"Keine Transparenz" bei Drittmitteln aus der Rüstungsindustrie
Zunehmend scheint Geld aus der Rüstungsindustrie in die Forschung an deutschen Universitäten zu fließen, sagt der Tübinger Politologe Thomas Nielebock. Er verlangt mehr Transparenz und schlägt eine Ethikkommission analog zur Medizinforschung vor.
Susanne Burg: Die Kritik wird lauter, die deutsche Hochschulforschung ist zunehmend verquickt mit der Rüstungsindustrie, so die Vorwürfe. Bundesweit finden sich daher seit einiger Zeit immer mehr Studenten zusammen, die dieser Entwicklung Einhalt gebieten wollen. 20 Gruppen gibt es mittlerweile, die eine Zivilklausel an Universitäten fordern. Bevor wir darüber sprechen, wie sinnvoll das ist, erklärt Susanne Nessler erst einmal genau, was das ist, eine Zivilklausel[/url].
Susanne Nessler: Mit einer Zivilklausel verpflichtet sich eine Hochschule, Forschung nur an zivilen Zwecken zu orientieren, eine Nutzung für militärische Einsätze ist ausgeschlossen. Diesen Grundsatz haben 13 Universitäten in Deutschland in ihren Statuten stehen. Die Universität Bremen war 1986 die erste deutsche Hochschule, die eine Zivilklausel beschloss.
Die Zivilklausel ist eine freiwillige Selbstverpflichtung, geregelt wird sie durch einen Passus in der Grundordnung der Hochschule. Der Senat der jeweiligen Universität kann dies mit einfacher Mehrheit beschließen.
Konkret bedeutet der Beschluss für die Wissenschaftler, sie dürfen keine Drittmittel von Rüstungsunternehmen oder dem Verteidigungsministerium annehmen. Aber die Grenze zwischen ziviler und militärischer Forschung ist nicht einfach zu ziehen. Wie das Gehirn Bildinformationen verarbeitet, um kollisionsfreie Bewegung im Raum zu realisieren, klingt harmlos. Doch Drohnen, die für militärische Einsätze genutzt werden, benötigen genau diese Forschungsergebnisse.
Zudem legen die Universitäten die Selbstverpflichtung durchaus unterschiedlich aus. An der Uni Konstanz zum Beispiel wird trotz Zivilklausel im Auftrag von EADS geforscht. Und an der TU Berlin liefen jahrelang militärische Forschungsprojekte - trotz Zivilklausel, denn niemand überprüfte hier ihre Einhaltung.
Burg: Susanne Nessler über die Zivilklausel an deutschen Hochschulen. In einem Studio in Tübingen begrüße ich jetzt Thomas Nielebock. Er ist dort an der Universität Tübingen Politikwissenschaftler. Guten Morgen, Herr Nielebock!
Thomas Nielebock: Guten Morgen!
Burg: Ja, an vielen Universitäten wird Forschung und Lehre mit Mitteln aus der Rüstungsindustrie oder von Luft- und Raumfahrtkonzernen mitfinanziert, auch das Bundesverteidigungsministerium stellt jährlich mehrere Millionen Euro für Forschungsprojekte an Hochschulen bereit. Findet an den Universitäten, wie häufig zu lesen, tatsächlich eine schleichende Militarisierung der Forschung statt?
Nielebock: Diese Frage ist so nicht zu beantworten mit Ja oder Nein, da wir überhaupt keine Untersuchungen oder Zusammenstellungen haben, was an Forschung, und zwar drittmittelfinanzierter Forschungen, von außen im Rüstungsbereich an den Universitäten stattfindet. Es gibt eben keine Transparenz, und das ist der entscheidende Punkt, wo wir als erstes ansetzen müssen, um vielleicht erst mal klar zu machen, was findet denn eigentlich statt. Impressionistisch scheint es doch mehr und mehr solche Forschungen an den Universitäten zu geben.
Susanne Nessler: Mit einer Zivilklausel verpflichtet sich eine Hochschule, Forschung nur an zivilen Zwecken zu orientieren, eine Nutzung für militärische Einsätze ist ausgeschlossen. Diesen Grundsatz haben 13 Universitäten in Deutschland in ihren Statuten stehen. Die Universität Bremen war 1986 die erste deutsche Hochschule, die eine Zivilklausel beschloss.
