Kiesewetter fordert bewaffnete Drohnen

Moderation: Marietta Schwarz |
Bewaffnete Drohnen könnten den Schutz deutscher Soldaten in Einsatzgebieten verbessern, meint Roderich Kiesewetter (CDU), Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und Präsident des Reservistenverbandes. Er räumte allerdings ein, dass dadurch die Schwelle für einen Militäreinsatz sinken könne.
Marietta Schwarz: Raubtier, Reiher oder Sensenmann - die Namen könnten aus einem Computerspiel stammen, aber sie gehören inzwischen zum, ja, realen Kriegsvokabular, denn es handelt sich dabei um sogenannte Kampfdrohnen: ferngesteuerte bewaffnete Flugzeuge, wie sie zum Beispiel schon von den USA im Kampf gegen den weltweiten Terrorismus eingesetzt werden.

Auch die Bundeswehr plant ein solches System anzuschaffen, unbemannte Drohnen seien das Mittel der militärischen Luftfahrt der Zukunft, heißt es aus dem Verteidigungsministerium. Verteidigungsminister de Maizière hat damit eine Diskussion angestoßen, denn völkerrechtlich sind bewaffnete Drohnen höchst umstritten. Am Telefon ist Roderich Kiesewetter, CDU-Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, Oberst a. D. und Vorsitzender des Reservistenverbandes. Guten Morgen, Herr Kiesewetter!

Roderich Kiesewetter: Guten Morgen, Frau Schwarz!

Schwarz: Ja, braucht die Bundeswehr solche Kampfdrohnen, Herr Kiesewetter?

Kiesewetter: Also zunächst einmal hat ja die Bundeswehr bereits Drohnen in Afghanistan im Einsatz, die sind unbewaffnet - zurzeit israelische Drohnen vom Typ Heron, und in zwei oder drei Jahren wird das sein vom Typ Predator. Aber die Kernfrage ist ab 2018, wo wir ein gemeinsames französisch-deutsches System entwickeln wollen und einführen wollen, müssen diese bewaffnet sein. Ich sage ganz offen, ja, je vielseitiger die Drohnen einsetzbar sind, umso besser der Schutz deutscher Soldaten. Und wir müssen uns auch gewiss sein, andere Staaten sind in einem Beschaffungsprozess bereits. Mir geht es nur darum, dass wir sie völkerrechtlich eindeutig prüfen, und hier ist bereits eine völkerrechtliche Prüfung im Verteidigungsministerium erfolgt.

Schwarz: Das Pentagon verfügt inzwischen über 10.000 solcher unbemannten Drohnen, das heißt also, andere Regierungen stehen da unter Druck, egal, ob sie wollen oder nicht?

Kiesewetter: Nein, wir stehen da nicht unter Druck, sondern wir haben mit den Aufklärungsdrohnen in Afghanistan sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Frage ist aber, wenn man gute Aufklärungsergebnisse hat, sprich, Kombattanten, also Kämpfer, die verbotswidrig handeln, entdeckt, ob man dann noch sehr aufwändig Kampftruppen vor Ort schafft oder ob man sie nicht direkt aus der Luft bekämpft. Das ist die Kernfrage, und die muss gelöst werden.

Schwarz: Ja, wie hat man sich das denn jetzt im Einsatz vorzustellen? Der Schütze, der eine Drohne zum Beispiel am Hindukusch steuert, der sitzt ja jetzt nicht im Bundeswehrlager in Mazar-i-Scharif, sondern vielleicht viel, viel weiter weg.

Kiesewetter: Also zunächst einmal ist ganz wichtig, dass dies ausgebildete Piloten sind, die die Drohnen bedienen. Das sind also nicht freiwillig Wehrdienstleistende, sondern über Jahrzehnte erfahrene Berufssoldaten. Zweitens sind diese alle völkerrechtlich geschult, und drittens geht es schon darum, dass wir auch Einsatzregeln definieren, wenn Deutschland je über bewaffnete Drohnen verfügen sollte, sodass klar ist, dass wir keine völkerrechtlichen Verstöße machen. Aber dazu sind noch einige Jahre zeit - etwa sechs -, und das ist ganz gut, dass wir uns auch im Parlament damit beschäftigen.

Schwarz: Jetzt lässt sich per Satellit ja nicht verhindern, dass unbeteiligte verletzt oder getötet werden. Viele sagen genau deshalb, dass der Einsatz ganz klar gegen die Genfer Konventionen verstößt.

Kiesewetter: Das muss geprüft werden. Aus heutiger Sicht verstößt der Einsatz nicht dagegen, der Technikfolgenbericht eines Ausschusses aus dem Bundestag, der für Forschung, Bildung und Technologie, stellt dem Gesetzgeber genau diese Fragen, dass das zu klären ist, und da die Bundeswehr ja nicht über solche Systeme verfügt, sondern gemeinsam mit Frankreich solche Systeme plant zu beschaffen, haben wir jetzt alle Zeit der Welt, das im politischen, aber auch im Prozess des Verteidigungsministeriums, sauber abzustimmen.

