"Kinder-Chats sollten zertifiziert werden"
Ein Experiment hat es wieder einmal bestätigt: Chaträume für Kinder werden häufig für sexuelle Übergriffe missbraucht. Verena Delius, Chefin der Kinder-Plattform Panfu.de, erläutert, warum sie Chats für Kinder wichtig findet und wie sie gegen Übergriffe vorgeht.
Britta Bürger: Ja, wir wollen noch mal darauf eingehen, was die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" ans Licht gebracht hat, nämlich wie direkt Kinder in Internetchatrooms, die sie für einen ungefährlichen Spielplatz halten, von Pädophilen zu sexuellen Handlungen aufgefordert werden. Die Kinder sollen sich ausziehen, selbst befriedigen und auf Fragen antworten, die ich, auch wenn das unangenehm ist, jetzt zitieren möchte, damit man kapiert, wie drastisch es dort zugeht: In den schlimmsten Fällen werden Zehn- bis Zwölfjährige nämlich gefragt "Gefällt dir mein Schwanz", oder "Willst du sehen, wenn das Sperma spritzt".
Nachdem wir gestern hier im "Radiofeuilleton" mit Verena Weigand gesprochen haben, Referentin für Jugendschutz der Bayrischen Landeszentrale für neue Medien, ist heute Verena Delius zu uns gekommen, die selbst eine Internetplattform betreibt, in der Kinder chatten können, das als seriös geltende Portal Panfu.de. Guten Morgen, Frau Delius!
Verena Delius: Guten Morgen!
Bürger: Inwieweit deckt sich das, was jetzt veröffentlicht wurde, auch mit Ihren eigenen Erfahrungen?
Delius: Also ich glaube, Kinderchats oder Anbieter von Kinderchats haben einfach eine riesengroße Verantwortung. Ich bin selber Mutter von zwei Kindern, die sind noch zu klein, aber mein Anspruch ist es, einen Chat anzubieten, wo meine Kinder irgendwann sich auch aufhalten dürfen. Und ich glaube, man kann gar nicht genug machen, und trotzdem kann man eben nicht alles absichern. Also um mal zu erzählen, wie das bei uns funktioniert: Wir haben eine Black List, dass eben die Begriffe, die Sie eben zitiert haben, gar nicht erst die Kinder erreichen, gar nicht erst angezeigt werden. Es sitzen neun Moderatoren vor diesem Chat und lesen den Chat mit. Es gibt Meldebutton und Ignore-Funktion, und trotzdem können wir nicht alles sicherstellen, wie der Artikel gezeigt hat, aber wir können zumindest drauf reagieren.
Bürger: Was sind das für Wörter, die da auf diesem Index stehen?
Delius: Das sind über 5.000 Wörter, und wenn man die liest, wird einem schlecht. Das ist wirklich alles in allen Falschschreibweisen, alle sexuellen Begriffe, alle fremdenfeindlichen Begriffe, alles, was man sich vorstellen will, was man einfach Kindern auf keinen Fall überhaupt erst anzeigen möchte.
Bürger: Aber es rutschen eben auch Begriffe durch, zum Beispiel – das hat die "FAS" geschrieben – SB, das war auf Ihrem Portal, stand für Selbstbefriedigung, und stand eben noch nicht auf dieser Liste.
Delius: Genau, SB – mit den Abkürzungen ist das Problem, wenn man ja zum Beispiel SB nimmt, dann ist das eben auch in Eisbein drin, da ist auch ein SB drin. Das heißt, die Filter können natürlich nur auf alle Falschschreibweisen und Wörter reagieren, deswegen haben wir die Moderatoren. Und in dem Fall der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ist dieserjenige mit dem SB anderthalb Minuten nach dieser Konversation vom Moderator geblockt worden und aus dem Chat herausgeschmissen worden. Aber da kann man eben immer dann erst im Nachhinein drauf reagieren. Da ist es natürlich unser Anspruch, hinterherzukommen, auch bei den Abkürzungen, aber da gibt es eben jeden Tag neue, und morgen ist dann eben OS Oralsex, und dann muss man eben da immer wieder nachrüsten diese Black List und eben aber wirkliche Menschen vor den Geräten sitzen haben, die mit überprüfen und den Chat sicher machen.