Die Zivilklausel ist eine freiwillige Selbstverpflichtung, geregelt wird sie durch einen Passus in der Grundordnung der Hochschule. Der Senat der jeweiligen Universität kann dies mit einfacher Mehrheit beschließen.
Konkret bedeutet der Beschluss für die Wissenschaftler, sie dürfen keine Drittmittel von Rüstungsunternehmen oder dem Verteidigungsministerium annehmen. Aber die Grenze zwischen ziviler und militärischer Forschung ist nicht einfach zu ziehen. Wie das Gehirn Bildinformationen verarbeitet, um kollisionsfreie Bewegung im Raum zu realisieren, klingt harmlos. Doch Drohnen, die für militärische Einsätze genutzt werden, benötigen genau diese Forschungsergebnisse.
Zudem legen die Universitäten die Selbstverpflichtung durchaus unterschiedlich aus. An der Uni Konstanz zum Beispiel wird trotz Zivilklausel im Auftrag von EADS geforscht. Und an der TU Berlin liefen jahrelang militärische Forschungsprojekte - trotz Zivilklausel, denn niemand überprüfte hier ihre Einhaltung.
Burg: Susanne Nessler über die Zivilklausel an deutschen Hochschulen. In einem Studio in Tübingen begrüße ich jetzt Thomas Nielebock. Er ist dort an der Universität Tübingen Politikwissenschaftler. Guten Morgen, Herr Nielebock!
Thomas Nielebock: Guten Morgen!
Burg: Ja, an vielen Universitäten wird Forschung und Lehre mit Mitteln aus der Rüstungsindustrie oder von Luft- und Raumfahrtkonzernen mitfinanziert, auch das Bundesverteidigungsministerium stellt jährlich mehrere Millionen Euro für Forschungsprojekte an Hochschulen bereit. Findet an den Universitäten, wie häufig zu lesen, tatsächlich eine schleichende Militarisierung der Forschung statt?
Nielebock: Diese Frage ist so nicht zu beantworten mit Ja oder Nein, da wir überhaupt keine Untersuchungen oder Zusammenstellungen haben, was an Forschung, und zwar drittmittelfinanzierter Forschungen, von außen im Rüstungsbereich an den Universitäten stattfindet. Es gibt eben keine Transparenz, und das ist der entscheidende Punkt, wo wir als erstes ansetzen müssen, um vielleicht erst mal klar zu machen, was findet denn eigentlich statt. Impressionistisch scheint es doch mehr und mehr solche Forschungen an den Universitäten zu geben.
"Transparenz herstellen: Was wird von wem finanziert und gefördert?"
Burg: Sie sagten eben, mehr Offenheit müsste geschaffen werden. Würden Zivilklauseln denn Offenheit bringen?
Nielebock: Ja, das hängt sehr von den verschiedenen Orten ab, wie diese Zivilklausel ausgestaltet wird. In Tübingen zum Beispiel wird es eine Forschungsdatenbank geben, aus der heraus ersichtlich sein wird, wer welche Drittmittelaufträge von wem finanziert übernehmen wird. Das ist für den Oktober angekündigt. Die Uni Münster hat aber vor Kurzem, also im Juli, eine Zivilklausel beschlossen, die eben diese Öffentlichkeit nicht herstellen wird, sondern dort wird die Erhebung innerhalb des Senates dann diskutiert werden, so wie das geplant ist. Von daher muss man wiederum von Ort zu Ort unterschiedlich die Sache ansehen.
Burg: Eben war ja auch in dem kleinen Stück die Rede davon, dass das Problem ist, dass es zwar Zivilklauseln gibt, aber niemand darauf guckt, dass sie auch eingehalten werden. Was bringen sie dann?
Nielebock: Die Universität Tübingen – um wieder bei diesem Beispiel vielleicht zunächst zu bleiben – hat ja schon seit 2010 eine Zivilklausel, aber das Verfahren oder ein Verfahren oder verschiedene Verfahren, wie das dann durchgeführt werden soll, dass diese tatsächlich dann auch zum Tragen kommt, da drüber sind wir an der Universität Tübingen eigentlich noch keinen Schritt weiter. Das gilt für andere Universitäten natürlich in ähnlicher Weise.
