, um die Konjunktur anzukurbeln, selbst in guten Zeiten. Da kommt doch nichts Neues. Sie satteln einfach drauf.
Bartsch: Nein, wir satteln nicht nur einfach drauf. Ich finde im Übrigen das, was dort energiepolitisch von Rot-Grün geleistet worden ist, eine vernünftige Entscheidung. Ich finde auch eine vernünftige Entscheidung, dass in die Universitäten, dass jetzt auch noch mal besonders in sechs ostdeutsche Universitäten investiert wird, richtige Entscheidungen. Aber ein Investitionsprogramm mit der Zielrichtung, wie wir es beschließen wollen, das erachten wir als richtig.
Aber ich teile Ihre Sicht, dass das nicht der Kernpunkt linker oder gar sozialistischer Politik ist. Es ist ein Element. Dass es dort eine Auseinandersetzung in der Linken gab, das finde ich gut, weil das hat zumindest eines mit sich gebracht, dass die Menschen in Deutschland sehen konnten, wir beschäftigen uns auch mit Wirtschafts- und Finanzpolitik. Die entscheidende Frage, darum ging auch der Streit bei uns, war die Frage, wie finanzieren wir das. Das finde ich eine sehr notwendige Frage - das sage ich gerade auch als Mitglied des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages.
Deutschlandradio Kultur: Und wie finanzieren Sie es?
Bartsch: Wir haben klare Vorschläge in der Steuerpolitik, wie wir mehr Einnahmen für den Staat generieren wollen. Ich kann das kurz anreißen: Wir finden das völlig inakzeptabel, was jetzt als Reform der Erbschaftssteuer angestrengt wird. Vier Milliarden nimmt Deutschland aus der Erbschaftssteuer ein. Das ist viel zu wenig. Hätten wir die Erbschaftsteuer der Vereinigten Staaten, würden wir 50 Milliarden in die öffentlichen Haushalte bekommen. 1,3 Billionen werden in den nächsten Jahren vererbt. Das ist ein Punkt.
Zweitens: Die Richtung der Steuerpolitik ist falsch gewesen. Wir hatten zu Zeiten von Helmut Kohl noch einen Spitzensteuersatz von 53 Prozent. Heute ist er bei 42. Wir sagen: Entlastung bei den Einkommen, wo der sogenannte Mittelstandsbauch ist. Das muss gradlinig sein, aber eben auch eine deutliche Erhöhung des Spitzensteuersatzes, in einem ersten Schritt sofort auf 45 und dann in Richtung 50 Prozent. Das bringt mehr Einnahmen.
Drittens würde eine Börsenumsatzsteuer, wie wir sie zum Beispiel in Großbritannien haben, Größenordnungen in die öffentlichen Kassen bringen und nicht zuletzt auch die Wiedererhebung der Vermögenssteuer.
Ich will auch ganz klar und eindeutig sagen, dass in den Haushalten genügend Reserven sind. Hätten wir eine Steuern- und Abgabenquote wie im Durchschnitt Europas, die bei 40 Prozent ist, hätten wir viele Probleme nicht. Also, wer sagt, wir beschäftigen uns nicht mit diesen Fragen, der kennt unsere Programmatik und unsere Kompetenz nicht. Das sage ich gerade als jemand, der sich mit diesem Fachgebiet auch ein klein wenig beschäftigt.
Deutschlandradio Kultur: Aber zurück bleiben doch zwei Eckpunkte. Einmal, Sie satteln auf einen verschuldeten Etat noch mal drauf, noch mal mit 50 Milliarden, statt dass Sie den Haushaltsausgleich suchen. Und Oskar Lafontaine erzählt, er könne mit einer neuen Steuerpolitik 150 Milliarden möglicherweise bei den Reichen einsammeln. Das sind doch gräuliche Geschichten. Da werden Sie doch nur Widerstand ernten.
Bartsch: Nein, das sind keine gräulichen Geschichten und offensichtlich ernten wir ja nicht nur Widerstand. Was gräulich ist, ist, dass eine Situation in Deutschland entstanden ist, dass durch unsere Vorschläge jetzt jede einzelne Partei einen Teil davon nimmt und sagt, das wollen wir. Schauen Sie sich die CSU an. Die CSU hat solide die Streichung der Pendlerpauschale für die ersten 20 Kilometer beschlossen, eine Entscheidung, die in besonderer Weise auch gegen Ostdeutschland gerichtet ist und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer trifft. Jetzt im Wahlkampf sagt die CSU: "Zurück, haltet den Dieb!" Das ist eine Politik, die uns immer unterstellt wird: populistisch.
