"Keine Waffengleichheit im deutschen Steuer-Dschungel"
Eine effektive Bekämpfung von Steuerhinterziehung und mehr Personal für die Finanzverwaltung – das fordert Thomas Eigenthaler, Vorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft. Außerdem müssten die Steuersätze gesenkt werden. Alle Abzugsmöglichkeiten und Privilegien im Steuerrecht gehörten auf den Prüfstand.
Deutschlandradio Kultur: Geheime Geschäfte in Steuer-Oasen - 130.000 Anleger stehen am Pranger – aus 170 Ländern. Diesen Datensatz haben Medien weltweit am Donnerstag enthüllt. Wir wollen heute nicht nach Übersee blicken – sondern auf die Waffengleichheit im deutschen Steuersystem. Wie sieht hier der ganz legale Kampf durch unseren Steuer-Dschungel aus.
Auch ohne Briefkasten-Firma sitzen gerade Millionen Menschen über Anlage "N" oder "S" - denn sie müssen bis zum 31. Mai ihre Einkommen-Steuererklärung machen. Oder machen lassen. Denn allein schaffen das nur die Wenigsten. Warum eigentlich? Warum müssen Steuern so kompliziert sein, dass es für die Beratung extra einen eigenen Berufsstand braucht?
Das fragen sich auch viele Hörer.
"Steuererklärung ist ja schon ein Witz an sich. Der Staat zieht von mir Steuern ein und verlangt dann von mir, ihm das zu erklären. Und weil das unmöglich ist, gibt es Steuerberater. Die bezahle ich auch. Und hinterher kann ich mir immer noch nichts erklären."
"Ich finde es pervers und undemokratisch, uns staatsbürgerliche Pflichten aufzuerlegen, denen wir ohne teuren Rat von Experten nicht richtig nachkommen können. Ich fühle mich da nicht als mündiger Bürger."
"Ich würde gerne verstehen, verstehe aber nichts und bin daher ganz und gar in der Hand eines Steuerberaters, dem ich vertrauen kann oder auch nicht, und der für mich als Selbständige sehr teuer ist. – Eine sehr unbefriedigende Situation."
"Ein Kleinrentner, so wie ich, mit 750 Euro muss jedes Jahr eine Steuererklärung machen. Und das finde ich nicht gut, weil, das kostet mich – jedes Mal 172 Euro für meinen Steuerberater. Und was krieg ich zurück? So gut wie gar nichts. Das ist doch eine Schweinerei."
Stimmen unserer Hörer, die uns kontaktiert haben - über Facebook oder das Telefon. Bei uns im Studio ist nun Thomas Eigenthaler. Der hat gerade schon etwas geschmunzelt. Sie sind Vorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft und vertreten in dieser Funktion etwa 70.000 Menschen, die in der deutschen Finanzverwaltung arbeiten, also, zum Beispiel beim Finanzamt oder als Steuerfahnder. Schönen guten Tag.
Thomas Eigenthaler: Guten Tag, hallo.
Auch ohne Briefkasten-Firma sitzen gerade Millionen Menschen über Anlage "N" oder "S" - denn sie müssen bis zum 31. Mai ihre Einkommen-Steuererklärung machen. Oder machen lassen. Denn allein schaffen das nur die Wenigsten. Warum eigentlich? Warum müssen Steuern so kompliziert sein, dass es für die Beratung extra einen eigenen Berufsstand braucht?
Das fragen sich auch viele Hörer.
"Steuererklärung ist ja schon ein Witz an sich. Der Staat zieht von mir Steuern ein und verlangt dann von mir, ihm das zu erklären. Und weil das unmöglich ist, gibt es Steuerberater. Die bezahle ich auch. Und hinterher kann ich mir immer noch nichts erklären."
"Ich finde es pervers und undemokratisch, uns staatsbürgerliche Pflichten aufzuerlegen, denen wir ohne teuren Rat von Experten nicht richtig nachkommen können. Ich fühle mich da nicht als mündiger Bürger."
"Ich würde gerne verstehen, verstehe aber nichts und bin daher ganz und gar in der Hand eines Steuerberaters, dem ich vertrauen kann oder auch nicht, und der für mich als Selbständige sehr teuer ist. – Eine sehr unbefriedigende Situation."
"Ein Kleinrentner, so wie ich, mit 750 Euro muss jedes Jahr eine Steuererklärung machen. Und das finde ich nicht gut, weil, das kostet mich – jedes Mal 172 Euro für meinen Steuerberater. Und was krieg ich zurück? So gut wie gar nichts. Das ist doch eine Schweinerei."
Stimmen unserer Hörer, die uns kontaktiert haben - über Facebook oder das Telefon. Bei uns im Studio ist nun Thomas Eigenthaler. Der hat gerade schon etwas geschmunzelt. Sie sind Vorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft und vertreten in dieser Funktion etwa 70.000 Menschen, die in der deutschen Finanzverwaltung arbeiten, also, zum Beispiel beim Finanzamt oder als Steuerfahnder. Schönen guten Tag.
Thomas Eigenthaler: Guten Tag, hallo.
Nur noch Minuten für eine einzelne Steuererklärung
Deutschlandradio Kultur: Sie schreiben auf Ihrer Verbandshomepage, dass man unser Steuerrecht gut mit dem Wort "Steuerchaos" beschreiben kann. Wir wollen das jetzt mal aufdröseln und beginnen mit der einfachen Steuererklärung. Wenn die in den Finanzämtern landet, wie viel Zeit hat dann ein Mitarbeiter, die zu überprüfen?
Thomas Eigenthaler: Heutzutage ganz, ganz wenige Minuten. Die Finanzämter sind in ihrem Personalbestand erheblich dezimiert worden. Die Politik hat auch vor, uns weniger Stellen zu geben. Und dann bleiben nur noch Minuten für eine einzelne Steuererklärung übrig.
Deutschlandradio Kultur: Wenige Minuten im Regelfall, das könnte ja ausreichen für einen normalen Arbeitnehmer. Machen wir es etwas komplizierter und schließen an die Diskussionen, die Managergehälter. So ein Bahnchef Gruber mit einem Jahresgehalt von 2,7 Millionen Euro oder Postchef Appel mit 3,5 Millionen Euro – ist deren Steuererklärung auch in ein paar Minuten überprüfbar?
Thomas Eigenthaler: Nein. Dort braucht man erheblich mehr Zeit, aber die haben wir in den Finanzämtern überhaupt nicht. Die Fachleute sprechen da von "Einkunftsmillionären". Da gibt es erhebliche Defizite im Steuervollzug.
Deutschlandradio Kultur: Wie kommt dann deren Steuererklärung zustande?
Thomas Eigenthaler: Diese Personengruppe hat oft vielfältige Einkunftsarten, Beteiligungen, Nebeneinkünfte, Vermietungsobjekte. Ohne Steuerberater können sich diese Leute in ihrem Steuerdschungel nicht zurechtfinden. Aber sie profitieren natürlich auch von den Lücken und von den Privilegien, die das Steuerrecht bereithält.
