Die Politik drückt sich vor der Systemfrage
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Juso-Chef Kevin Kühnert hat einige kapitalistische Glaubenssätze in Frage gestellt - und erntet jede Menge Kritik aus allen Richtungen. Frank Adloff verteidigt Kühnert hingegen: Seine Vorschläge seien zeitgemäß, findet der Hamburger Soziologe.
Juso-Chef Kevin Kühnert hat mit einem Interview in der Wochenzeitung "Die Zeit" Schlagzeilen produziert. Und jede Menge Kritik und sogar Häme auf sich gezogen, auch aus der eigenen Partei. Zwei Vorschläge von ihm standen dabei im Fokus: Die Kollektivierung von Großkonzernen wie BMW. Und ein radikaler Eingriff in den Wohnungsmarkt: Jeder solle nur noch die Wohnung besitzen dürfen, in der er auch tatsächlich wohne, hatte Kühnert gesagt.
Es sei schockierend, wie "schablonenhaft" die darauf folgenden öffentlichen Reaktionen in Politik und Medien gewesen seien, sagte der Hamburger Soziologe Frank Adloff im Deutschlandfunk Kultur. Kühnerts Vorschläge seien nicht nur diskussionswürdig, sondern auch "an der Zeit", betonte er. Im Moment sei aber wegen der Reaktionen gar keine Diskussion möglich.
Die Politik macht einfach weiter
"Markt und Privateigentum versus Planung und Staatseigentum" sei nicht die einzige Alternative, führte Adloff weiter aus. Es könne Mischverhältnisse geben - zum Beispiel, wie es Kühnert vorgeschlagen habe, dass Konzerne eben den Mitarbeitern gehörten.
Die Systemfrage werde im wissenschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Bereich wieder vermehrt diskutiert, sagte Adloff. Das sei allerdings im politischen Raum noch nicht wirklich angekommen. Dort glaube man immer noch, mit den bisherigen Mitteln weitermachen zu können, kritisierte der Soziologe.
(ahe)