Oskar Lafontaine spricht die schlichte Wahrheit aus, dass mit einer anderen Steuer- und Abgabenquote Deutschland, also mit der durchschnittlichen europäischen, keine Probleme hätte. Nun will ich diesen Aussagesatz zunächst unterstreichen, bin aber dafür, dass wir auch in unserer Partei um die Untersetzung kämpfen. Was heißt das? Es kann ja nicht heißen, dass wir sagen, na ja, wir machen die Mehrwertsteuer mal auf 25, dann haben wir die schon. Das ist nicht der Fall. Aber dass wir die Situation haben, dass wir im Staat mehr Einnahmen aus Lohnsteuern haben und weniger aus Unternehmenssteuern, ist eine schlichte Wahrheit.
Was ist denn in Deutschland bei der großen Koalition passiert? Entlastung der Banken und Konzerne durch eine Unternehmenssteuerreform - bis zu 10 Milliarden. Und das Geld ist bei den Schwächeren dieser Gesellschaft geholt worden: Pendlerpauschale, Kindergeld reduziert, Sparerfreibetrag reduziert, Mehrwertsteuererhöhung. Das ist doch nicht zu akzeptieren, dass im Ergebnis dieser Politik die Zahl der Vermögensmillionäre in Deutschland steigt, dass wir immer mehr Vermögensmilliardäre haben und auf der anderen Seite 2,5 Millionen Kinder in Armut, wie Unicef und nicht "Die Linke" sagt. Nein, eine solche Politik ist zumindest nicht sozialdemokratisch. Sie ist erst recht keine linke Politik. Und da muss man was gegen tun und dann auch gegen den Mainstream schwimmen. Das machen wir.
Deutschlandradio Kultur: Teilen Sie, was Ulrich Maurer sagt, dass er einen Spitzensteuersatz von 70 Prozent haben will? Sie wissen doch, dass das Verfassungsgericht das niemals zulassen will.
Bartsch: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ulrich Maurer einen Spitzensteuersatz von 70 Prozent gefordert hat.
Deutschlandradio Kultur: Das hat er nach dem Parteivorstand vor wenigen Wochen gesagt, dass er sich einen Spitzensteuersatz von 70 Prozent vorstellen kann.
Bartsch: Ein Spitzensteuersatz von 70 Prozent ist nicht durchsetzbar, da ist das Verfassungsgericht davor. Ich habe die Position, die bei uns auch in der Partei die Beschlusslage ist. Ich muss dann mit meinem Freund Ulrich Maurer darüber reden. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass er 70 Prozent fordert. Wir haben 42, ich sage, Richtung 50 muss das gehen. 45 ist sofort machbar, aber auch eine Steigerung. Wir werden das in unserem Wahlprogramm im Übrigen vorstellen.
Deutschlandradio Kultur: Wenn man über "Die Linke" redet, geht es auch immer um staatliches Eigentum oder um Privatisierung. Jetzt sagen Sie in Ihrem Leitantrag: Sie sind gegen Verschleuderung von öffentlichem Eigentum. Herr Steinbrück, der Finanzminister ist das sicherlich auch. Was würden Sie ihm denn empfehlen? Soll er beispielsweise Teile der Bahn so teuer so möglich verkaufen und sie nicht verschleudern?
Bartsch: Ich würde Herrn Steinbrück, was die Bahn betrifft, empfehlen, dass er gar nichts veräußert. Sie müssen sich nur anschauen, was in den Ländern passiert ist, wo die einst staatliche Bahn privatisiert wurde. Nur das aktuelle Beispiel: Vorige Woche hat Neuseeland die Bahn zurückgekauft für einen Preis, der um 120 Milliarden über dem damaligen Erlös lag. Die Privatisierung mit 24,9 Prozent ist aus meiner Sicht sowieso Irrsinn. Man wird keinen Investor finden, der für 24,9 reingeht, sondern sie gehen alle nur mit der Option rein, dann auch mehr Einfluss zu bekommen. Das ist falsch.
Und das ist dann der Dissens, da muss man ansetzen: Was sind öffentliche Güter, die für alle zugänglich sein müssen? Wollen wir nur die Bahn, die schnell von München nach Berlin fährt? Oder wollen wir auch kleinere Strecken, auch Menschen partizipieren lassen in Deutschland, die eben auf Dörfern und in Kleinstädten wohnen? Wollen wir das oder wollen wir eine Bahn, die renditeorientiert ist, die wunderbaren Service für die Elite des Landes gibt? Nein, das wollen wir nicht. Deswegen ist das ein öffentliches Gut und ich bin gegen die Privatisierung. Wenn dann allerdings privatisiert wird, das ist auch völlig klar, dann natürlich so, dass möglichst Geld in die öffentlichen Haushalte kommt.
Schauen Sie, "Die Linke" sagt überhaupt nicht, wir wollen etwa alles verstaatlichen. Das ist doch völliger Unsinn. Aber wir haben doch in Deutschland die Erfahrung gemacht - ob es die Netze der großen Energiekonzerne sind, ob es die Bahn ist, ob es die Post ist: Was ist denn besser geworden?
