Literatur
Sanfelix J: Laser labelling: The branding revolution making its mark across Europe. Produce Business UK vom 02 August 2017
Pullman N: Swedish supermarkets replace sticky labels with laser marking. Guardian vom 16. Jan. 2017
Kuhnert P et al: Handbuch Lebensmittelzusatzstoffe, Behr’s, Hamburg 2017
Verordnung (EU) Nr. 510/2013 der Kommission vom 3. Juni 2013 zur Änderung der Anhänge I, II und III der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Verwendung von Eisenoxiden und -hydroxiden (E 172), Hydroxypropylmethylcellulose (E 464) und Polysorbaten (E 432-436) für die Kennzeichnung bestimmter Früchte. ABl. Nr. L 150 vom 04.06.2013 S. 17
Valero D, Serrano M: Postharvest Biology and Technology for Preserving Fruit Quality. CRC, Boca Raton 2010
Pollmer U: Reifeprüfung: Neue Techniken zur Obst- und Gemüsereifung. Deutschlandradio Mahlzeit| Beitrag vom 03.02.2008
Tattoos für Früchte
Mithilfe eines Laserstrahls lässt sich Obst und Gemüse mit wichtigen Informationen kennzeichnen. Lebensmittel zu tätowieren statt sie mit Etiketten zu bekleben, gilt als umweltfreundlich und hygienisch. Ist das wirklich so? Lebensmittelchemiker Udo Pollmer hat sich damit beschäftigt.
In Holland, England und Schweden testet der Obsthandel eine neue Art der Kennzeichnung, die ohne Etiketten auskommt: Jede einzelne Frucht trägt jetzt ein Tattoo auf der Schale. Weil das die Verbraucher offenbar gut finden, spricht die Branche bereits von einer "Revolution". Voraussetzung war ein neues Druckverfahren sowie die Zulassung einer neuen Klasse von Zusatzstoffen durch die EU: die sogenannten Kontrastverstärker.
Und so funktionieren die Obst- und Gemüsetattoos: Mittels eines Laserstrahls lässt man die oberen Zellschichten verdampfen, so verflüchtigt sich auch die natürliche Schalenfarbe. Da sich bei einigen Früchten, wie Orangen, die Schale und damit die Färbung schnell regeneriert, werden die Schriftzüge, Strichcodes und sonstigen Markierungen nach dem Lasern mit Eisenoxiden imprägniert. Das sind bewährte Lebensmittelfarbstoffe, sie liefern ockergelbe, rötliche und braune Farbtöne. Obenauf kommt eine Mixtur aus – so heißt das Zeug nun mal - aus Hydroxypropylmethylcellulose und Polysorbaten. Sie bilden einen gleichmäßigen Schutzfilm über den Schriftzug.
Zusatzstoffe, die der Verbraucher nicht erkennt
Das neue Verfahren gilt als umweltfreundlich, denn es spart Verpackungsmüll und erlaubt dennoch jede einzelne Frucht unverwechselbar zu kennzeichnen. Allerdings haben die Folien nicht nur die Funktion dem Etikett Halt zu geben, sie sollen das Produkt auch schützen. Es ist dadurch haltbarer und hygienischer. Doch diese Aufgaben fallen zunehmend anderen Stoffen zu, die der Kunde meist nicht wahrnimmt – und die ihn folglich auch nicht stören.
So ist eine ganze Schar von Überzugsmitteln zugelassen, mit denen die Früchte "gewachst" werden, wie Candelillawachs, Carnaubawachs oder mikrokristalline Wachse. Sie sorgen für eine glänzende Oberfläche und verhindern ein schnelles Austrocknen, die Früchte schrumpeln langsamer. Da diese Schutzschicht wasserabstoßend ist, lässt sie sich nicht abwaschen. Zudem enthält sie weitere Zusatzstoffe, vor allem sogenannte Spreitmittel wie Polysorbate, damit das Wachs auch gleichmäßig dünne Schichten bildet.
Dazu kommen Stoffe, die die Haltbarkeit der empfindlichen Ware verbessern wie Antioxidantien oder Fungizide. Besonders wichtig sind Substanzen, die die Reifung entweder bremsen oder beschleunigen. Man denke nur an die Bananenreifereien, die aus Gründen der Transportstabilität die Bananen grün geliefert bekommen, und die sie entsprechend den Wünschen des Handels termingenau reifen lassen.
Fehlender Warnhinweis auf der Obstschale
Hervorzuheben ist eine Substanz namens Methylcyclopropen. Sie ähnelt dem Reifungshormon Ethylen. Methylcyclopropen blockiert an der Frucht die Ethylen-Rezeptoren. Damit wird die Reifung für ca. 14 Tage vollständig unterbrochen – ohne jeden Qualitätsverlust. Dies hat die Energiebilanz des Obstimportes enorm verbessert – längere Transportzeiten erlauben es, die Südfrüchte nicht mehr mit dem Flieger nach Deutschland zu bringen, sondern per Schiff. Wenn man jedoch bedenkt, dass die meisten Früchte kalorienarm sind, dann ist der Import von Obst im Vergleich zu argentinischen Rinderhälften oder Reis allerdings immer noch umweltschädlich.
Wir produzieren nur einen unbedeutenden Anteil an Obst im eigenen Lande, das allermeiste wird aus anderen Klimazonen importiert und noch dazu das ganze Jahr über. Das ist ohne die Segnungen des technischen Fortschrittes in Deutschland nicht zu haben. Für Frischobst betreiben wir heute einen Aufwand, der in Hinblick auf die eingesetzte Chemie in keiner Weise irgendeinem als "Chemiefraß" geschmähtem Fastfood nachsteht.
Zu allem Überfluss werden heute sogar die Schalen von Mangos, Bananen und Orangen für Smoothies verwendet. Da die Zulassung der zahlreichen Fruchtbehandlungsmittel auf der irrigen Annahme beruht, es würde schon niemand derartige Schalen verzehren, sollte, wie bei manchen Käserinden auch bei Obst der Hinweis nicht fehlen: "Schale nicht zum Verzehr geeignet". Zudem stecken in der Schale von Obst und Gemüse – im Gegensatz zur Käserinde - von Natur aus reichlich Abwehrstoffe gegen Fraßfeinde. Und das Zeug gehört bekanntlich in die Biotonne. Mahlzeit!