Deutschlandradio Kultur: Auf die wollen wir noch näher eingehen. Bleiben wir aber zunächst bei den Top-Verdienern. Die haben viele Steuerberater, oft mehrere. Und das ist mittlerweile ein großes Geschäft geworden. Es gibt inzwischen gut 90.000 Steuerberater und Steuerberatungsgesellschaften in Deutschland. Das ist ein Zuwachs gegenüber dem Jahr 2000 um 33 Prozent. Warum gibt es hier so viel Bedarf?
Thomas Eigenthaler: Im Grunde ist es grotesk. Die Steuerberater haben wahnsinnige Zuwachsraten und die Belegschaft im Finanzamt wird weiter dezimiert. Dort herrscht keine Waffengleichheit mehr. Die Berater verdienen natürlich an diesen Steuererklärungen gut. Je komplizierter die Steuererklärung ist, je höher das Einkommensvolumen ist, umso höher wird die Honorarrechnung.
Thomas Eigenthaler: Heutzutage ganz, ganz wenige Minuten. Die Finanzämter sind in ihrem Personalbestand erheblich dezimiert worden. Die Politik hat auch vor, uns weniger Stellen zu geben. Und dann bleiben nur noch Minuten für eine einzelne Steuererklärung übrig.
Deutschlandradio Kultur: Wenige Minuten im Regelfall, das könnte ja ausreichen für einen normalen Arbeitnehmer. Machen wir es etwas komplizierter und schließen an die Diskussionen, die Managergehälter. So ein Bahnchef Gruber mit einem Jahresgehalt von 2,7 Millionen Euro oder Postchef Appel mit 3,5 Millionen Euro – ist deren Steuererklärung auch in ein paar Minuten überprüfbar?
Thomas Eigenthaler: Nein. Dort braucht man erheblich mehr Zeit, aber die haben wir in den Finanzämtern überhaupt nicht. Die Fachleute sprechen da von "Einkunftsmillionären". Da gibt es erhebliche Defizite im Steuervollzug.
Deutschlandradio Kultur: Wie kommt dann deren Steuererklärung zustande?
Thomas Eigenthaler: Diese Personengruppe hat oft vielfältige Einkunftsarten, Beteiligungen, Nebeneinkünfte, Vermietungsobjekte. Ohne Steuerberater können sich diese Leute in ihrem Steuerdschungel nicht zurechtfinden. Aber sie profitieren natürlich auch von den Lücken und von den Privilegien, die das Steuerrecht bereithält.
Deutschlandradio Kultur: Auf die wollen wir noch näher eingehen. Bleiben wir aber zunächst bei den Top-Verdienern. Die haben viele Steuerberater, oft mehrere. Und das ist mittlerweile ein großes Geschäft geworden. Es gibt inzwischen gut 90.000 Steuerberater und Steuerberatungsgesellschaften in Deutschland. Das ist ein Zuwachs gegenüber dem Jahr 2000 um 33 Prozent. Warum gibt es hier so viel Bedarf?
Thomas Eigenthaler: Im Grunde ist es grotesk. Die Steuerberater haben wahnsinnige Zuwachsraten und die Belegschaft im Finanzamt wird weiter dezimiert. Dort herrscht keine Waffengleichheit mehr. Die Berater verdienen natürlich an diesen Steuererklärungen gut. Je komplizierter die Steuererklärung ist, je höher das Einkommensvolumen ist, umso höher wird die Honorarrechnung.
Dem Staat ist es nichts mehr wert, ordentlich Steuern reinzuholen
Deutschlandradio Kultur: Ein Grund ist auch, es gibt immer mehr Selbständige in den freien Berufen in Deutschland. Deren Anzahl hat sich in den vergangenen 15 Jahren verdoppelt auf 1,2 Millionen Menschen. Sie sagen, die Finanzämter haben nicht entsprechend mit aufgerüstet. Warum nicht?
Thomas Eigenthaler: Nun, die Finanzämter haben abgerüstet, während andere im Steuerdschungel aufrüsten. Warum? Die Politik stellt immer weniger Stellen bereit. Offenbar ist es dem Staat nichts mehr wert, ordentlich Steuern reinzuholen. Ich verstehe das nicht. Alle Länder und der Bund sind unterfinanziert, nehmen immer noch Neuschulden auf – im Grunde ein Skandal.
Deutschlandradio Kultur: Wir haben die Chefs von großen Unternehmen angesprochen. Gibt es dann für deren Bearbeitung, für deren Steuererklärung extra Abteilungen wenigstens bei den Finanzämtern, die sehr spezialisiert sind?
Thomas Eigenthaler: Für Unternehmen, für große Unternehmen halten die Finanzämter besonders erfahrene Leute parat, Leute, die schon viele Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte im Steuergeschäft sind. Das ist sinnvoll. Es ist etwa wie in einer Facharztpraxis in der Medizin.
Deutschlandradio Kultur: Und bei Einzelpersonen?
Thomas Eigenthaler: Nun, da haben wir es natürlich mit der Situation zu tun, dass wir allzu oft Berufsanfänger haben, die erstmal üben müssen, die sich erstmal reinfinden müssen. Denen gibt man die leichteren Steuerfälle.
Deutschlandradio Kultur: Das heißt, ein Bahnchef Grube kann damit rechnen, dass seine Steuererklärung schon ein versierterer Steuerprüfer in Augenschein nimmt?
Thomas Eigenthaler: So sollte es natürlich sein, eine Garantie kann man heute nicht abgeben. Es ist oftmals ein Wildwuchs. Viele Finanzämter haben auch schon Personalprobleme. In anderen Finanzämtern sind nur junge Leute beschäftigt. Einen richtigen Weg kann man heute nicht mehr aufzeigen.
Deutschlandradio Kultur: Ziehen wir schon mal ein kleines Zwischenfazit: Thomas Eigenthaler, Vorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft, Sie vertreten die Menschen in den Finanzverwaltungen. Immer weniger Mitarbeiter gibt es dort. Die Zahl der Steuerberater steigt. Welche Folgen hat das für die Gerechtigkeit in unserem Steuersystem?
Thomas Eigenthaler: Steuern zahlt keiner gerne. Deshalb müssen wir immer davon ausgehen, dass eine Steuererklärung oftmals nicht das enthält, was sie enthalten sollte. Das muss personell überprüft werden. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser ist meine Devise. Dazu braucht man Personal.
Deutschlandradio Kultur: Nun herrscht bei den Steuerzahlern Waffengleichheit, ja oder nein, wenn man eben verschiedene Konzernchefs sieht und die dann vergleicht mit zum Beispiel einem selbständigen Krankenpfleger? Was würden Sie da sagen?
