EU-Bohnen müssen kerzengerade sein
Das Gemüse muss aussehen wie gemalt. Und überhaupt ist das Regelwerk für den Handel mit der EU kompliziert. Kenias Kleinbauern wünschen sich mehr Unterstützung, damit sie die Anforderungen für den Handel mit Europa einhalten können.
Jecinta Ngina produziert für den Export nach Europa – das bringt mehr Geld als Obst und Gemüse für den kenianischen Markt. Aber der höhere Umsatz hat seinen Preis. Farmer, die exportieren wollen, müssen sich an strenge Regeln halten.
"Die drehen sich in erster Linie um gute Anbaumethoden, Lebensmittelsicherheit, Umweltschutz und soziale Standards. Die Farmer müssen beweisen, dass sie nachhaltig produzieren."
So Francis Wario vom Verband der Frischwarenexporteure Kenias. Das fängt schon beim Saatgut an. Jecinta Ngina bricht eine übrig gebliebene Bohne auf einem abgeernteten Feld auf:
"Sehen Sie, die hat schon Samen gebildet. Die wird automatisch aussortiert. Wenn man die erntet, kann man nichts mit ihr anfangen."
Die Samenkörner taugen auch nicht für die Aufzucht neuer Pflanzen – für Exportbohnen dürfen die Farmer nur spezielles Saatgut verwenden. Und das müssen sie jedes Mal neu einkaufen – etwa alle zwei Monate.
Francis Wario: "Es ist teuer, diese Standards einzuhalten. Und manchmal haben die Farmer nicht das nötige Kapital, um alle Voraussetzungen zu erfüllen. Das ist immer ein Problem."
Kompliziertes Regelwerk für den ausländischen Gemüsemarkt
Das gilt erst recht für den Einsatz von Pestiziden. Jecinta Ngina hat eigens Trainingskurse des Exporteurverbandes besucht, um das komplizierte Regelwerk für den ausländischen Gemüsemarkt zu lernen. Aber das reicht nicht:
"Die Unternehmen, an die wir verkaufen, geben uns eine Liste mit zugelassenen Chemikalien. Die wird ständig überarbeitet. Und wir werden informiert, was wir benutzen können und was nicht."
Jecinta Ngina muss genau Buch führen, was sie spritzt, wann und aus welchem Grund und das bei den regelmäßigen Kontrollen auch nachweisen. Außerdem werden ihre Bohnen im Labor getestet - auf Chemikalien-Rückstände und auf Ungezieferbefall. Esther Kimani, die Chefin von Kephis, der Behörde, die dafür zuständig ist:
"Wenn neue Schädlinge in eine Region eingeschleppt werden, sind sie gefährlicher als in ihrem natürlichen Ökosystem. Denn dort halten natürliche Feinde das Gleichgewicht aufrecht. Aber an einem neuen Ort gibt es diese Feinde nicht. Das heißt, die Schädlinge können die Umwelt und die Landwirtschaft dort zerstören. Deshalb wurden diese Regeln eingeführt."
Motten, Raupen und anderes Ungeziefer können aber auch ganz schnell zum Handelshemmnis werden, wenn man es mit der Vorsicht übertreibt. Oder wenn der Handelspartner zu groß wird. Afrikanische Schädlinge können im kalten Norden der EU kaum Schaden anrichten, im warmen Sizilien dagegen schon.
"Sobald eine Ware in der EU ankommt, kann sie überall verkauft werden. Einigen Ländern, in denen unsere Schädlinge nicht überleben können, ist das egal, sie wollen unsere Produkte haben. Aber die anderen sagen, dass wir sie gefährden. Die EU muss einen Mittelweg finden. Und das macht die Vorschriften für uns strenger. Vorher konnten wir frei in diese Länder exportieren."
EU muss Vorschriften wissenschaftlich begründen - die WTO hilft bei Konflikten
Viele afrikanische Länder klagen, dass ihre reichen Handelspartner die Schutzvorschriften mit Absicht so streng auslegen, um die afrikanische Konkurrenz von ihren Märkten fernzuhalten. Aber im Rahmen der WTO können sie sich wehren, erklärt Esther Kimani:
"Wenn die eingeführten Vorschriften nicht wissenschaftlich gerechtfertigt sind, dürfen wir sie in Frage stellen. Manchmal muss der Farmer so lange den Betrieb einstellen. Aber immerhin bietet die WTO ein Forum, in dem man solche Probleme diskutieren und den Farmer wieder in Geschäft bringen kann. Die Alternative ist, dass er den Betrieb für immer dicht machen muss."
Dass die EU nur Gemüse importiert, das wie gemalt aussehen muss, macht den Farmern ebenfalls das Leben schwer, sagt Francis Wario:
"Diese Standards machen den Marktzugang problematisch. In die EU kann man zum Beispiel nur eine Bohne verkaufen, die kerzengrade ist. Die bekommt man aber nur, wenn nie ein Insekt daran gefressen hat, nicht mal, wenn sie noch ganz klein war. Sonst wächst sie krumm. Das erhöht das Risiko, dass zu viel gespritzt wird."
Dann bleiben Rückstände in den Bohnen, und sie müssen vernichtet werden. Wird zu wenig gespritzt, sind sie genauso unverkäuflich. Das Risiko tragen in beiden Fällen die Farmer.
Jecinta Ngina stapft über eins ihrer Felder uns inspiziert die Bohnen an den kniehohen Pflanzen. Sie sind grün, saftig und kerzengrade, genau wie sie sein sollen.
Der Profit der Exportfirmen
Die werden gerade geerntet, sie sind reif, sagt sie. Hinter ihr steht ein gutes halbes Dutzend Arbeiterinnen über die Pflanzen gebeugt und pflückt. Jetzt, im Winter, wenn in Europa nichts wächst, ist die beste Zeit für den Export. Aber den Profit streichen nicht die Bauern ein, sondern die Exportfirmen, klagt die Farmerin:
"Sie kommen mit einem fertigen Vertrag und fertigen Preisen und du unterschreibst oder lässt es. Das ist sehr hart und ich finde sehr unfair, wenn die Preise steigen. Man hat einfach nichts davon. Der Preis ist vielleicht auf 60 Shilling pro Kilo festgelegt. Dann steigt er auf 150 oder 200 Schilling, also auf das Dreifache. Aber du hast ja einen Vertrag unterschrieben. Das war’s."
Jecinta Ngina hat noch Glück: Mit sechs Hektar Land gehört sie zu den Großen unter den Kleinbauern. Ihre Erträge reichen für Saatgut und Pestizide, für Zertifikate und Untersuchungen und was die Regeln sonst noch so verlangen. Esther Kimani betont, dass viele von ihnen nützlich sind für Kenia:
"Weil sie unserem Land geholfen haben, am Welthandel teilzunehmen. Kenia exportiert eine Menge Agrarprodukte, weil wir die nötige Infrastruktur aufgebaut haben, um die Regeln einzuhalten. Anders als viele andere Länder."
Die fordern von der Welthandelsorganisation seit Jahren, dass Standards so gesetzt werden, dass ihre Farmer, Milchbauern und Fischer wenigstens eine Chance haben, sie einzuhalten. Notfalls mit Hilfe der reichen Industriestaaten. Francis Wario:
"Wir wollen nicht, dass die Anforderungen gesenkt werden, weil auch wir die Lebensmittelsicherheit nicht untergraben sehen wollen. Aber wir wünschen uns, dass die EU mehr in Technologien und Infrastruktur investiert, damit unsere Produzenten die Anforderungen erfüllen können."