Schwarz: Aber man kann ja, wenn man nicht auf die Bundeswehr guckt, mal auf andere Länder gucken. In Pakistan sind bei über 340 Angriffen durch die USA über 3.000 Menschen ums Leben gekommen, davon 880 Zivilisten. Also das ist ganz offensichtlich, dass man da vielleicht weniger unter Kontrolle hat, als man glaubt.

Kiesewetter: Also zunächst einmal setzt Deutschland diese ja nicht aktiv ein. Die Amerikaner setzen die auch nicht im Bereich der NATO- oder der ISAF-Mission ein, sondern national. Wir sind da mit ihnen in Gesprächen und teilen auch nicht alles, allerdings sage ich auch ganz offen, wenn wir solche Systeme beschaffen sollten, wird sich Deutschland völkerrechtlich an die Bestimmungen halten, die das Genfer Zusatzprotokoll vorsieht, außerdem ist das alles schon in den Prüfungen, und das wird auch bei der Beschaffungspolitik berücksichtigt.

Nur, wichtig ist für uns, dass deutsche Soldaten im Einsatz besser geschützt sind, und es gilt dann eben auch, ganz klar zu prüfen, wofür werden diese Drohnen eingesetzt, wenn wir sie haben. Das ist ja alles noch nicht sicher, der Bundestag hat ja der Beschaffung der Drohnen noch nicht zugestimmt, das muss ja der Haushaltsausschuss machen. Und deswegen halte ich schon für wichtig, dass wir die nächsten Jahre nutzen für einen entsprechenden Dialog in der Gesellschaft, aber vor allen Dingen auch im Parlament.

Schwarz: Aber Sie, Herr Kiesewetter, haben ja sicher auch eine Meinung dazu. Also was dürfen denn Drohnen Ihrer Meinung nach nicht?

Kiesewetter: Zunächst einmal, es gibt keine guten oder schlechten Waffen, es gibt immer nur Menschen, die sie einsetzen. Hier sind ganz klare Einsatzregeln zu machen, das heißt also, sobald die Ziele unklar sind, dürfen sie nicht eingesetzt werden. Wenn Aufklärung vor Ort nicht möglich ist und solche Zielanfragen nicht bestätigen kann, sollten sie nicht eingesetzt werden. Sie sollten aber dann eingesetzt werden, wenn Ziele einwandfrei definiert sind, und das müssen ja nicht immer Menschen sein, sondern das können auch entsprechende Übergänge sein, das könnten Brücken sein, das könnten Kommunikationseinrichtungen sein, und das ist ja alles im Rahmen eines völkerrechtlichen, abgestimmten Prozesses mit den Vereinten Nationen, also es liegt ein UN-Mandat vor. Ohne ein UN-Mandat und ohne Bündnispartner setzt Deutschland sowieso keine Streitkräfte ein.

Schwarz: Herr Kiesewetter, Sie haben - und das kann man ja sehr gut nachvollziehen - dieses Argument genannt, dass durch solche Kampfdrohnen das Risiko für die eigene Truppe niedriger wird. Aber sinkt damit nicht auch die Schwelle für einen militärischen Einsatz?

Kiesewetter: Das müssen wir verhindern, ich sehe die Herausforderung wie Sie. Es kann nicht sein, dass die Einsätzler morgens zur Arbeit gehen wie andere in ihren Betrieb und abends nach Hause kommen und dann zählen, wie viele Drohneneinsätze sie hatten, sondern sie müssen unter den gleichen Einsatzregeln sein wie diejenigen, die im Einsatzgebiet sind. Und hier ist zu prüfen, ob nicht solche Einsätze direkt auch vor Ort stattfinden, sprich, keine Fernsteuerung aus Europa, sondern um auch die persönliche Betroffenheit deutlich zu machen, dass dies entsprechend in den Einsatzgebieten ist. Aber das lässt sich ausgestalten, darüber kann man reden. Wichtig ist erst einmal der politische Wille, brauchen wir die Drohnen - offensichtlich ist das der Fall -, und jetzt geht es daran, saubere Einsatzregeln - und das betone ich - eindeutige Einsatzregeln, die zivile Kollateralschäden vermeiden, zu definieren.

Schwarz: Also noch viel Gesprächsbedarf. Danke, Herr Kiesewetter!

Kiesewetter: Gerne!

Schwarz: Das war Roderich Kiesewetter, CDU-Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, Oberst a. D. und Vorsitzender des Reservistenverbandes. Und das Interview haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


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