Im Vorbeitrag haben wir ja gehört von der TU Berlin, die eine Zivilklausel hat, und es wird nicht kontrolliert. Von daher braucht es natürlich eine institutionelle Absicherung, die reine Absichtserklärung ist schön und gut, aber sie wird natürlich wirkungslos verpuffen. Ein erster Schritt ist Transparenz herstellen: Was wird überhaupt von wem finanziert und gefördert?
Burg:Es gibt ja auch die Vorschläge, statt einer Zivilklausel eine Ethikkommission einzurichten, also Professoren, Studenten, der Mittelbau, die entscheiden dann jeweils über ganz konkrete Forschungsprojekte – ist das vielleicht nicht ein viel sinnvollerer Weg?
Nielebock: Das wäre natürlich ein Instrument, um so eine Zivilklausel wirklich zum Tragen zu bringen, wir kennen das ja aus der Medizin, die solche Ethikkommissionen hat, da wir ja in der Medizin ganz unbestritten Forschungen haben, die ethisch bedenklich sein könnten. Und bevor dann Forschungen stattfinden, werden sie dort quasi vorgelegt und diskutiert. Warum sollte so etwas für den Technikbereich, für den sozialwissenschaftlichen, für den geisteswissenschaftlichen Bereich nicht auch möglich sein, zumindest als eine Kommission, in der Fragen der Verwendung und der Zielsetzung der Forschung kritisch diskutiert werden?
Also ich zögere ein Stück weit zu sagen, diese Kommission hat dann wirklich eine Verbotsfunktion oder eine Sanktionsmacht, da was zu verbieten. An der Universität leben wir ja davon, dass wir im Diskurs versuchen, Fragen zu klären und zu überzeugen, und nicht durch Ver- oder Gebote da zu arbeiten. Und aus diesem Grunde denke ich, dass so eine Ethikkommission ein sehr sinnvolles Instrument wäre, um so eine Diskussion in Gang zu bringen.
Nielebock: Ja, das hängt sehr von den verschiedenen Orten ab, wie diese Zivilklausel ausgestaltet wird. In Tübingen zum Beispiel wird es eine Forschungsdatenbank geben, aus der heraus ersichtlich sein wird, wer welche Drittmittelaufträge von wem finanziert übernehmen wird. Das ist für den Oktober angekündigt. Die Uni Münster hat aber vor Kurzem, also im Juli, eine Zivilklausel beschlossen, die eben diese Öffentlichkeit nicht herstellen wird, sondern dort wird die Erhebung innerhalb des Senates dann diskutiert werden, so wie das geplant ist. Von daher muss man wiederum von Ort zu Ort unterschiedlich die Sache ansehen.
Burg: Eben war ja auch in dem kleinen Stück die Rede davon, dass das Problem ist, dass es zwar Zivilklauseln gibt, aber niemand darauf guckt, dass sie auch eingehalten werden. Was bringen sie dann?
Nielebock: Die Universität Tübingen – um wieder bei diesem Beispiel vielleicht zunächst zu bleiben – hat ja schon seit 2010 eine Zivilklausel, aber das Verfahren oder ein Verfahren oder verschiedene Verfahren, wie das dann durchgeführt werden soll, dass diese tatsächlich dann auch zum Tragen kommt, da drüber sind wir an der Universität Tübingen eigentlich noch keinen Schritt weiter. Das gilt für andere Universitäten natürlich in ähnlicher Weise.
Im Vorbeitrag haben wir ja gehört von der TU Berlin, die eine Zivilklausel hat, und es wird nicht kontrolliert. Von daher braucht es natürlich eine institutionelle Absicherung, die reine Absichtserklärung ist schön und gut, aber sie wird natürlich wirkungslos verpuffen. Ein erster Schritt ist Transparenz herstellen: Was wird überhaupt von wem finanziert und gefördert?
Burg:Es gibt ja auch die Vorschläge, statt einer Zivilklausel eine Ethikkommission einzurichten, also Professoren, Studenten, der Mittelbau, die entscheiden dann jeweils über ganz konkrete Forschungsprojekte – ist das vielleicht nicht ein viel sinnvollerer Weg?
