Kerstin Preiwuß, Nach Onkalo
Berlin Verlag, 240 Seiten, 20 Euro
Verlorene Seelen in einer abgewickelten Provinz
Wenn eine Lyrikerin einen Roman schreibt, wird sie vermutlich der Sprache eine Art Eigenleben zugestehen. Das jedenfalls macht die Autorin Kerstin Preiwuß in "Nach Onkalo". In dem Buch gibt sie einem 40-jährigen Mann, der ein "einfaches Gemüt" und ohne rechtes Ziel ist, eine Stimme.
Kerstin Preiwuß hat ihren ersten Gedichtband 2006 in Leipzig veröffentlicht. Ihr Debütroman "Restwärme" von 2014 spielt in der mecklenburgischen Provinz – in einem kaputten, traumatisierten und traumatisierenden Familienkosmos. Die Region ist auch Schauplatz des neuen Romans "Nach Onkalo" – eine triste Welt "in Abwicklung", bevölkert von verlorenen Seelen.
Im Mittelpunkt steht der 40-jährige Matuschek, dem nach dem Tod der Mutter das Leben allmählich entgleitet, das kurze Versprechen der Liebe ebenso wie der Job und die Energie, sich weiter um seine Tauben zu kümmern. Lakonisch und zärtlich erzählt Kerstin Preiwuß vom Überlebenskampf ihres sprachlosen Protagonisten und zeigt uns die Welt der Abgehängten in Nahaufnahme.
"Eine Sprache in den Grenzen seiner Welt"
"Ich bin eigentlich Lyrikerin, doch dieser Matuschek war eine Figur, von der sich dachte, der kann ich eine Geschichte geben", sagt Kerstin Preiwuß im Interview mit Deutschlandradio Kultur. Matuschek sei ein "einfacher Mann" und ein "einfaches Gemüt", der im Hinterland lebe.
"Instinktiv weiß er, er ist jemand für die kleinen Stücke vom Kuchen - vielleicht auch nur für die Krümel."
Diese Figur, die lebt und erlebt, aber nicht gelernt hat reflektieren, entwickelt die Autorin vor allem aus der Sprache:
"Und eine andere Sprache konnte ich mir nicht vorstellen als die, die in den Grenzen seiner Welt lag."
Dass es einen Mangel in seinem Leben gebe, empfinde Matuschek selbst vielleicht gar nicht so, meint Preiwuß und lässt ihn sagen: "Man gewöhnt sich an alles - auch an das, was fehlt."
Ein Vorbild sei für sie Albert Camus' "Mythos von Sisyphos" gewesen, sagt die Schriftstellerin. Der Moment, wenn der Stein vom Berg rollt und Sisyphos weiß, dass er runtergehen wird, um ihn zu holen, habe sie beim Schreiben begleitet.