Bürger: Das sind diese sogenannten Moderatoren, also im Grunde Administratoren oder Kontrolleure. Lesen die tatsächlich jeden Chat mit und wissen, die Kinder das? Ist das ersichtlich, dass dort mitgelesen wird?
Delius: Ja, das wissen die Kinder, wir haben ein ganz festes System: Die Moderatoren loggen sich ein und sagen, so, ich bin jetzt da. Es sind immer drei Moderatoren pro Schicht gemeinsam vorm Rechner, weil es so viele Chatmessages sind. Und wenn man die Schicht beendet hat, dann muss man erst warten, dass der Anschlussmoderator schon da ist und gesagt hat: Hallo, ich bin da, du kannst jetzt offline gehen. Also es gibt niemals irgendeine Minute, wo keiner den Chat mitliest, und die Moderatoren haben mehrere Maßnahmen, die können also jemanden für 15 Sekunden oder 30 Sekunden sperren bei kleinen Vergehen – wenn einer sagt, du nervst mich, geh weg hier –, dann kommt eine Nachricht – wir wollen uns hier alle gut benehmen und nett zueinander sein –, bis hin zu den Mitglieds-Account komplett sperren bei schweren Vergehen, dass der User sich überhaupt nicht mehr einloggen kann.
Bürger: Diese ganze Debatte schärft ja das Misstrauen gegenüber solchen Chatrooms für Kinder, und vermutlich stellen sich viele die Frage, die Verena Weigand gestern hier im "Radiofeuilleton" formuliert hat:
Verena Weigand: "Man muss sich die Frage stellen: Ist es überhaupt notwendig, dass Kinder im Alter von Zehn oder Zwölf überhaupt in Chatrooms gehen? Was gibt es da eigentlich für einen Grund, dass sie mit völlig Fremden Kontakt aufnehmen und sich dort unterhalten? Dass Kinder das wollen, ist eine ganz andere Geschichte, wenn es andere machen, wollen sie es natürlich auch, aber warum ist das notwendig? Da würde ich zunächst mal versuchen, mit Kindern darüber zu sprechen, ob es nicht ausreicht, sich mit den realen Freunden und Freundinnen zu vernetzen und mit denen zum Beispiel über Mail oder andere Möglichkeiten sich zu unterhalten und eben nicht in diese öffentlichen Chatrooms zu gehen."
Bürger: Ja, Frau Delius, auch Ihr Portal ist ja keine Sozialarbeit, das ist ein profitorientiertes Unternehmen, deshalb frage ich Sie jetzt als Geschäftsführerin von panfu.de und aber auch als Mutter von zwei Kindern, warum brauchen zehn- bis zwölfjährige Kinder Chatrooms?
Delius: Die brauchen Chatrooms, weil sie chatten wollen, und das ist natürlich toll, was Frau Weigand da sagt: Aus brauchen wir das überhaupt, und lass uns doch mit den Kindern reden, und sagen, hört doch mal lieber auf zu chatten und trefft doch lieber eure Freunde auf dem Schulhof. Aber so sind Kinder nicht, wenn man Kinder heute beobachtet, dann haben die ihr Mobiltelefon, dann chatten die, dann lieben die die virtuellen Welten und das Internet. Ich sehe viel mehr die Verantwortung der Schulen, Eltern und Anbieter, zu sagen, wie führen wir unsere Kinder da so ran, dass die wissen, welche Gefahren da lauern, dass die wissen, wie sie sich in solchen Welten verhalten, und ich glaube, ein Verbot oder liebe Kinder, geht nicht mehr auf Chatforen, die finden ihren Weg, und dann gehen sie auf Foren, die nicht sicher sind, die nicht moderiert sind. Also ich habe mir diese Gewissensfrage gestellt am Sonntag: Sollten wir, wenn ich es heute entscheiden dürfte, eigentlich zumachen und sagen, warum bieten wir eigentlich so was an? Aber wir sind bei uns, bei uns sind es Pandas ohne echte Namen, ohne Adresse, ohne Skype, ohne irgendwelchen Kontakt zur Außenwelt. Also wenn mein elfjähriges Kind chatten möchte, dann am liebsten anonym als Panda mit Moderatoren vor dem Bildschirm, statt eben auf den ganzen anderen Portalen, wo es weitaus weniger Sicherheitsvorkehrungen gibt.