Thomas Eigenthaler: Der selbständige Krankenpfleger ist eher ein kleines Unternehmen. Das ist steuerlich nicht so schwierig. Da kann man auch mal etwas reduzierter prüfen. Da ist es noch vertretbar. Aber wir müssen an die großen Firmen denken, an die Firmen, die international agieren, die Gewinne über die Grenze verschieben und hier in Deutschland vielleicht kaum Steuern zahlen. Das ist in höchstem Maße ungerecht. Hier müsste die Politik schon längst eingreifen.
Deutschlandradio Kultur: Welchen Effekt hat das Ihrer Meinung nach auf den Zusammenhalt in der Gesellschaft?
Thomas Eigenthaler: Wenn man als kleiner Steuerzahler das Gefühl hat, selbst geprüft zu werden, jedes Jahr eine Steuererklärung abgeben zu müssen und die Großen schlagen sich in die Büsche, gehen über die Grenze, gehen vielleicht in Briefkastengesellschaften rein, in Steueroasen, dann zerstört dieses die Steuermoral. Das tut einem demokratischen Staat nicht gut.
Thomas Eigenthaler: Nun, die Finanzämter haben abgerüstet, während andere im Steuerdschungel aufrüsten. Warum? Die Politik stellt immer weniger Stellen bereit. Offenbar ist es dem Staat nichts mehr wert, ordentlich Steuern reinzuholen. Ich verstehe das nicht. Alle Länder und der Bund sind unterfinanziert, nehmen immer noch Neuschulden auf – im Grunde ein Skandal.
Deutschlandradio Kultur: Wir haben die Chefs von großen Unternehmen angesprochen. Gibt es dann für deren Bearbeitung, für deren Steuererklärung extra Abteilungen wenigstens bei den Finanzämtern, die sehr spezialisiert sind?
Thomas Eigenthaler: Für Unternehmen, für große Unternehmen halten die Finanzämter besonders erfahrene Leute parat, Leute, die schon viele Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte im Steuergeschäft sind. Das ist sinnvoll. Es ist etwa wie in einer Facharztpraxis in der Medizin.
Deutschlandradio Kultur: Und bei Einzelpersonen?
Thomas Eigenthaler: Nun, da haben wir es natürlich mit der Situation zu tun, dass wir allzu oft Berufsanfänger haben, die erstmal üben müssen, die sich erstmal reinfinden müssen. Denen gibt man die leichteren Steuerfälle.
Deutschlandradio Kultur: Das heißt, ein Bahnchef Grube kann damit rechnen, dass seine Steuererklärung schon ein versierterer Steuerprüfer in Augenschein nimmt?
Thomas Eigenthaler: So sollte es natürlich sein, eine Garantie kann man heute nicht abgeben. Es ist oftmals ein Wildwuchs. Viele Finanzämter haben auch schon Personalprobleme. In anderen Finanzämtern sind nur junge Leute beschäftigt. Einen richtigen Weg kann man heute nicht mehr aufzeigen.
Deutschlandradio Kultur: Ziehen wir schon mal ein kleines Zwischenfazit: Thomas Eigenthaler, Vorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft, Sie vertreten die Menschen in den Finanzverwaltungen. Immer weniger Mitarbeiter gibt es dort. Die Zahl der Steuerberater steigt. Welche Folgen hat das für die Gerechtigkeit in unserem Steuersystem?
Thomas Eigenthaler: Steuern zahlt keiner gerne. Deshalb müssen wir immer davon ausgehen, dass eine Steuererklärung oftmals nicht das enthält, was sie enthalten sollte. Das muss personell überprüft werden. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser ist meine Devise. Dazu braucht man Personal.
Deutschlandradio Kultur: Nun herrscht bei den Steuerzahlern Waffengleichheit, ja oder nein, wenn man eben verschiedene Konzernchefs sieht und die dann vergleicht mit zum Beispiel einem selbständigen Krankenpfleger? Was würden Sie da sagen?
Thomas Eigenthaler: Der selbständige Krankenpfleger ist eher ein kleines Unternehmen. Das ist steuerlich nicht so schwierig. Da kann man auch mal etwas reduzierter prüfen. Da ist es noch vertretbar. Aber wir müssen an die großen Firmen denken, an die Firmen, die international agieren, die Gewinne über die Grenze verschieben und hier in Deutschland vielleicht kaum Steuern zahlen. Das ist in höchstem Maße ungerecht. Hier müsste die Politik schon längst eingreifen.
Deutschlandradio Kultur: Welchen Effekt hat das Ihrer Meinung nach auf den Zusammenhalt in der Gesellschaft?
Thomas Eigenthaler: Wenn man als kleiner Steuerzahler das Gefühl hat, selbst geprüft zu werden, jedes Jahr eine Steuererklärung abgeben zu müssen und die Großen schlagen sich in die Büsche, gehen über die Grenze, gehen vielleicht in Briefkastengesellschaften rein, in Steueroasen, dann zerstört dieses die Steuermoral. Das tut einem demokratischen Staat nicht gut.
Es ist eine Zumutung zu unterschreiben, was man nicht überblickt
Deutschlandradio Kultur: Steuerfragen sind zu komplex. Viele Menschen haben dafür keine Zeit, keine Muße. Das haben wir schon gehört von den Hörerstimmen. Ist das ein Armutszeugnis, dass bei uns in Deutschland oft nicht möglich ist, als Bürger ohne teure Beratung die korrekte Höhe der Steuern zu leisten?
Thomas Eigenthaler: Jeder Steuerzahler versichert auf seiner Steuererklärung, alles richtig gemacht zu haben, mit seiner Unterschrift. Und es droht ihm Strafe, wenn dieses nicht so ist. Deshalb ist es im Grunde eine Zumutung, etwas zu unterschreiben, was man überhaupt nicht überblickt.
Das Ziel muss sein: Jeder Steuerzahler muss wissen, was er unterschreibt. Nur dann ist ein Steuerrecht in Ordnung.
Deutschlandradio Kultur: Was ist denn hier falsch gelaufen?
Thomas Eigenthaler: Wir haben über viele Jahrzehnte natürlich beobachten müssen, dass immer mehr am Steuerrecht geflickt wurde. Einzelinteressen wurden in Steuerparagraphen übersetzt. Und schuld sind natürlich auch viele Politiker, die – allzumal vor Wahlen – Steuergeschenke verbreitet haben. Und so hat sich Paragraph um Paragraph, Absatz um Absatz in das Steuergesetzbuch eingeschlichen. Mittlerweile durchschauen selbst Fachleute dieses Steuerrecht nicht mehr.
Deutschlandradio Kultur: Vermuten Sie, dass der Politik die Steuergerechtigkeit nicht wichtig ist?
Thomas Eigenthaler: Natürlich, die Lippenbekenntnisse sind da. Wenn man alten Zeitungen forscht, wurde schon in den 50er- und 60er-Jahren nach Steuervereinfachung gerufen. Geschehen ist nichts, weil die Politiker einfach doch von Tag zu Tag arbeiten und schauen, was wünschen sich meine Wähler im Wahlkreis. Und das soll natürlich bedient werden, um auch wiedergewählt zu werden.