Deutschlandradio Kultur: Was ist schlechter geworden?
Bartsch: Es ist einiges schlechter geworden, ja, deutlich schlechter geworden, weil sie auf vielen Dörfern jetzt nur noch zweimal in der Woche die Post bekommen. Das ist so. Wie wird es denn besser? Durch Personalreduzierung? Das ist die Praxis. Ich will nicht wieder "Zumwinkel" sagen. Ich glaube, der hat mit der Post zu tun. Die Realität ist, dass die Serviceleistung begrenzt ist. Post-Bank, alles reduziert worden, Filialen werden noch weiter reduziert.
Niemand kann sagen, dass diese Privatisierung uns nun so erheblich vorangebracht hat. Und bei der Bahn prognostiziere ich Ihnen Ähnliches. Wir werden in Deutschland ziemlich zügig, es wird ein bisschen länger dauern als zum Beispiel in Neuseeland oder auch in anderen Ländern, auch die Debatte des Rückkaufs haben.
Deutschlandradio Kultur: Aber das ist doch der springende Punkt. Wenn Sie sagen, Sie hätten gern die Bahn weiter als Staatsunternehmen und alle, auch im Verkehrsausschuss, in Bund wie in den Ländern ärgern sich über diese Bahn, die sie nicht in den Griff bekommen. Sie streiten sich über die Netzpolitik, über die Infrastrukturpolitik. Ist es da nicht sinnvoll zu sagen: Wir wollen Netze und Fahrbetrieb trennen, vielleicht auch zwei Staatsgesellschaften machen, wie in Frankreich. Aber wo sind da die Konzepte der Linken, die mehr sagen als nur, wir sind gegen die Privatisierung?
Bartsch: Was ist denn "für Privatisierung"? Ist das ein Konzept?
Deutschlandradio Kultur: Es gibt mehr Wettbewerb.
Bartsch: Welchen Wettbewerb gibt es denn? Über die Trennung kann man reden, wenn das beides im Staatseigentum ist. Das ist überhaupt nicht mein Thema. Und wie die Bahn geführt wird, ist noch ein anderes Thema. Da will ich gar nicht drüber reden. Da könnte man über Herrn Mehdorn und seine Führungsqualitäten und die vielen Mitarbeiter reden, das will ich jetzt hier gar nicht tun. Aber es ist doch auch kein Konzept "Wir privatisieren", wenn man es vor allem damit begründet, wir brauchen frisches Geld für die Bahn. Das ist so absurd.
Deutschlandradio Kultur: Es gibt Wettbewerber. Die Kleinen müssen doch auch fahren dürfen.
Bartsch: Die fahren doch jetzt auch.
Deutschlandradio Kultur: Und Sie ärgern sich über die Trassenpreise der Bahn, des Monopolkonzerns, der die Bedingungen auf der Schiene setzt. Das könnte natürlich auch eine staatliche Netzagentur machen, während die anderen normale Konkurrenten sind.
Bartsch: Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass man auch andere Konkurrenten zulässt, aber die Bahn, die wir haben als Serviceunternehmen, die ist notwendig. Ich verweise noch mal auf die Erfahrung anderer Länder. Da kann man sehr, sehr viel studieren. Und niemand, wirklich niemand - es versucht ja auch keiner, nicht mal jemand von der CDU sagt, dass 24,9 Prozent sinnvoll sind. Auch in der SPD gibt es die Meinung - die einen sind völlig gegen Privatisierung, das sind nicht wenige - nur wegen des Kompromisses, und ein schwacher Parteivorsitzender schafft natürlich ganz schnell gute Kompromisse, weil ansonsten ist er weg, ist dieser Kompromiss durchgesetzt worden.
Weil null, das ist richtig, und alles andere, diese 24,9, sind absurd. Die gibt es nur und die werden Sie nur zu einem respektablen Preis überhaupt verkaufen, wenn Sie die Option für weitere Veräußerungen geben. Natürlich wird das die CDU und die FDP sowieso in ihr Wahlprogramm schreiben. Und wir werden dann eine andere Position einnehmen. Das ist ja auch in Ordnung, dass es da Gott sei Dank verschiedene Entwürfe gibt. Wir sagen: Öffentliche Güter in Deutschland, die Rückgewinnung des Öffentlichen ist ein zentraler Punkt, auch des Konzeptes der Linken, das Öffentliche, der Staat, der jetzt nicht heißt, da sitzen sieben Leute, die entscheiden. Aber wir müssen das Öffentliche wieder zurückholen, dass wir als Politikerinnen und Politiker überhaupt entscheiden können. Wir können das nur noch begrenzt.