Nielebock: Das wäre natürlich ein Instrument, um so eine Zivilklausel wirklich zum Tragen zu bringen, wir kennen das ja aus der Medizin, die solche Ethikkommissionen hat, da wir ja in der Medizin ganz unbestritten Forschungen haben, die ethisch bedenklich sein könnten. Und bevor dann Forschungen stattfinden, werden sie dort quasi vorgelegt und diskutiert. Warum sollte so etwas für den Technikbereich, für den sozialwissenschaftlichen, für den geisteswissenschaftlichen Bereich nicht auch möglich sein, zumindest als eine Kommission, in der Fragen der Verwendung und der Zielsetzung der Forschung kritisch diskutiert werden?
Also ich zögere ein Stück weit zu sagen, diese Kommission hat dann wirklich eine Verbotsfunktion oder eine Sanktionsmacht, da was zu verbieten. An der Universität leben wir ja davon, dass wir im Diskurs versuchen, Fragen zu klären und zu überzeugen, und nicht durch Ver- oder Gebote da zu arbeiten. Und aus diesem Grunde denke ich, dass so eine Ethikkommission ein sehr sinnvolles Instrument wäre, um so eine Diskussion in Gang zu bringen.
"Wenn entsprechende Geldgeber tätig werden, könnte ein Alarmlämpchen leuchten"
Burg: Sie sagten eben, es muss darüber diskutiert werden, und die Trennung ist ja nicht immer ganz eindeutig zwischen zivil und militärisch. Forscht jemand zum Beispiel zu neuer optischer Sensortechnologie, wie kann die Person jetzt verhindern, dass die Forschung nicht für Drohnentechnik, also für militärische Zwecke eingesetzt wird? Wie schwierig ist das, das zu entscheiden?
Nielebock: Ja, diese Entscheidung ist in der Tat schwierig, da muss man nun, denke ich, unterscheiden. Einmal würde man fragen können: Wer hat diese Forschung eigentlich mit welcher Intention in Auftrag gegeben und wer führt sie durch? Wenn da entsprechende Geldgeber, sagen wir, die Rüstungsindustrie oder die Bundeswehr tätig werden, dann müsste man sehr genau hinschauen, für was das eigentlich sein soll. Und dann könnte zumindest ein Alarmlämpchen leuchten und man könnte sich fragen, ist das wirklich für zivile Zwecke gedacht.
Der andere Punkt ist, wenn wir natürlich in diesem Technikbereich sind und es werden da Produkte – auch in der Grundlagenforschung –, es werden Ergebnisse erzielt, was dann aus diesen Ergebnissen wird. Das ist eine andere wichtige Frage. Und da, denke ich, das lässt sich natürlich bei Grundlagenforschung gar nicht entscheiden, da draus ergibt sich das ja. Aber die Fächer wären doch dann immerhin in der Pflicht, nachzuverfolgen, was wird eigentlich aus unseren Produkten, und wie werden sie verwendet, und dieses kritisch in die Wissenschaft zurück zu reflektieren. Das wäre ja das mindeste, was man erwarten könnte. Aber das müsste fächerweise geschehen. Da müssten die Fächer als Ganzes Verantwortung für die in ihnen erzielten Ergebnisse übernehmen können.
Burg: Kritisch in die Wissenschaft zurück reflektieren, was könnte das bedeuten?
Nielebock: Das bedeutet, dass wir im Lehrbetrieb die Frage von Ethik in den Wissenschaften noch mal ganz anders gewichten müssten, insofern, als man tatsächlich aus der Vergangenheit, aus Fällen in der Vergangenheit den Studierenden und Nachwuchswissenschaftlern deutlich macht, was mit diesen Ergebnissen passieren kann. Also dass sie selber anfangen, drüber nachzudenken, was machen wir eigentlich, und warum machen wir es eigentlich. Ich sehe diese ganze Diskussion um die Zivilklausel in einem größeren Rahmen. Sie ordnet sich ja eigentlich ein in die Frage, wozu und zu welchem Ende man ein bestimmtes Fach studiert oder dann auch lehrt, und warum man in diesem Fach forscht. Also es ist eine Frage der gesellschaftlichen Verantwortung, der Wissenschaft, die da dahinter steckt.
Nielebock: Ja, diese Entscheidung ist in der Tat schwierig, da muss man nun, denke ich, unterscheiden. Einmal würde man fragen können: Wer hat diese Forschung eigentlich mit welcher Intention in Auftrag gegeben und wer führt sie durch? Wenn da entsprechende Geldgeber, sagen wir, die Rüstungsindustrie oder die Bundeswehr tätig werden, dann müsste man sehr genau hinschauen, für was das eigentlich sein soll. Und dann könnte zumindest ein Alarmlämpchen leuchten und man könnte sich fragen, ist das wirklich für zivile Zwecke gedacht.
