Kickende Maschinen

Von Ralf Krauter |
Fußball ist nicht nur für Sportfans faszinierend, sondern auch für Programmierer. Denn das Kicken stellt höchste Anforderungen an Hard- und Software. Zur diesjährigen Fußball-Weltmeisterschaft der Roboter, kurz RoboCup, trafen sich 2300 Experten aus über 40 Ländern.
Das Spiel beginnt. Drei gegen drei, auf einem grünen Feld vom Format eines Wohnzimmerteppichs. Die blauen Spieler sind von der Universität Bremen. Ihre baugleichen roten Gegner wurden von chinesischen Informatikern programmiert. Mit dem Laufen tun sich alle noch schwer. Schleppenden Schrittes schleichen die kniehohen Kerlchen über den grünen Filz. Die roten Spieler stolpern desorientiert herum. Der Bremer Stürmer dagegen hat den orangefarbenen Ball entdeckt und schlurft zielstrebig darauf zu. Surrende Elektromotoren schieben seine Hüfte in Schussposition, er verlagert das Gewicht aufs linke Bein, streckt den linken Arm aus und schießt. Der rote Torhüter macht keinen Mucks. 1:0 für Bremen. Und es wird nicht das letzte Tor für die Blauen gewesen sein.

Das Zuschauen ist amüsant. Die Plastikmännchen mit ihren Dutzenden Motoren bewegen sich so tapsig wie Kleinkinder, die eben Laufen gelernt haben. Weil die rund 100 in Graz versammelten zweibeinigen Kicker der sogenannten Standard-Plattform-Liga alle vom selben Hersteller stammen, entscheidet allein ihre Programmierung, welches Team die Nase vorn hat.

Ganz anders bei der sogenannten Mid-Size-Liga der rollenden Roboter. Deren Entwickler haben Jahre an der Hardware ihrer Maschinen gefeilt, um Kamerasysteme und Schussvorrichtungen für den rauen Einsatz auf dem Spielfeld zu optimieren. Kai Häussermann vom Team der Universität Stuttgart kniet mit einem Laptop am Rand des Spielfelds und legt einem der schwarzen Roboter einen der orangefarbenen Bälle vor die Räder. Noch fünf Minuten bis zum Anpfiff des Spiels gegen eine Mannschaft aus Japan.

"Momentan versuche ich die Kalibrierung zu machen. Also die Kamera-Kalibrierung, damit er während dem Spiel den Ball erkennt, sich lokalisieren kann auf dem Feld. Und dazu muss man eben die Farben anpassen."

Die hüfthohen Maschinen spielen mit einem richtigen Fifa-Leder, fünf gegen fünf, auf einem Feld halb so groß wie ein Tennisplatz.
Nach dem Anstoß sind die Robokicker völlig auf sich gestellt - und es geht richtig zur Sache. Mit bis zu vier Metern pro Sekunde rauschen sie übers Feld, angetrieben von jeweils vier Elektromotoren. Zusammenstöße sind selten, führen aber schon mal dazu, dass ein Spieler vorzeitig vom Platz muss. Die Roboter erkennen den Ball und positionieren sich wie von Geisterhand bewegt zu Abwehr- und Angriffsformationen. Wenn ein Gegner den Weg zum Tor versperrt, wird er umdribbelt oder der Ball einfach über seinen Kopf gelupft. Die kräftigen Schussvorrichtungen erlauben inzwischen Schüsse über zwölf Meter.

Für den amtierenden deutschen Meister sind die Japaner dieses Jahr kein ernst zu nehmender Gegner. Uwe-Philipp Keppeler vom Team Stuttgart zieht nach dem Spiel zufrieden Bilanz.

"Wir hatten gestern noch einige Probleme. Das haben wir jetzt alles ausgebügelt. Es lief sehr rund. Die Erkennung des Balls und der Umgebung hat sehr gut funktioniert. Und dass wir schneller waren als der Gegner hat sich auch bezahlt gemacht. Mit einem Ergebnis von 11:0 – da können wir uns nicht beschweren."

Die Idee hinter dem alljährlichen Kräftemessen der Kick-Roboter ist simpel: Wer Fußball spielen kann, muss allerhand auf dem Kasten haben. Das Spiel ist schnell, komplex und dynamisch. Es erfordert rasche Auffassungsgabe, Geschick und Kooperation. Alles Eigenschaften, die auch anderswo gefragt sind. Weshalb sich die Fußballarena in den vergangenen zehn Jahren zu einer der Drehscheiben für die Entwicklung intelligenter Roboter entwickelt hat. Erklärt RoboCup-Präsidentin Professor Manuela Veloso von der Universität Pittsburgh.

"Viele der Algorithmen, die entwickelt wurden, um Roboter in die Lage zu versetzen, Fußball zu spielen, werden inzwischen ganz woanders eingesetzt. Es sind Computerprogramme, die es Maschinen ermöglichen, dynamisch auf Veränderungen in ihrer Umgebung zu reagieren, eigene Handlungen zu planen, und ihre Aktionen zu koordinieren."

Deshalb wird bei der Fußball-Weltmeisterschaft der Roboter auch längst nicht mehr nur gekickt. Auch für elektronische Haushaltshelfer und für Rettungsroboter gibt es inzwischen eigene Wettbewerbe.

Die elektronischen Butler müssen ohne anzuecken durch eine nach gebaute Wohnung rollen, herunter gefallene Sofakissen umfahren, Gäste begrüßen und ihnen Getränke reichen.
Die Rettungsroboter müssen in 20-minütigen Missionen einen labyrinth-artigen Parcours erkunden. Beheizte Puppen, versteckt in schwer zugänglichen Nischen, simulieren Verletzte, die nach einem Erdbeben in einem einsturzgefährdeten Gebäude liegen. Die Roboter sollen sie aufspüren und den Rettungskräften ihre genaue Position übermitteln. Weil das Terrain dieses Jahr ziemlich unwegsam ist, eine enorme Herausforderung, erklärt Johannes Pellenz von der Universität Koblenz, deren Erkundungsroboter während der Vorrunde auf der Strecke blieb.

"Wir hatten jetzt etwas Schwierigkeiten mit den neuen Gegebenheiten in der Arena. Die Rampen sind etwas steiler geworden, als wir’s jetzt erlebt hatten bei den deutschen Meisterschaften, wo wir noch sehr gut abgeschnitten hatten, mit dem ersten Platz. Jetzt hatten wir das Problem, dass durch diese neuen Gegebenheiten der Roboter einfach nicht mehr dahin fahren konnte, wo die Opfer sind. Und von daher auch die schönen Algorithmen, die dann auch die Opfer finden, gar nicht mehr funktionieren konnten."

Aber: Dabei sein ist alles beim RoboCup. Oder wie heißt es so schön: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Der nächste Wettbewerb kommt bestimmt. Und dank verbessertem Gerät und optimierter Software werden die Karten jedes Jahr wieder neu gemischt.