Deutschlandradio Kultur: Was meinen Sie denn dann bei den Stromversorgern beispielsweise? Ist das auch das Öffentliche, das Sie zurückhaben wollen? Heißt das, Sie wollen E.ON zurückkaufen, rekommunalisieren?
Bartsch: Ich will, dass die Netze nicht im Eigentum dieser vier Großen sind. Wir haben, wie Sie ja selber sagen, an den Netzen sechs Milliarden verdient, ohne Grund. Warum ist das nicht in öffentlicher Hand? Im Übrigen sagt ja jetzt, ich weiß nicht genau, ob E.ON, jedenfalls einer der vier Großen: Ja, zurück an den Staat. Also, auch hier eine klare Position der Linken.
Deutschlandradio Kultur: Aber bei der Bahn nicht?
Bartsch: Da bin ich dafür, dass beim Strom auch Stadtwerke und Ähnliche eine gleiche Chance haben. Da geht es um Einspeisegesetze und viele, viele Details. Da bin ich dafür. Der Wettbewerb soll doch dazu führen, dass die Preise nach unten gehen für die Menschen. Das ist doch überhaupt nichts Schlechtes. Aber man muss selbstverständlich die Netze in öffentlicher Hand halten.
Also, hier kommt es auf ökonomische, ökologische, aber sehr wohl auch immer beschäftigungspolitische und soziale Kriterien an. Denn die Energieproblematik ist ein zweites zentrales Thema der Linken und wird aus außenpolitischen Gründen, aus finanzpolitischen Gründen und aus ökologischen Gründen, eine ganz zentrale Frage in den nächsten Jahrzehnten sein. Dieser Frage widmen wir uns im Übrigen sehr entschlossen, haben da nicht nur Konferenzen gemacht, sondern auch da einiges vorzulegen.
Deutschlandradio Kultur: Das werden Sie auf dem Parteitag in Cottbus sicher versuchen, noch mal herauszuarbeiten. Politik vermittelt sich natürlich auch immer über Personen, die ganz vorne die Partei führen. Bei der Linken sind es drei: Gysi, Bisky, Lafontaine. Das sind drei Herren, die 60 plus sind und möglicherweise findet demnächst ja auch der Generationswechsel statt. Bereiten Sie den schon vor?
Bartsch: Ich stimme Ihnen zu. Wir werden auf dem Parteitag die Erfolgsgeschichte darstellen: steigende Mitglieder, Wahlerfolge in den alten Ländern, Wahlerfolge bei Kommunalwahlen und Veränderung der Politik in Deutschland. Das sind die Signale, die Cottbus aussenden soll. In Cottbus treten Lothar Bisky und Oskar Lafontaine für den Parteivorsitz noch einmal an. Sie haben das beim Gründungsparteitag gesagt, dass sie für die ja auch im Verschmelzungsvertrag festgelegte Zeit zur Verfügung stehen. Das freut mich, weil sie auch die Erfolgsgaranten waren. Und in der Fraktion sind das Oskar Lafontaine und Gregor Gysi.
Wir haben viele Frauen, die auch jetzt schon eine wichtige Rolle spielen. Also, ich würde es nicht ganz so teilen, dass es nur die drei sind. Ob Petra Pau oder Katja Kipping oder Dagmar Enkelmann oder Gesine Lötzsch, da gibt es eine ganze Menge, in den Ländern sowieso. Also, hier wird es Veränderungen geben, auch einen Generationswechsel. Eines ist ganz sicher. In zehn Jahren werden die drei Herren nicht mehr an der Spitze stehen, vielleicht auch schon nicht mehr in neun, vielleicht auch in acht. Und dann geht die Sendung zu Ende, wenn ich jetzt weiter runtergehe.
Deutschlandradio Kultur: Oskar Lafontaine wird dieses Jahr 65. Sie sind ja so sehr für die Rente mit 65 oder vielleicht noch drunter. Also, für ihn gilt diese Regel auf keinen Fall?
Bartsch: Oskar Lafontaine ist doch derjenige, der uns mit der WASG zusammen den Erfolg im Westen gebracht hat. Ich würde es als einen riesengroßen Fehler ansehen, wenn er sich etwa jetzt zurückzieht. Ich bin sehr froh, dass er die Spitzenkandidatur im Saarland anstrebt, weil das wird - da bin ich ganz sicher - ein sensationelles Ergebnis und wird die alte Bundesrepublik ein bisschen durcheinanderbringen. Und ich freue mich auch, dass er Spitzenkandidat zu den Bundestagswahlen im Jahre 2009 wird. Das sind beides richtige Entscheidungen.
Aber es stimmt genauso, dass wir junge Frauen und auch Männer brauchen, die dann nach den dreien die Führung der Partei übernehmen können und weiter erfolgreich "Die Linke" stärken.
Deutschlandradio Kultur: Herr Bartsch, wir danken für das Gespräch.