Der andere Punkt ist, wenn wir natürlich in diesem Technikbereich sind und es werden da Produkte – auch in der Grundlagenforschung –, es werden Ergebnisse erzielt, was dann aus diesen Ergebnissen wird. Das ist eine andere wichtige Frage. Und da, denke ich, das lässt sich natürlich bei Grundlagenforschung gar nicht entscheiden, da draus ergibt sich das ja. Aber die Fächer wären doch dann immerhin in der Pflicht, nachzuverfolgen, was wird eigentlich aus unseren Produkten, und wie werden sie verwendet, und dieses kritisch in die Wissenschaft zurück zu reflektieren. Das wäre ja das mindeste, was man erwarten könnte. Aber das müsste fächerweise geschehen. Da müssten die Fächer als Ganzes Verantwortung für die in ihnen erzielten Ergebnisse übernehmen können.
Burg: Kritisch in die Wissenschaft zurück reflektieren, was könnte das bedeuten?
Nielebock: Das bedeutet, dass wir im Lehrbetrieb die Frage von Ethik in den Wissenschaften noch mal ganz anders gewichten müssten, insofern, als man tatsächlich aus der Vergangenheit, aus Fällen in der Vergangenheit den Studierenden und Nachwuchswissenschaftlern deutlich macht, was mit diesen Ergebnissen passieren kann. Also dass sie selber anfangen, drüber nachzudenken, was machen wir eigentlich, und warum machen wir es eigentlich. Ich sehe diese ganze Diskussion um die Zivilklausel in einem größeren Rahmen. Sie ordnet sich ja eigentlich ein in die Frage, wozu und zu welchem Ende man ein bestimmtes Fach studiert oder dann auch lehrt, und warum man in diesem Fach forscht. Also es ist eine Frage der gesellschaftlichen Verantwortung, der Wissenschaft, die da dahinter steckt.
"Zivilklauseln können nicht verhindern, dass Rüstungsforschung stattfindet"
Burg: Wie stark ist die Militarisierung der Forschung an deutschen Universitäten, und was kann eine Zivilklausel da bewirken – das ist unser Thema hier im Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit dem Politikwissenschaftler Thomas Nielebock. Er hat das erste Buch zum Thema Zivilklausel geschrieben. Einige Unis haben sich bewusst gegen eine Zivilklausel entschieden mit dem Hinweis auf die Freiheit von Forschung und Lehre. Sie sagen, selbst wenn sie Geld von der EADS-Tochter Eurocopter bekommen, wie an der TU München, und Hubschraubertechnologie entwickeln, sie lassen sich nicht von der Rüstungsindustrie sagen, was sie zu forschen haben, aber auch nicht von den Gegnern. Ist es nicht legitim? Das Grundgesetz, der Artikel fünf, garantiert die Freiheit von Forschung und Lehre, Zivilklauseln schränken diese ein, sagen die Wissenschaftler.
Nielebock: Das ist richtig, dass es Artikel fünf des Grundgesetzes Freiheit von Forschung und Lehre garantiert, das Grundgesetz hat aber noch andere gesellschaftliche Werte, zum Beispiel gibt es doch an sehr prominenter Stelle – schon in der Präambel – ein Friedensgebot, wenn wir das mal jetzt dagegen stellen wollen. Also, was haben wir für ein Problem? Wir haben das Problem, dass wir unterschiedliche Wertausrichtungen, die im Grundgesetz drinstecken, nennen wir vielleicht auch Artikel eins, die Würde des Menschen ist unantastbar. Ich würde sagen, es gibt einen Wertekanon innerhalb des Grundgesetzes, diese Werte können in Konflikt geraten miteinander, darüber muss man dann debattieren. Aber wenn eine Universität als Korporation sich eine Zivilklausel gibt, dann signalisiert sie damit nach außen, dass sie das Friedensgebot ernst nimmt, und es würde dann auch deutlich werden, dass diese Korporation ein bestimmtes Programm eben nicht haben möchte.