Bürger: Das muss man vielleicht noch kurz erklären, also, wenn man sich bei Ihnen einklickt, dann verkleidet man sich mit ein paar Klicks selbst in einen Pandabären oder eine Pandabärin, erfindet einen Namen und irgendeine E-Mail-Adresse, und dann ist man drin und kann loschatten. Also die wirkliche Identität der Nutzer ist nicht erkennbar. Diese Anonymität, die schützt, sagen Sie, die Kinder, aber die schützt natürlich auch die Täter. Kinder wollen in so einem Chatroom ja, vielleicht von einem gleichaltrigen Jungen möchte ein Mädchen vielleicht hören, wie das geht mit einem Zungenkuss, aber nicht von einem 50-jährigen Pädophilen.
Delius: Genau, das ist aber auch in 99 Prozent der Fälle der Fall, dass es bei uns Kinder sind. Weil, wenn man es jetzt mal überspitzt formuliert, wenn ich Pädophiler wäre, dann möchte ich auf Portale gehen, wo ich Fotos sehe, wo ich Videos sehe, wo ich Telefonnummern bekomme, wo ich eine Stimme höre. Wenn ich also Pädophiler bin, dann gehe ich nicht in erster Linie auf ein Panda-Portal, wo ich kein Foto, keinen echten Namen, gar nicht weiß, ist das wirklich ein zwölfjähriges Mädchen, was mir gerade gegenübersteht, oder vielleicht ist das ein 18-jähriger Junge. Also ich sehe schon einen deutlichen Schutz bei dieser Anonymität und bei der Tatsache, dass ich nicht als eigene Person da auftrete.
Bürger: Verena Weigand hat gestern kein generelles Verbot, aber doch sehr konkrete Forderungen an die Betreiber solcher Chatrooms gestellt.
Weigand: "Was ich mir zum Beispiel durchaus vorstellen könnte: Man muss ein Angebot für Kinder oder ein Chatangebot für Kinder zum Beispiel irgendwo registrieren lassen, und muss sozusagen deutlicher Verantwortung übernehmen als Chatbetreiber, und muss vielleicht auch mehr Personal einsetzen. Das ist ja auch immer eine finanzielle Frage: Wie gut moderiere oder überwache ich einen Chat – Personal kostet Geld –, wie viel ist mir das wert, und wie viel riskiere ich? Und da könnte ich mir schon vorstellen, dass man da etwas dichtere Kontrollen einzieht."
Bürger: Ja, die Forderung an die Betreiber, noch mehr Verantwortung zu übernehmen. Bei Ihrem Portal Panfu.de, da sind an die 60 solcher Kontrolleure beschäftigt, solcher Moderatoren, allerdings verteilt auf 11 verschiedene Länder, nur 9 Moderatoren in Deutschland. Ist das nicht tatsächlich zu wenig, wie können die bei der Fülle von Nutzern der Chatrooms überhaupt den Überblick behalten?