Deutschlandradio Kultur: Thomas Eigenthaler ist gebürtiger Stuttgarter und hat lange Jahre das Finanzamt Stuttgart III geleitet. Sie mischen sich auch politisch ein, Herr Eigenthaler. Sie haben sich mehrfach gegen das Steuerabkommen mit der Schweiz ausgesprochen, weil die Hinterzieher dabei zu gut wegkämen. Sie haben den Kauf von Steuer-CDs verteidigt. Lassen Sie uns bei der Politik bleiben, die Sie auch mehrfach schon angesprochen haben.
Es gibt ja eine Partei, die sich lange und oft für ein anderes Steuersystem ausgesprochen hat. Sie wissen, was jetzt kommt.
"Wir Liberale werden einen Koalitionsvertrag nur unterzeichnen, wenn darin ein niedrigeres, einfaches und gerechteres Steuersystem aufgeschrieben worden ist, weil mit die Abkassiererei der ganz normalen Bürgerinnen und Bürger ein Ende haben muss in Deutschland. Das ist unser Wort, das gilt."
Der damalige FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle im Jahr 2009. – Ist das Steuersystem denn nach vier Jahren FDP-Mitregierung jetzt einfacher geworden?
Thomas Eigenthaler: 2009 war Bundestagswahlkampf. Dort war viel Wahlkampfgetöse. Und es hat sich ja zunächst auch bei einer Partei in Stimmen ausgewirkt. Aber auch die FDP, die sehr stark Steuersenkung gefordert hat, hat heute die bittere Wahrheit erkannt. Es ist im Grunde nichts zu verschenken. Und das Wahlprogramm 2013 äußert sich zu Steuersenkungen im Grunde nicht mehr. Haushaltskonsolidierung steht auch bei der FDP offenbar im Vordergrund.
Thomas Eigenthaler: Jeder Steuerzahler versichert auf seiner Steuererklärung, alles richtig gemacht zu haben, mit seiner Unterschrift. Und es droht ihm Strafe, wenn dieses nicht so ist. Deshalb ist es im Grunde eine Zumutung, etwas zu unterschreiben, was man überhaupt nicht überblickt.
Das Ziel muss sein: Jeder Steuerzahler muss wissen, was er unterschreibt. Nur dann ist ein Steuerrecht in Ordnung.
Deutschlandradio Kultur: Was ist denn hier falsch gelaufen?
Thomas Eigenthaler: Wir haben über viele Jahrzehnte natürlich beobachten müssen, dass immer mehr am Steuerrecht geflickt wurde. Einzelinteressen wurden in Steuerparagraphen übersetzt. Und schuld sind natürlich auch viele Politiker, die – allzumal vor Wahlen – Steuergeschenke verbreitet haben. Und so hat sich Paragraph um Paragraph, Absatz um Absatz in das Steuergesetzbuch eingeschlichen. Mittlerweile durchschauen selbst Fachleute dieses Steuerrecht nicht mehr.
Deutschlandradio Kultur: Vermuten Sie, dass der Politik die Steuergerechtigkeit nicht wichtig ist?
Thomas Eigenthaler: Natürlich, die Lippenbekenntnisse sind da. Wenn man alten Zeitungen forscht, wurde schon in den 50er- und 60er-Jahren nach Steuervereinfachung gerufen. Geschehen ist nichts, weil die Politiker einfach doch von Tag zu Tag arbeiten und schauen, was wünschen sich meine Wähler im Wahlkreis. Und das soll natürlich bedient werden, um auch wiedergewählt zu werden.
Deutschlandradio Kultur: Thomas Eigenthaler ist gebürtiger Stuttgarter und hat lange Jahre das Finanzamt Stuttgart III geleitet. Sie mischen sich auch politisch ein, Herr Eigenthaler. Sie haben sich mehrfach gegen das Steuerabkommen mit der Schweiz ausgesprochen, weil die Hinterzieher dabei zu gut wegkämen. Sie haben den Kauf von Steuer-CDs verteidigt. Lassen Sie uns bei der Politik bleiben, die Sie auch mehrfach schon angesprochen haben.
Es gibt ja eine Partei, die sich lange und oft für ein anderes Steuersystem ausgesprochen hat. Sie wissen, was jetzt kommt.
"Wir Liberale werden einen Koalitionsvertrag nur unterzeichnen, wenn darin ein niedrigeres, einfaches und gerechteres Steuersystem aufgeschrieben worden ist, weil mit die Abkassiererei der ganz normalen Bürgerinnen und Bürger ein Ende haben muss in Deutschland. Das ist unser Wort, das gilt."
Der damalige FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle im Jahr 2009. – Ist das Steuersystem denn nach vier Jahren FDP-Mitregierung jetzt einfacher geworden?
Thomas Eigenthaler: 2009 war Bundestagswahlkampf. Dort war viel Wahlkampfgetöse. Und es hat sich ja zunächst auch bei einer Partei in Stimmen ausgewirkt. Aber auch die FDP, die sehr stark Steuersenkung gefordert hat, hat heute die bittere Wahrheit erkannt. Es ist im Grunde nichts zu verschenken. Und das Wahlprogramm 2013 äußert sich zu Steuersenkungen im Grunde nicht mehr. Haushaltskonsolidierung steht auch bei der FDP offenbar im Vordergrund.
Über Steuersätze zu diskutieren, ist Populismus
Deutschlandradio Kultur: Hat Sie die FDP als selbsternannte Steuerpartei hier enttäuscht?
Thomas Eigenthaler: Bereits zu Beginn der Legislaturperiode kam ein schwerer Sündenfall. Man hat eine weitere Subvention, nämlich eine Begünstigung der Hotels, in das Umsatzsteuergesetz eingefügt. Darunter leidet die FDP noch heute. Ab da ging die Stimmenzahl rasant bergab. Die Leute haben das nicht mehr verstanden, warum man dort nicht vereinfacht, sondern eine weitere Subvention einer bestimmten Personengruppe einbaut – ein schwerer Fehler.
Deutschlandradio Kultur: Reiht sich die FDP hier ein in die Liste der Regierungen, die sich nicht um ein gerechteres oder nicht um ein einfacheres Steuersystem gekümmert haben?
Thomas Eigenthaler: Steuerrecht kann man nicht von hinten her reformieren, vom Steuersatz her. Ein Steuersatz ist das letzte Glied in einer Entscheidungskette. Über Steuersätze zu diskutieren, und zwar ausschließlich über Steuersätze, ist Populismus. Es muss vorher vernünftig geklärt werden, was besteuern wir, das möglichst einfach. Das kostet Zeit. Das sollte auch parteiübergreifend angegangen werden, so wie wir auch zum Beispiel bei Renten oder in der Umweltpolitik nicht von Jahr zu Jahr ein anderes System haben, sondern längerfristig denken müssen.
