Keine Standardkrimi-Kost
Der türkische Komissar Bezhat Ç. lässt seinen deutschen Kollegen Schimanski wie einen vorlauten Schuljungen dastehen. Er prügelt und rotzt sich durch seine Ermittlungen. Er sucht denjenigen, der eine Frau in Ankara lebendig begraben hat.
Eine heruntergekommene Kneipe in Ankara. Die Tür geht auf und eine durch und durch bizarre Gestalt betritt das Lokal: Der Mann hat eine gebrochene Nase, sein Hauskaninchen in der Manteltasche und Koteletten, die auf der einen Seite wesentlich kürzer rasiert sind als auf der anderen. Noch dazu kann er nicht mehr sprechen, raucht wie ein Schlot, säuft wie ein Loch. Nun handelt es sich bei diesem Mann nicht etwa um einen gesuchten Massenmörder - der Typ ist Bezhat Ç., Kommissar bei der Mordkommission.
Von der ersten Zeile an spürt man bei Emrah Serbes Kriminalroman "Verschütt gegangen", dass man es hier keinesfalls mit kriminalistischer Konfektionsware zu tun hat: Die Geschichte des türkischen Hauptkommissars stellt alles, was wir bislang über ungehobelte Bullen zu wissen glaubten, in den Schatten. Und im Vergleich mit Bezhat Ç. samt Kollegen wirkt sogar der deutsche Schimanski nur wie ein vorlauter Schuljunge. Es wird gerotzt und geprügelt, geschrien und geschossen - und das Gesetz ist den Polizisten in "Verschütt gegangen" herzlich egal.
Der Plot ist klassisch: Ein Mann, der sich Lucky Luke nennt, ruft bei der Mordkommission an und erklärt, er habe einen Hund lebendig begraben. Niemand geht der Sache nach. Ein Scherz, sagt man; es gibt Wichtigeres zu tun. Also ruft Lucky Luke nochmals an. Er verkündet: Diesmal habe ich einen Menschen beerdigt - und zwar ebenfalls lebendig. Der seit dem Tod seiner Tochter komplett verstummte Hauptkommissar Bezhat Ç. rückt mit seinen Kollegen an, gräbt im Untergrund von Ankara - und findet eine tote Frau. Lebendig begraben und erstickt. Und es beginnt eine Jagd nach dem Psychopathen quer durch die kalten, schmutzigen Viertel der türkischen Metropole.
Die Idee ist nicht umwerfend neu, die Hauptfigur zum rauchenden Säufer zu machen, der sich auf brutalste Art und Weise an den Verletzungen der eigenen Seele abarbeitet. Aber mit seinen Details, den komischen und unerwarteten Situationen und einem durch und durch originellen Personal hebt sich "Verschütt gegangen" deutlich von literarischer Standardkrimikost ab. Noch dazu spielt die Geschichte nicht im luftleeren Raum: Man merkt dem Autor Emrah Serbes deutlich an, dass ihm die Vergangenheit und die Gegenwart seines Heimatlandes ein Anliegen waren. So erzählt das Buch auch viel über Korruption, Vertuschung und hemmungslose Gewalt innerhalb des Polizeiapparats - beispielsweise, wenn die Hauptfigur während der Observation eines Verdächtigen dabei zusieht, wie eine politische Demonstration von einer Spezialeinheit der Polizei brutal niedergeknüppelt wird.
Aufgrund der Originalität der Vorlage verwundert es nicht, dass Bezhat Ç. in der Türkei vom Fernsehen entdeckt wurde: Dort sind die Fälle des ruppigen Kommissars mittlerweile eine der erfolgreichsten TV-Reihen überhaupt. Auch im deutschsprachigen Raum wünscht man sich für Bezhat Ç. einen derartigen Publikumserfolg.
Besprochen von Martin Becker
Emrah Serbes: "Bezhat Ç. - verschütt gegangen"
Aus dem Türkischen von Johannes Neuner
binooki Verlag, 319 Seiten, 15,90 Euro
Von der ersten Zeile an spürt man bei Emrah Serbes Kriminalroman "Verschütt gegangen", dass man es hier keinesfalls mit kriminalistischer Konfektionsware zu tun hat: Die Geschichte des türkischen Hauptkommissars stellt alles, was wir bislang über ungehobelte Bullen zu wissen glaubten, in den Schatten. Und im Vergleich mit Bezhat Ç. samt Kollegen wirkt sogar der deutsche Schimanski nur wie ein vorlauter Schuljunge. Es wird gerotzt und geprügelt, geschrien und geschossen - und das Gesetz ist den Polizisten in "Verschütt gegangen" herzlich egal.
Der Plot ist klassisch: Ein Mann, der sich Lucky Luke nennt, ruft bei der Mordkommission an und erklärt, er habe einen Hund lebendig begraben. Niemand geht der Sache nach. Ein Scherz, sagt man; es gibt Wichtigeres zu tun. Also ruft Lucky Luke nochmals an. Er verkündet: Diesmal habe ich einen Menschen beerdigt - und zwar ebenfalls lebendig. Der seit dem Tod seiner Tochter komplett verstummte Hauptkommissar Bezhat Ç. rückt mit seinen Kollegen an, gräbt im Untergrund von Ankara - und findet eine tote Frau. Lebendig begraben und erstickt. Und es beginnt eine Jagd nach dem Psychopathen quer durch die kalten, schmutzigen Viertel der türkischen Metropole.
Die Idee ist nicht umwerfend neu, die Hauptfigur zum rauchenden Säufer zu machen, der sich auf brutalste Art und Weise an den Verletzungen der eigenen Seele abarbeitet. Aber mit seinen Details, den komischen und unerwarteten Situationen und einem durch und durch originellen Personal hebt sich "Verschütt gegangen" deutlich von literarischer Standardkrimikost ab. Noch dazu spielt die Geschichte nicht im luftleeren Raum: Man merkt dem Autor Emrah Serbes deutlich an, dass ihm die Vergangenheit und die Gegenwart seines Heimatlandes ein Anliegen waren. So erzählt das Buch auch viel über Korruption, Vertuschung und hemmungslose Gewalt innerhalb des Polizeiapparats - beispielsweise, wenn die Hauptfigur während der Observation eines Verdächtigen dabei zusieht, wie eine politische Demonstration von einer Spezialeinheit der Polizei brutal niedergeknüppelt wird.
Aufgrund der Originalität der Vorlage verwundert es nicht, dass Bezhat Ç. in der Türkei vom Fernsehen entdeckt wurde: Dort sind die Fälle des ruppigen Kommissars mittlerweile eine der erfolgreichsten TV-Reihen überhaupt. Auch im deutschsprachigen Raum wünscht man sich für Bezhat Ç. einen derartigen Publikumserfolg.
Besprochen von Martin Becker
Emrah Serbes: "Bezhat Ç. - verschütt gegangen"
Aus dem Türkischen von Johannes Neuner
binooki Verlag, 319 Seiten, 15,90 Euro