Künstliche Intelligenz
In Tokio stellte Fujitsu auf der Ceatec International im Oktober eine KI-Technologie vor, die beim Basketball Würfe analysiert und vergleicht © picture alliance / dpa / Jiji Press / Shun Kato
Neue Möglichkeiten im Sport
06:34 Minuten
KI breitet sich immer mehr aus. Im Sport wird sie zur Analyse und zum Scouting genutzt. Der japanische Fujitsu-Konzern untersützt die Basketballerinnen seines Werksteams bereits mit entsprechender Software im Training.
Yosuke Nagai hat gerade einen Ball Richtung Korb geworfen. Daneben. Nun steht er da und hört sich von einer automatischen Stimme an, wie er es hätte besser machen können. Der 43-jährige Hobbybasketballer möge sich doch ein Beispiel an Yuki Miyazawa nehmen. Auf einer großen Videowand ist die Basketballerin des japanischen Erstligisten Fujitsu Red Wave abgebildet – die den Ball mit geschmeidigen Bewegungen in den Korb wirft. Was hat die Profispielerin Miyazawa anders gemacht als der Amateur Yosuke Nagai? Die Autostimme erklärt: Im Gegensatz zu Nagai hatte Miyazawa im Moment der Ballabgabe zwischen Körperachse und Wurfarm einen Winkel von 15 Grad. Geworfen habe sie aber nicht nur mit ihrem Arm, sondern mit voller Körperspannung.
Als Yosuke Nagai das hört, nickt er zufrieden. Auf einem lärmigen Messegelände im Osten von Tokio sagt der Amateur: „Das hilft schon, wenn man seine eigene Körperhaltung sieht und die dann gleich korrigiert wird. Als ich früher als Kind trainierte, gab es so was natürlich nicht. Mein Schullehrer hat zwar auch gesagt, wir sollen Spannung im Körper halten. Aber viel darunter vorstellen konnte ich mir damals nicht.“ Das könnte sich für den Nachwuchs von heute ändern, glaubt Yosuke Nagai. Und viele der Besuchenden bei der Messe CEATEC scheinen das ähnlich zu sehen.
Schnelles Feedback
Denn bei der größten Technologiemesse Japans ist der Andrang an diesen Stand, wo die Leute unter anderem ihre Basketballfähigkeiten prüfen lassen können, besonders groß. Der Multikonzern Fujitsu zeigt hier einige seiner jüngsten Entwicklungen, mit denen er in den kommenden Jahren Geld verdienen will. Dies betrifft vor allem die Bereiche Gesundheit und Sport. Denn hier sehe man für Künstliche Intelligenz – oder KI – besonders viel Potenzial. Hidetoshi Tomisaka, Sprecher von Fujitsu, sagt am Rande des Ausstellungsstands: „Im Leistungssport hat es bisher zwar auch schon Videoanalysen für das Training gegeben. Aber wir haben eine KI entwickelt, die erstens sehr schnell arbeitet. Man erhält sein Feedback nicht wie früher nach stundenlanger manueller Auswertung, sondern praktisch sofort. Und zweitens reicht für unsere Software eine normale Smartphone-Kamera aus. Teure Ausrüstung ist also gar nicht mehr nötig!“
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten
Tomisaka deutet damit an, an wen sich Fujitsu mit seiner Entwicklung richtet: Es geht um den Schulsport, den Nachwuchs im Leistungssport, aber auch den Profisport. Denn Bewegungsabläufe ließen sich überall optimieren. In der ersten Basketballliga der Frauen in Japan setzt Fujitsu das System nun für das konzerneigene Team Red Wave ein: „Das Feedback, das die KI gibt, ist sehr effizient. Wir erwarten, dass unsere Spielerinnen dadurch noch einen Tick besser in ihren Würfen werden können.“ Künstliche Intelligenz breitet sich seit einigen Jahren in vielen Gesellschaftsbereichen aus. Auch im Sport ist sie schon vertreten.
Fehlerfreie Bewertung
Im Fußball etwa ist der englische Klub Brighton & Hove Albion dafür bekannt, KI für sein Scouting und die Spielanalyse zu verwenden. Je mehr Daten, desto besser die KI. Fujitsu unterstützt mit seiner KI namens Judging Support System seit 2019 auch die Arbeit von Jurorinnen bei Turnieren des Weltturnverbands – inklusive der WM. Hidenori Fujiwara, der bei Fujitsu die Abteilung „Human Digital Twin“ leitet, sagt: „Beim Turnen kann unsere KI eigentlich alles bewerten: Sie erkennt den Namen einer durchgeführten Figur, ihren Schwierigkeitsgrad und die Qualität der Ausführung. Indem unsere KI objektiv bewertet und dabei keinen Fehler macht, kann auch das Publikum besser nachvollziehen, warum der eine mehr Punkte erhält als der andere.“
Potenzieller Milliardenmarkt
Aber wie vielversprechend ist der Einsatz von KI im Sport wirklich? Daniel Memmert, Professor für Trainingswissenschaften an der Deutschen Sporthochschule Köln, sieht vor allem bei Juroren Potenzial. Denn Menschen machen Fehler: „Es gibt tatsächlich schöne Studien im Bereich der Sportpsychologie, die sehr schön zeigen, dass wir einen Kalibrierungseffekt haben. Das heißt, dass zu Beginn einer Reihe von Evaluationen, dass da zu Beginn erst mal nach der Mitte beurteilt wird. Das heißt, dass noch nicht ganz schlecht und nicht ganz gute Haltungsnoten vergeben werden, sondern dass man sich erst mal eher an der Mitte orientiert. Das ist deshalb so, weil die Jury ja gar nicht weiß tatsächlich, ob es dann nicht doch noch Stärkere gibt.“
Treten Turnerinnen nacheinander an, haben also diejenigen, die zum Schluss dran sind, bessere Chancen auf den Sieg – schlicht, weil die Jury deren Leistungen dann besser einschätzen kann. Eine KI aber bräuchte diesen Vergleich nicht. Beim Training wiederum sieht Memmert weniger Chancen für KI: „Wenn wir uns die Technik anschauen, also technische Abläufe, dann muss man erst mal wissen, dass es nicht die ideale Technik gibt. Die besten Sportler der Welt sind nicht in der Lage, ihre eigene Bewegung in derselben Situation zu hundert Prozent zu replizieren.“ So ist Memmert für das Training skeptisch: „Ich weiß gar nicht, ob das so eine gute Idee ist: Denn was ist der Goldstandard? Jeder Mensch hat andere Körpermaße, verschieden groß, unterschiedliche Muskelzusammensetzungen. Das ist schon sehr, sehr divers.“
US-Baseball interessiert
Wird der Einsatz von KI also auf solche Sportarten beschränkt bleiben, wo Juroren zum Einsatz kommen? Bei Fujitsu glaubt man das trotzdem nicht. Hidetoshi Fujiwara sagt: „Wir suchen schon nach idealen Typen. Wir wollen aber auch flexibel sein. Mit der Zunahme von Datenverfügbarkeit kann dies gelingen. Im Moment führen wir Gespräche mit Klubs der amerikanischen Baseballliga. Auch um bei Schlägen die Verletzungsgefahr zu reduzieren. Auch beim Fußball sind wir aktiv.“ Und falls sich das Prinzip KI im Profisport nicht durchsetzt, bleibt der Nachwuchs- und Amateursport, wo die Übenden oft noch ganz Grundsätzliches lernen müssen.