Deutschlandradio Kultur: Wie kann sich hier etwas verändern?
Thomas Eigenthaler: Indem sich möglichst viele Parteien in Berlin zusammensetzen. Dort ist das Entscheidungszentrum über Steuerparagraphen. Dort muss längerfristig nachgedacht werden. Dort kann man auch Anleihe nehmen bei Prof. Paul Kirchhof, der ein Modell vorgestellt hat, das aus meiner Sicht noch nicht ausgereift ist, aber das eine wichtige Diskussionsgrundlage werden kann.
Thomas Eigenthaler: Bereits zu Beginn der Legislaturperiode kam ein schwerer Sündenfall. Man hat eine weitere Subvention, nämlich eine Begünstigung der Hotels, in das Umsatzsteuergesetz eingefügt. Darunter leidet die FDP noch heute. Ab da ging die Stimmenzahl rasant bergab. Die Leute haben das nicht mehr verstanden, warum man dort nicht vereinfacht, sondern eine weitere Subvention einer bestimmten Personengruppe einbaut – ein schwerer Fehler.
Deutschlandradio Kultur: Reiht sich die FDP hier ein in die Liste der Regierungen, die sich nicht um ein gerechteres oder nicht um ein einfacheres Steuersystem gekümmert haben?
Thomas Eigenthaler: Steuerrecht kann man nicht von hinten her reformieren, vom Steuersatz her. Ein Steuersatz ist das letzte Glied in einer Entscheidungskette. Über Steuersätze zu diskutieren, und zwar ausschließlich über Steuersätze, ist Populismus. Es muss vorher vernünftig geklärt werden, was besteuern wir, das möglichst einfach. Das kostet Zeit. Das sollte auch parteiübergreifend angegangen werden, so wie wir auch zum Beispiel bei Renten oder in der Umweltpolitik nicht von Jahr zu Jahr ein anderes System haben, sondern längerfristig denken müssen.
Deutschlandradio Kultur: Wie kann sich hier etwas verändern?
Thomas Eigenthaler: Indem sich möglichst viele Parteien in Berlin zusammensetzen. Dort ist das Entscheidungszentrum über Steuerparagraphen. Dort muss längerfristig nachgedacht werden. Dort kann man auch Anleihe nehmen bei Prof. Paul Kirchhof, der ein Modell vorgestellt hat, das aus meiner Sicht noch nicht ausgereift ist, aber das eine wichtige Diskussionsgrundlage werden kann.
Sammelsurium an neuen Vorschriften kurz vor Weihnachten
Deutschlandradio Kultur: Auf den Professor aus Heidelberg kommen wir noch zu sprechen. Ich habe noch mal ein Beispiel, dass eben die FDP kein Einzelfall ist, sondern auch die Regierungen davor sich um die Steuervereinfachung eigentlich wenig gekümmert hat.
Es gibt einen Bericht des Bundesrechnungshofes. Der hat sich gekümmert um das Einkommensteuergesetz, und zwar in dem Zeitraum 2006 bis 2010. Und in diesem Zeitraum hat es 48 Gesetze gegeben, die die Regeln dort geändert haben, 48 Änderungen in fünf Jahren. Oft geht es hier um neue Paragraphen, die Einzelfallgerechtigkeit herstellen sollen. Haben dann auch immer Gesetzesseiten mehr Gerechtigkeit zur Folge?
Thomas Eigenthaler: 48 Änderungen, das hört sich ja noch überschaubar an. Aber es sind 48 Änderungsgesetze, die ihrerseits jeweils viele Änderungsparagraphen enthalten. Das ist ein ganzes Sammelsurium an neuen Vorschriften, die meistens kurz vor Weihnachten auf die Finanzämter und auf die Steuerzahler herunterprasseln. Und ab Januar sollen dann die neuen Vorschriften angewendet werden.
Wir können einheitlich bilanzieren: Kaum eine dieser neuen Vorschriften hat jemals eine Vereinfachung gebracht, eher das Gegenteil. Alles ist komplizierter geworden.
Deutschlandradio Kultur: Wer profitiert denn, wenn die Steuergesetzgebung immer komplexer wird und es immer mehr Einzelfälle gibt?
Thomas Eigenthaler: Den höchsten Profitwert haben natürlich die Steuerzahler, die viel verdienen. Sie können gestalten. Sie können ausweichen in Vermietungen. Sie können im Ausland investieren. Sie können in betriebliche Beteiligungen investieren. Sie können in Wertpapiere investieren. Und dort finden wir leider auch allzu oft Steuerhinterziehung, indem eben unversteuerte Gelder etwa in die Schweiz gebracht werden.
Deutschlandradio Kultur: Unabhängig von der FDP gab es ja einen Kulturwechsel im Steuersystem. Ab diesem Jahr, ab 2013 hat die Lohnsteuerkarte aus Pappe ausgedient und wird durch eine elektronische Lohnsteuerkarte ersetzt, kein Papier mehr. Das dürfte die Arbeit in den Finanzämtern doch extrem vereinfachen. Herrscht jetzt da Begeisterung?
Thomas Eigenthaler: Von einem Kulturwechsel würde ich nun wirklich nicht sprechen. Man hat einfach Papier abgeschafft. Aber jeder, der mit EDV zu tun hat, weiß, die Welt wird dadurch nicht einfacher. Statt Papierproblemen gibt es nun EDV-Probleme. Die Technik, die jetzt herrscht, bedeutet, der Arbeitgeber greift auf Daten zu, auf Daten seiner Arbeitnehmer, die die Finanzverwaltung bereithält. – Problem: Wenn die Daten falsch sind, ist auch der Lohnsteuerabzug des Arbeitgebers falsch.
Deutschlandradio Kultur: Also, die elektronische Lohnsteuerkarte, keine Wunderwaffe. Wie könnte man denn Chancengleichheit bei der Steuereinholung herstellen? Ich sage bewusst "Einholung" nicht "Steuererklärung". Vielleicht denken wir auch das ganze System noch mal neu. Dass man am Ende des Jahres dann immer abrechnen muss, was man wie verdient hat, ist das vielleicht schon ein Fehler im System?
Thomas Eigenthaler: Im Grunde gibt es nur eine Richtung, die man ernsthaft verfolgen kann. Wir müssen niedrigere Steuersätze haben, aber dafür müssen alle Abzugsmöglichkeiten auf den Prüfstand und im Grunde radikal minimiert werden. Die Abzugsmöglichkeiten, die sind es, die das Steuerrecht kompliziert machen.
Es gibt einen Bericht des Bundesrechnungshofes. Der hat sich gekümmert um das Einkommensteuergesetz, und zwar in dem Zeitraum 2006 bis 2010. Und in diesem Zeitraum hat es 48 Gesetze gegeben, die die Regeln dort geändert haben, 48 Änderungen in fünf Jahren. Oft geht es hier um neue Paragraphen, die Einzelfallgerechtigkeit herstellen sollen. Haben dann auch immer Gesetzesseiten mehr Gerechtigkeit zur Folge?