Delius: Also erst mal stimme ich Frau Weigand 100 Prozent zu: Ja, es ist die Verantwortung der Anbieter, und es soll da starke Kontrollen geben. Ich möchte, dass es auf Kinderchats ein Siegel gibt, was heißt: Dieser Kinderchat ist zertifiziert, und dahinter steht ein Zertifikat, das ist sichtbar, da weiß man, da gibt es Moderation, da gibt es Black Lists, da gibt es einen Meldebutton, da gibt es eine Ignore-Funktion, dass ich User aus meinem Umfeld entfernen kann …
Bürger: … die aber oft nicht funktionieren sollen.
Delius: Die funktioniert, also dass ist schade an dem "FAZ"-Artikel, die ist ganz sichtbar und funktioniert, da drückt man drauf, dann kriegt der Moderator sofort eine Meldung und der Panda ist verschwunden. Und das ist mir ein riesengroßes Bedürfnis, dass es so ein Zertifikat gibt, denn Kinder sollen eine Orientierung haben, wo sind sie sicher, und Eltern sollen die haben, und insofern auf Ihre Frage – sind Neun zu wenig? –, wir machen ja nicht Neun, weil wir sagen, das ist doch eine gute Zahl, sondern wir gucken, wie viele Chat-Messages haben wir und wie viele brauchen wir, damit wir jede mitlesen können.
Bürger: Wie oft wird denn dieser Warnbutton geklickt?
Delius: Der Warnbutton, also der Meldebutton – man kann ungefähr sagen –, wird so von zwei Prozent der Kinder gedrückt, aber es gibt diese Ignore-Funktion, die ist eben so, du nervst mich, das kann auch einfach sein, weil einem jemand hinterherläuft und irgendwie einen nervt, wie auf dem Schulhof, da dreht man sich auch um und sagt, kannst du bitte weggehen. Und so hält man hier virtuell die Hand und sagt, lass mich bitte in Ruhe, mit dem Vorteil, dass der dann auch sofort weg ist, was auf dem Schulhof natürlich nicht funktioniert.
Bürger: Ein Zertifikat, möglicherweise ist das ein Weg, das müsste natürlich auch erst mal dann Kriterien entwickelt werden, was da alles erfüllt werden muss, und vermutlich müssen dann alle Online-Portale, in denen Kinder chatten können, doch an der einen oder anderen Stelle ordentlich nachrüsten. Verena Delius ist Geschäftsführerin des Portals Panfu.de – danke für Ihren Besuch!
Delius: Ja, sehr gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Nachdem wir gestern hier im "Radiofeuilleton" mit Verena Weigand gesprochen haben, Referentin für Jugendschutz der Bayrischen Landeszentrale für neue Medien, ist heute Verena Delius zu uns gekommen, die selbst eine Internetplattform betreibt, in der Kinder chatten können, das als seriös geltende Portal Panfu.de. Guten Morgen, Frau Delius!
Verena Delius: Guten Morgen!
Bürger: Inwieweit deckt sich das, was jetzt veröffentlicht wurde, auch mit Ihren eigenen Erfahrungen?
Delius: Also ich glaube, Kinderchats oder Anbieter von Kinderchats haben einfach eine riesengroße Verantwortung. Ich bin selber Mutter von zwei Kindern, die sind noch zu klein, aber mein Anspruch ist es, einen Chat anzubieten, wo meine Kinder irgendwann sich auch aufhalten dürfen. Und ich glaube, man kann gar nicht genug machen, und trotzdem kann man eben nicht alles absichern. Also um mal zu erzählen, wie das bei uns funktioniert: Wir haben eine Black List, dass eben die Begriffe, die Sie eben zitiert haben, gar nicht erst die Kinder erreichen, gar nicht erst angezeigt werden. Es sitzen neun Moderatoren vor diesem Chat und lesen den Chat mit. Es gibt Meldebutton und Ignore-Funktion, und trotzdem können wir nicht alles sicherstellen, wie der Artikel gezeigt hat, aber wir können zumindest drauf reagieren.
Bürger: Was sind das für Wörter, die da auf diesem Index stehen?
