Kelly und Zach Weinersmith: "Bald!"

Das Leben im All ist viel zu teuer

Gedankenspiele für Nerds: Das Autorenpaar Weinersmith hat ein unterhaltsames Sachbuch über unrealistische Träume der Wissenschaft geschrieben.
Gedankenspiele für Nerds: Das Autorenpaar Weinersmith hat ein unterhaltsames Sachbuch über unrealistische Träume der Wissenschaft geschrieben. © imago/Ikon Images; Hanser
Von Michael Lange |
Ein Comiczeichner und eine Biologin fühlen der Wissenschaft und ihren Trendmeldungen auf den Zahn. Insbesondere den Menschheitstraum vom Leben im All nehmen Kelly und Zach Weinersmith in ihrem Sachbuch "Bald! 10 revolutionäre Technologien" auseinander - seriös und unterhaltsam.
Ein Weltraumaufzug, Bergbau auf Asteroiden oder menschliche Organe aus dem Drucker. Geniale Forscherideen können wichtige Probleme lösen, aber auch – wenn es nicht so läuft wie erwartet – neue, noch größere Probleme schaffen. Risiken und Nutzen konkret gegeneinander abzuwägen, ist oft eben nicht so leicht. In ihrem Buch "Bald!" fühlt das Ehepaar Weinersmith, er ein Comic-Zeichner und sie Biologin, jetzt der Wissenschaft auf den Zahn: seriös, spannend und unglaublich unterhaltsam.
Die meisten Science-Fiction-Autoren und auch viele Wissenschaftler sehen die Zukunft der Menschheit fern von der Erde im Weltraum. Die Sache hat nur einen Haken: Bislang kostet es sehr viel Geld und Energie, einen einzigen Menschen und alles, was er braucht, ins Weltall zu befördern. Die Raketen bestehen zu 80 Prozent aus Treibstoff, 16 Prozent aus Technik und nur 4 Prozent aus Fracht. Und so lange sich daran grundlegend nichts ändert, kostet es an die 2500 Dollar, einen Cheeseburger in die Umlaufbahn zu schießen. Ein Mensch allein kostet fast eine Million. Aber wer will schon ohne Sauerstoff und Nahrung ins Weltall? Und so ist das, wie Kelly und Zach Weinersmith schreiben, für einen "gewöhnlichen US-Millionär" kaum zu bezahlen.

Einen Cheeseburger in die Umlaufbahn zu schicken, kostet 2500 Dollar

An Ideen, Menschen preiswert ins Weltall zu befördern, mangelt es nicht. Konzepte mit Raketenflugzeugen bringen jedoch wenig. Denn dabei müssen stets verschiedene Antriebskonzepte in einem Fluggerät kombiniert werden. Und auch das wäre teuer und pannenanfällig. Eine Kanone, die Menschen und Gerät ins Weltall schießt, brachte auch nicht die erwarteten Erfolge. Ein ambitionierter Verfechter der Kanonenidee musste aus Kanada in den Iran flüchten, wo seine Idee aber auch nicht verwirklicht werden konnte. Vielversprechender erscheint da ein Aufzug, der Menschen und Fracht an einem Kabel in die Umlaufbahn befördert. Das dazu nötige, extrem reißfeste Material wurde erst kürzlich von Nanotechnologen entwickelt. Nur das Kabel ist bislang erst einen halben Meter lang.
Neugierig, aber auch skeptisch spielen Kelly und Zach Weinersmith realistische und absurde Möglichkeiten durch. Was, wenn das das Kabel reißt? Wie befestigt man so ein Kabel im Weltall? Kann man vielleicht einen Meteoriten einfangen? Was geschieht bei Gewitter? Welche Möglichkeiten bietet ein Weltraumlift für Terroristen? Und welche Gefahren drohen bei kriegerischen Auseinandersetzungen? Als waschechte Nerds haben beide Autoren großes Vergnügen an ihren Gedankenspielen.

Begeisterung für Wissenschaft und neue Technologien

Nicht immer jedoch sind sich die beiden einig. Wie das aussieht, erfahren die Leser in witzigen Cartoons. Sie zeigen, wie der rotbärtige, langhaarige Comiczeichner Zach immer wieder versucht, naive Witze und Wortspielereien einzubauen. Und wenn er es übertreibt, meldet sich die schwarzhaarige Forscherin mit markanter Brille zu Wort und mahnt zur Seriosität. Manchmal schüttelt sie den Kopf, wenn die Witze über einen Forscher mit Nachnamen Elvis oder über hängende Organe aus dem Drucker zu dumm daherkommen. Dann folgt eine sorgfältige Recherche.
Kelly und Zach Weinersmith fragen kritisch nach, wenn Forscherträume abheben. Sie zeigen auf, was alles schief gehen kann. Und dennoch wird ihr Buch getragen von der Begeisterung für Wissenschaft und neue Technologien. Das Ergebnis ist ein kluges Buch zweier Menschen, die ihren jugendlichen, manchmal naiven Spaß am Fragen und Forschen nicht verloren haben.

Kelly und Zach Weinersmith: Bald! 10 revolutionäre Technologien, mit denen alles gut wird oder komplett den Bach runter geht
Übersetzt von Karsten Petersen, Thomas Pfeiffer und Sigrid Schmid
Hanser Verlag, München 2017
480 Seiten, 22 Euro

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