Thomas Eigenthaler: 48 Änderungen, das hört sich ja noch überschaubar an. Aber es sind 48 Änderungsgesetze, die ihrerseits jeweils viele Änderungsparagraphen enthalten. Das ist ein ganzes Sammelsurium an neuen Vorschriften, die meistens kurz vor Weihnachten auf die Finanzämter und auf die Steuerzahler herunterprasseln. Und ab Januar sollen dann die neuen Vorschriften angewendet werden.
Wir können einheitlich bilanzieren: Kaum eine dieser neuen Vorschriften hat jemals eine Vereinfachung gebracht, eher das Gegenteil. Alles ist komplizierter geworden.
Deutschlandradio Kultur: Wer profitiert denn, wenn die Steuergesetzgebung immer komplexer wird und es immer mehr Einzelfälle gibt?
Thomas Eigenthaler: Den höchsten Profitwert haben natürlich die Steuerzahler, die viel verdienen. Sie können gestalten. Sie können ausweichen in Vermietungen. Sie können im Ausland investieren. Sie können in betriebliche Beteiligungen investieren. Sie können in Wertpapiere investieren. Und dort finden wir leider auch allzu oft Steuerhinterziehung, indem eben unversteuerte Gelder etwa in die Schweiz gebracht werden.
Deutschlandradio Kultur: Unabhängig von der FDP gab es ja einen Kulturwechsel im Steuersystem. Ab diesem Jahr, ab 2013 hat die Lohnsteuerkarte aus Pappe ausgedient und wird durch eine elektronische Lohnsteuerkarte ersetzt, kein Papier mehr. Das dürfte die Arbeit in den Finanzämtern doch extrem vereinfachen. Herrscht jetzt da Begeisterung?
Thomas Eigenthaler: Von einem Kulturwechsel würde ich nun wirklich nicht sprechen. Man hat einfach Papier abgeschafft. Aber jeder, der mit EDV zu tun hat, weiß, die Welt wird dadurch nicht einfacher. Statt Papierproblemen gibt es nun EDV-Probleme. Die Technik, die jetzt herrscht, bedeutet, der Arbeitgeber greift auf Daten zu, auf Daten seiner Arbeitnehmer, die die Finanzverwaltung bereithält. – Problem: Wenn die Daten falsch sind, ist auch der Lohnsteuerabzug des Arbeitgebers falsch.
Deutschlandradio Kultur: Also, die elektronische Lohnsteuerkarte, keine Wunderwaffe. Wie könnte man denn Chancengleichheit bei der Steuereinholung herstellen? Ich sage bewusst "Einholung" nicht "Steuererklärung". Vielleicht denken wir auch das ganze System noch mal neu. Dass man am Ende des Jahres dann immer abrechnen muss, was man wie verdient hat, ist das vielleicht schon ein Fehler im System?
Thomas Eigenthaler: Im Grunde gibt es nur eine Richtung, die man ernsthaft verfolgen kann. Wir müssen niedrigere Steuersätze haben, aber dafür müssen alle Abzugsmöglichkeiten auf den Prüfstand und im Grunde radikal minimiert werden. Die Abzugsmöglichkeiten, die sind es, die das Steuerrecht kompliziert machen.
Was hat eine Handwerkerleistung in der Steuererklärung zu suchen?
Deutschlandradio Kultur: Das müssen Sie ein erklären. Warum müssen die Abzugsmöglichkeiten, die ja sicherlich dann auch viele schätzen, dass man den Arbeitsweg absetzen kann et cetera. Warum muss das weg?
Thomas Eigenthaler: Schauen Sie, ich will Ihnen zwei Beispiele machen über Abzugsmöglichkeiten, die uns arg beeinträchtigen in der Tagesarbeit. – Zum Bespiel Handwerkerleistungen.
Wenn ein Steuerzahler in seinem Haus einen Handwerker holt, dann kann er dies zu einem gewissen Teil in der Steuererklärung geltend machen. Ich frage mich: Was hat eine Handwerkerleistung in der Steuererklärung zu suchen? Das Recht wurde unnötig kompliziert. Das muss raus. Dafür muss man halt dann am Ende einen geringeren Steuersatz anwenden.
Oder wir berücksichtigen Unterhaltsleistungen für Angehörige, die im Ausland leben, ein Feld großen Steuermissbrauchs. Wir können hier in Deutschland nicht feststellen, ob jemand überhaupt bedürftig ist. Auch dieses muss raus aus dem Einkommenssteuergesetz.
An vielen Stellen Pauschalen und trotzdem die Einzelprüfmöglichkeit
Deutschlandradio Kultur: Ist das ein so relevanter Bereich für Leute, die im Ausland leben? Ich würde jetzt mal vermuten, dass wir hier in Deutschland ansetzen müssen bei den vielen Ausnahmeregelungen, die es dann hier gibt. Was wäre denn Ihr Steuersystem? Wie könnten Sie sich das vorstellen? Welche Vereinfachungen gibt es denn nach Ihrem System noch?
Thomas Eigenthaler: Man muss viel mit Pauschalen arbeiten, die eine abgeltende Wirkung haben. Aber was haben wir heute? Wir haben an vielen Stellen Pauschalen, aber der Gesetzgeber eröffnet auch noch die Einzelprüfmöglichkeit. Das darf natürlich nicht sein. Irgendwann muss der Steuerfall mit der Pauschale ein Ende finden. Dann ist Feierabend.
Aber ich sage noch mal: Im Gegenzug muss der Steuersatz natürlich etwas reduziert werden.
Deutschlandradio Kultur: Das war ja ein Wahlversprechen, aber es ist nichts passiert. Warum passiert in diesem Bereich nichts und es steht, wie Sie sagen, auch in den Wahlversprechen für diese Bundestagswahl nicht mehr drin?
Thomas Eigenthaler: Weil man beides will. Der kluge Politiker will beides. Er will einen günstigen Steuersatz, um sich Wählerstimmen zu sichern, aber er möchte nicht an die Steuerprivilegien heran, weil das zu viele Widerstände bildet. Selbst wenn nur Schnittblumen im Steuerrecht normal besteuert werden sollen bei der Umsatzsteuer, gibt es einen Riesenaufschrei, so dass sich Bundesfinanzminister Schäuble nicht mehr traut, die Schnittblumenfrage anzugehen.
Deutschlandradio Kultur: Ist der Lobbyismus zu stark, um im Steuerrecht etwas Großes zu bewegen?
Thomas Eigenthaler: Natürlich. Wenn Sie Abzugsmöglichkeiten haben, stehen dahinter immer irgendwelche Interessen. Und diese Interessen werden in einem demokratischen Staat allzu oft von Verbänden gebündelt. Und die werden in Berlin vorstellig und kämpfen für ihre Spezialinteressen. Etwa das Bespiel der Hotelleriebesteuerung, ein ganz klarer Fall des Lobbyismus.