Delius: Das sind über 5.000 Wörter, und wenn man die liest, wird einem schlecht. Das ist wirklich alles in allen Falschschreibweisen, alle sexuellen Begriffe, alle fremdenfeindlichen Begriffe, alles, was man sich vorstellen will, was man einfach Kindern auf keinen Fall überhaupt erst anzeigen möchte.
Bürger: Aber es rutschen eben auch Begriffe durch, zum Beispiel – das hat die "FAS" geschrieben – SB, das war auf Ihrem Portal, stand für Selbstbefriedigung, und stand eben noch nicht auf dieser Liste.
Delius: Genau, SB – mit den Abkürzungen ist das Problem, wenn man ja zum Beispiel SB nimmt, dann ist das eben auch in Eisbein drin, da ist auch ein SB drin. Das heißt, die Filter können natürlich nur auf alle Falschschreibweisen und Wörter reagieren, deswegen haben wir die Moderatoren. Und in dem Fall der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ist dieserjenige mit dem SB anderthalb Minuten nach dieser Konversation vom Moderator geblockt worden und aus dem Chat herausgeschmissen worden. Aber da kann man eben immer dann erst im Nachhinein drauf reagieren. Da ist es natürlich unser Anspruch, hinterherzukommen, auch bei den Abkürzungen, aber da gibt es eben jeden Tag neue, und morgen ist dann eben OS Oralsex, und dann muss man eben da immer wieder nachrüsten diese Black List und eben aber wirkliche Menschen vor den Geräten sitzen haben, die mit überprüfen und den Chat sicher machen.
Bürger: Das sind diese sogenannten Moderatoren, also im Grunde Administratoren oder Kontrolleure. Lesen die tatsächlich jeden Chat mit und wissen, die Kinder das? Ist das ersichtlich, dass dort mitgelesen wird?
Delius: Ja, das wissen die Kinder, wir haben ein ganz festes System: Die Moderatoren loggen sich ein und sagen, so, ich bin jetzt da. Es sind immer drei Moderatoren pro Schicht gemeinsam vorm Rechner, weil es so viele Chatmessages sind. Und wenn man die Schicht beendet hat, dann muss man erst warten, dass der Anschlussmoderator schon da ist und gesagt hat: Hallo, ich bin da, du kannst jetzt offline gehen. Also es gibt niemals irgendeine Minute, wo keiner den Chat mitliest, und die Moderatoren haben mehrere Maßnahmen, die können also jemanden für 15 Sekunden oder 30 Sekunden sperren bei kleinen Vergehen – wenn einer sagt, du nervst mich, geh weg hier –, dann kommt eine Nachricht – wir wollen uns hier alle gut benehmen und nett zueinander sein –, bis hin zu den Mitglieds-Account komplett sperren bei schweren Vergehen, dass der User sich überhaupt nicht mehr einloggen kann.
Bürger: Diese ganze Debatte schärft ja das Misstrauen gegenüber solchen Chatrooms für Kinder, und vermutlich stellen sich viele die Frage, die Verena Weigand gestern hier im "Radiofeuilleton" formuliert hat:
Verena Weigand: "Man muss sich die Frage stellen: Ist es überhaupt notwendig, dass Kinder im Alter von Zehn oder Zwölf überhaupt in Chatrooms gehen? Was gibt es da eigentlich für einen Grund, dass sie mit völlig Fremden Kontakt aufnehmen und sich dort unterhalten? Dass Kinder das wollen, ist eine ganz andere Geschichte, wenn es andere machen, wollen sie es natürlich auch, aber warum ist das notwendig? Da würde ich zunächst mal versuchen, mit Kindern darüber zu sprechen, ob es nicht ausreicht, sich mit den realen Freunden und Freundinnen zu vernetzen und mit denen zum Beispiel über Mail oder andere Möglichkeiten sich zu unterhalten und eben nicht in diese öffentlichen Chatrooms zu gehen."