Burg: Nun haben wir gar nicht über den wirtschaftlichen Aspekt gesprochen. Drittmittel, das muss man ja auch sagen, sind eine wichtige Einnahmequelle für Unis. Deutschland ist drittgrößter Exporteur von Rüstungsgütern. Was können Zivilklauseln denn dann gegen diesen ökonomischen Sog bewirken?
Nielebock: Na ja, die Zivilklauseln, wenn wir es analysieren wollen, was sie bewirken können, dann können sie natürlich nicht verhindern, dass Rüstungsforschung stattfindet. Die wird dann, wenn sie denn schon an den Universitäten stattfinden würde - aber so groß ist ja der Umfang gar nicht - würden dann an diese Forschungsinstitute gehen, die wir außerhalb der Universität haben, denken wir an die Fraunhofer-Institute, zum Beispiel. Da ist ja auch die Rüstungsforschung im Wesentlichen angesiedelt.
Die Wirkung, die solche Zivilklauseln haben, ist natürlich eine bildnerische oder erzieherische, sage ich mal, indem wir eine Diskussion beginnen darüber, zu was und zu welchen Zwecken und auf welches Ende hin wir tatsächlich ganz bestimmte Wissenschaftsunternehmungen betreiben. Das fängt natürlich an dem Punkt an, der am meisten provoziert, nämlich an der Produktion von Tötungsmitteln. Von daher ist die Zivilklausel für mich ein Einstieg in eine Diskussion oder das Wiederaufgreifen einer Diskussion, wie wollen wir eigentlich leben.
Burg: Sagt Thomas Nielebock, Politikwissenschaftler an der Universität Tübingen und Mitherausgeber des Buches "Zivilklauseln für Forschung, Lehre und Studium", im vergangenen Jahr bei Nomos erschienen. Herr Nielebock, danke fürs Gespräch!
Nielebock: Ja, bitte schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Nielebock: Das ist richtig, dass es Artikel fünf des Grundgesetzes Freiheit von Forschung und Lehre garantiert, das Grundgesetz hat aber noch andere gesellschaftliche Werte, zum Beispiel gibt es doch an sehr prominenter Stelle – schon in der Präambel – ein Friedensgebot, wenn wir das mal jetzt dagegen stellen wollen. Also, was haben wir für ein Problem? Wir haben das Problem, dass wir unterschiedliche Wertausrichtungen, die im Grundgesetz drinstecken, nennen wir vielleicht auch Artikel eins, die Würde des Menschen ist unantastbar. Ich würde sagen, es gibt einen Wertekanon innerhalb des Grundgesetzes, diese Werte können in Konflikt geraten miteinander, darüber muss man dann debattieren. Aber wenn eine Universität als Korporation sich eine Zivilklausel gibt, dann signalisiert sie damit nach außen, dass sie das Friedensgebot ernst nimmt, und es würde dann auch deutlich werden, dass diese Korporation ein bestimmtes Programm eben nicht haben möchte.
Burg: Nun haben wir gar nicht über den wirtschaftlichen Aspekt gesprochen. Drittmittel, das muss man ja auch sagen, sind eine wichtige Einnahmequelle für Unis. Deutschland ist drittgrößter Exporteur von Rüstungsgütern. Was können Zivilklauseln denn dann gegen diesen ökonomischen Sog bewirken?
Nielebock: Na ja, die Zivilklauseln, wenn wir es analysieren wollen, was sie bewirken können, dann können sie natürlich nicht verhindern, dass Rüstungsforschung stattfindet. Die wird dann, wenn sie denn schon an den Universitäten stattfinden würde - aber so groß ist ja der Umfang gar nicht - würden dann an diese Forschungsinstitute gehen, die wir außerhalb der Universität haben, denken wir an die Fraunhofer-Institute, zum Beispiel. Da ist ja auch die Rüstungsforschung im Wesentlichen angesiedelt.
Die Wirkung, die solche Zivilklauseln haben, ist natürlich eine bildnerische oder erzieherische, sage ich mal, indem wir eine Diskussion beginnen darüber, zu was und zu welchen Zwecken und auf welches Ende hin wir tatsächlich ganz bestimmte Wissenschaftsunternehmungen betreiben. Das fängt natürlich an dem Punkt an, der am meisten provoziert, nämlich an der Produktion von Tötungsmitteln. Von daher ist die Zivilklausel für mich ein Einstieg in eine Diskussion oder das Wiederaufgreifen einer Diskussion, wie wollen wir eigentlich leben.
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