Deutschlandradio Kultur: Nun gab es ja schon Leute, die auch das, was Sie sagen, schon formuliert haben. Also, das Steuerrecht muss radikal vereinfacht werden. Sie haben es angesprochen, den Professor aus Heidelberg, so wurde er dann oft genannt, mit der Steuererklärung auf dem Bierdeckel. – Da hat sich ja dann nichts getan aufgrund des Gegenwindes, der in der Öffentlichkeit entstanden ist.
Thomas Eigenthaler: Die, die sich gegen Kirchhof ausgesprochen haben, haben natürlich damit gespielt, dass Kirchhof auch Privilegien streichen will. Und damit wurde an das Interesse der Leute appelliert, am besten doch ihre Privilegien weiter aufrechtzuerhalten. Und das geht natürlich nicht gut. Das ist Populismus. Man muss zusammenhalten. Man muss sagen, Privilegien müssen gestrichen werden. Dafür kann der Steuersatz etwas weniger werden.
Deutschlandradio Kultur: Es gab aber auch viele Otto-Normalverbraucher, die Angst gehabt haben, dass eben eine Vereinfachung auch weniger Gerechtigkeit zur Folge hat, weil es dann eben nicht bestimmte Ausnahmeregelungen mehr gibt. Wie nehmen Sie diesen Leuten die Angst, dass es eben mit einem einfachen System sogar mehr Gerechtigkeit gibt – eben auch für die Schwachen?
Thomas Eigenthaler: Eine Schwäche von Professor Kirchhofs Modell ist es, dass er einen einheitlichen Steuersatz von 25 Prozent für alle verlangt. Das kann nicht sein. Wir haben seit Jahrzehnten das System, dass stärkere Schultern mehr tragen müssen. Und wir können nicht den kleinen Arbeitnehmer mit 25 Prozent besteuern und einen früheren Postchef Zumwinkel, der ein hohes Einkommen hat, auch mit 25 Prozent. Das kann nicht sein. Das widerspricht einem gerechten Empfinden.
Deutschlandradio Kultur: Plädieren Sie trotzdem dafür, dass weiterhin Steuererklärungen gemacht werden müssen, auch gemacht werden müssen von Profis? Oder sagen Sie auch, dort muss es eine Änderung geben, dass eben vielleicht 95 Prozent der Bevölkerung das nicht mehr machen müssen?
Thomas Eigenthaler: Wir müssen zu einer Lösung kommen, wo viele Steuerfälle der Arbeitnehmer, die kein so hohes Einkommen haben, wo es wenig Abzugsmöglichkeiten gibt, die müssen pauschal bearbeitet werden. Da kann man vielleicht sogar diese allein von einem Computer bearbeiten lassen, wenn man einen pauschalierten Abzugsbetrag hat. Und damit hat dann die Sache ihr Bewenden. Das kann man bereits monatlich vom Arbeitgeber erledigen lassen. Und dann kommt hinterher nur noch eine Schlussabrechnung. Das muss das Ziel sein.
Und die großen Steuerfälle, die Unternehmen, die international agierenden Unternehmen, die Einkommensmillionäre, die müssen wir schärfer angehen.
Deutschlandradio Kultur: Und dafür brauchen Sie mehr Kapazitäten, mehr Personal in den deutschen Finanzverwaltungen.
Thomas Eigenthaler: Natürlich. Auch hier gilt die Devise: Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser. Auch dieser Personenkreis zahlt nicht freiwillig gerne Steuern. Deshalb muss hier überprüft werden. Hier muss nachgeholfen werden, wenn es an der Freiwilligkeit mangelt.
Thomas Eigenthaler: Man muss viel mit Pauschalen arbeiten, die eine abgeltende Wirkung haben. Aber was haben wir heute? Wir haben an vielen Stellen Pauschalen, aber der Gesetzgeber eröffnet auch noch die Einzelprüfmöglichkeit. Das darf natürlich nicht sein. Irgendwann muss der Steuerfall mit der Pauschale ein Ende finden. Dann ist Feierabend.
Aber ich sage noch mal: Im Gegenzug muss der Steuersatz natürlich etwas reduziert werden.
Deutschlandradio Kultur: Das war ja ein Wahlversprechen, aber es ist nichts passiert. Warum passiert in diesem Bereich nichts und es steht, wie Sie sagen, auch in den Wahlversprechen für diese Bundestagswahl nicht mehr drin?
Thomas Eigenthaler: Weil man beides will. Der kluge Politiker will beides. Er will einen günstigen Steuersatz, um sich Wählerstimmen zu sichern, aber er möchte nicht an die Steuerprivilegien heran, weil das zu viele Widerstände bildet. Selbst wenn nur Schnittblumen im Steuerrecht normal besteuert werden sollen bei der Umsatzsteuer, gibt es einen Riesenaufschrei, so dass sich Bundesfinanzminister Schäuble nicht mehr traut, die Schnittblumenfrage anzugehen.
Deutschlandradio Kultur: Ist der Lobbyismus zu stark, um im Steuerrecht etwas Großes zu bewegen?
Thomas Eigenthaler: Natürlich. Wenn Sie Abzugsmöglichkeiten haben, stehen dahinter immer irgendwelche Interessen. Und diese Interessen werden in einem demokratischen Staat allzu oft von Verbänden gebündelt. Und die werden in Berlin vorstellig und kämpfen für ihre Spezialinteressen. Etwa das Bespiel der Hotelleriebesteuerung, ein ganz klarer Fall des Lobbyismus.
Deutschlandradio Kultur: Nun gab es ja schon Leute, die auch das, was Sie sagen, schon formuliert haben. Also, das Steuerrecht muss radikal vereinfacht werden. Sie haben es angesprochen, den Professor aus Heidelberg, so wurde er dann oft genannt, mit der Steuererklärung auf dem Bierdeckel. – Da hat sich ja dann nichts getan aufgrund des Gegenwindes, der in der Öffentlichkeit entstanden ist.
Thomas Eigenthaler: Die, die sich gegen Kirchhof ausgesprochen haben, haben natürlich damit gespielt, dass Kirchhof auch Privilegien streichen will. Und damit wurde an das Interesse der Leute appelliert, am besten doch ihre Privilegien weiter aufrechtzuerhalten. Und das geht natürlich nicht gut. Das ist Populismus. Man muss zusammenhalten. Man muss sagen, Privilegien müssen gestrichen werden. Dafür kann der Steuersatz etwas weniger werden.
Deutschlandradio Kultur: Es gab aber auch viele Otto-Normalverbraucher, die Angst gehabt haben, dass eben eine Vereinfachung auch weniger Gerechtigkeit zur Folge hat, weil es dann eben nicht bestimmte Ausnahmeregelungen mehr gibt. Wie nehmen Sie diesen Leuten die Angst, dass es eben mit einem einfachen System sogar mehr Gerechtigkeit gibt – eben auch für die Schwachen?
Thomas Eigenthaler: Eine Schwäche von Professor Kirchhofs Modell ist es, dass er einen einheitlichen Steuersatz von 25 Prozent für alle verlangt. Das kann nicht sein. Wir haben seit Jahrzehnten das System, dass stärkere Schultern mehr tragen müssen. Und wir können nicht den kleinen Arbeitnehmer mit 25 Prozent besteuern und einen früheren Postchef Zumwinkel, der ein hohes Einkommen hat, auch mit 25 Prozent. Das kann nicht sein. Das widerspricht einem gerechten Empfinden.
Deutschlandradio Kultur: Plädieren Sie trotzdem dafür, dass weiterhin Steuererklärungen gemacht werden müssen, auch gemacht werden müssen von Profis? Oder sagen Sie auch, dort muss es eine Änderung geben, dass eben vielleicht 95 Prozent der Bevölkerung das nicht mehr machen müssen?
Thomas Eigenthaler: Wir müssen zu einer Lösung kommen, wo viele Steuerfälle der Arbeitnehmer, die kein so hohes Einkommen haben, wo es wenig Abzugsmöglichkeiten gibt, die müssen pauschal bearbeitet werden. Da kann man vielleicht sogar diese allein von einem Computer bearbeiten lassen, wenn man einen pauschalierten Abzugsbetrag hat. Und damit hat dann die Sache ihr Bewenden. Das kann man bereits monatlich vom Arbeitgeber erledigen lassen. Und dann kommt hinterher nur noch eine Schlussabrechnung. Das muss das Ziel sein.
Und die großen Steuerfälle, die Unternehmen, die international agierenden Unternehmen, die Einkommensmillionäre, die müssen wir schärfer angehen.
Deutschlandradio Kultur: Und dafür brauchen Sie mehr Kapazitäten, mehr Personal in den deutschen Finanzverwaltungen.
Thomas Eigenthaler: Natürlich. Auch hier gilt die Devise: Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser. Auch dieser Personenkreis zahlt nicht freiwillig gerne Steuern. Deshalb muss hier überprüft werden. Hier muss nachgeholfen werden, wenn es an der Freiwilligkeit mangelt.
Steuern sind der Preis für Einigkeit und Recht und Freiheit
Deutschlandradio Kultur: Wir haben über Steuerklärungen ganz zum Anfang gesprochen und ich will die auch zum Ende jetzt noch mal ansprechen. Die haben sich ja inzwischen zum Sport ausgeweitet. Also, wer findet mehr Kniffe und Schlupflöcher, um sich arm zu rechnen und weniger Geld beim Finanzamt zu lassen, beim Staat zu lassen. Empfehlen Sie den Menschen, diesen Sport mitzumachen – mit einem Berater oder ohne einen Berater? Oder sagen Sie, lieber Zeit sparen und dann auch mal der Dumme sein, der eben mehr bezahlt und die Finanzämter vielleicht entlastet?
Thomas Eigenthaler: Bei vielen hat sich Steuersparen wirklich zu einem Volkssport entwickelt, auch weil man sieht, dass manche abziehen können. Man sagt sich, dann mache ich das auch. Ich versuche das auch. Warum sollen manche besser davonkommen?
Aber ich kann jedem Steuerzahler nur raten, sich einmal zehn Minuten zurückzulehnen und zu überlegen: Warum verlangt ein Staat überhaupt Steuern? Steuern sind ein Preis, wie ich gerne sage, für Einigkeit, Recht und Freiheit. Steuern sichern eine gute Infrastruktur. Steuern sichern Schulen, Krankenhäuser, Straßen. Diesen Zusammenhang erkennen viele nicht. Sie denken, das ist etwas, was der Staat einnimmt und für irgendwelche Zwecke ausgibt, die man nicht versteht. Aber dem ist natürlich nicht so.
Deutschlandradio Kultur: Also, zurücklehnen, im Zweifel die Zeit anders nutzen und nicht um jeden Cent feilschen.
Thomas Eigenthaler: Genau. Manche machen dort eine richtige Staatsaktion draus. Da wird richtig gefechtsmäßig der Gang zum Finanzamt vorbereitet. Das erzeugt dort unnötige Konflikte. Und wenn man dann hinterher schaut, wurde vielleicht über fünf Euro mehr oder weniger rumgestritten. Das lohnt den Streit nicht. Lieber zehn Minuten zurücklehnen und überhaupt mal nachdenken. Warum verlangt ein Staat Steuern?
Deutschlandradio Kultur: Waffenungleichheit im deutschen Steuersystem. Vielen Dank für Ihren Besuch.
Thomas Eigenthaler: Gerne, und auf Wiederhören.
Deutschlandradio Kultur: Danke fürs Zuhören und weiterhin viel Spaß mit Anlage N, S und Anlage Kind wünscht André Zantow.
Schaffen Sie Ihre Steuerklärung allein oder brauchen Sie einen Berater? - Die Debatte auf Facebook.
Thomas Eigenthaler: Bei vielen hat sich Steuersparen wirklich zu einem Volkssport entwickelt, auch weil man sieht, dass manche abziehen können. Man sagt sich, dann mache ich das auch. Ich versuche das auch. Warum sollen manche besser davonkommen?
Aber ich kann jedem Steuerzahler nur raten, sich einmal zehn Minuten zurückzulehnen und zu überlegen: Warum verlangt ein Staat überhaupt Steuern? Steuern sind ein Preis, wie ich gerne sage, für Einigkeit, Recht und Freiheit. Steuern sichern eine gute Infrastruktur. Steuern sichern Schulen, Krankenhäuser, Straßen. Diesen Zusammenhang erkennen viele nicht. Sie denken, das ist etwas, was der Staat einnimmt und für irgendwelche Zwecke ausgibt, die man nicht versteht. Aber dem ist natürlich nicht so.
Deutschlandradio Kultur: Also, zurücklehnen, im Zweifel die Zeit anders nutzen und nicht um jeden Cent feilschen.
Thomas Eigenthaler: Genau. Manche machen dort eine richtige Staatsaktion draus. Da wird richtig gefechtsmäßig der Gang zum Finanzamt vorbereitet. Das erzeugt dort unnötige Konflikte. Und wenn man dann hinterher schaut, wurde vielleicht über fünf Euro mehr oder weniger rumgestritten. Das lohnt den Streit nicht. Lieber zehn Minuten zurücklehnen und überhaupt mal nachdenken. Warum verlangt ein Staat Steuern?
Deutschlandradio Kultur: Waffenungleichheit im deutschen Steuersystem. Vielen Dank für Ihren Besuch.
Thomas Eigenthaler: Gerne, und auf Wiederhören.
Deutschlandradio Kultur: Danke fürs Zuhören und weiterhin viel Spaß mit Anlage N, S und Anlage Kind wünscht André Zantow.
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