Bürger: Ja, Frau Delius, auch Ihr Portal ist ja keine Sozialarbeit, das ist ein profitorientiertes Unternehmen, deshalb frage ich Sie jetzt als Geschäftsführerin von panfu.de und aber auch als Mutter von zwei Kindern, warum brauchen zehn- bis zwölfjährige Kinder Chatrooms?
Delius: Die brauchen Chatrooms, weil sie chatten wollen, und das ist natürlich toll, was Frau Weigand da sagt: Aus brauchen wir das überhaupt, und lass uns doch mit den Kindern reden, und sagen, hört doch mal lieber auf zu chatten und trefft doch lieber eure Freunde auf dem Schulhof. Aber so sind Kinder nicht, wenn man Kinder heute beobachtet, dann haben die ihr Mobiltelefon, dann chatten die, dann lieben die die virtuellen Welten und das Internet. Ich sehe viel mehr die Verantwortung der Schulen, Eltern und Anbieter, zu sagen, wie führen wir unsere Kinder da so ran, dass die wissen, welche Gefahren da lauern, dass die wissen, wie sie sich in solchen Welten verhalten, und ich glaube, ein Verbot oder liebe Kinder, geht nicht mehr auf Chatforen, die finden ihren Weg, und dann gehen sie auf Foren, die nicht sicher sind, die nicht moderiert sind. Also ich habe mir diese Gewissensfrage gestellt am Sonntag: Sollten wir, wenn ich es heute entscheiden dürfte, eigentlich zumachen und sagen, warum bieten wir eigentlich so was an? Aber wir sind bei uns, bei uns sind es Pandas ohne echte Namen, ohne Adresse, ohne Skype, ohne irgendwelchen Kontakt zur Außenwelt. Also wenn mein elfjähriges Kind chatten möchte, dann am liebsten anonym als Panda mit Moderatoren vor dem Bildschirm, statt eben auf den ganzen anderen Portalen, wo es weitaus weniger Sicherheitsvorkehrungen gibt.
Bürger: Das muss man vielleicht noch kurz erklären, also, wenn man sich bei Ihnen einklickt, dann verkleidet man sich mit ein paar Klicks selbst in einen Pandabären oder eine Pandabärin, erfindet einen Namen und irgendeine E-Mail-Adresse, und dann ist man drin und kann loschatten. Also die wirkliche Identität der Nutzer ist nicht erkennbar. Diese Anonymität, die schützt, sagen Sie, die Kinder, aber die schützt natürlich auch die Täter. Kinder wollen in so einem Chatroom ja, vielleicht von einem gleichaltrigen Jungen möchte ein Mädchen vielleicht hören, wie das geht mit einem Zungenkuss, aber nicht von einem 50-jährigen Pädophilen.
Delius: Genau, das ist aber auch in 99 Prozent der Fälle der Fall, dass es bei uns Kinder sind. Weil, wenn man es jetzt mal überspitzt formuliert, wenn ich Pädophiler wäre, dann möchte ich auf Portale gehen, wo ich Fotos sehe, wo ich Videos sehe, wo ich Telefonnummern bekomme, wo ich eine Stimme höre. Wenn ich also Pädophiler bin, dann gehe ich nicht in erster Linie auf ein Panda-Portal, wo ich kein Foto, keinen echten Namen, gar nicht weiß, ist das wirklich ein zwölfjähriges Mädchen, was mir gerade gegenübersteht, oder vielleicht ist das ein 18-jähriger Junge. Also ich sehe schon einen deutlichen Schutz bei dieser Anonymität und bei der Tatsache, dass ich nicht als eigene Person da auftrete.
Bürger: Verena Weigand hat gestern kein generelles Verbot, aber doch sehr konkrete Forderungen an die Betreiber solcher Chatrooms gestellt.
Weigand: "Was ich mir zum Beispiel durchaus vorstellen könnte: Man muss ein Angebot für Kinder oder ein Chatangebot für Kinder zum Beispiel irgendwo registrieren lassen, und muss sozusagen deutlicher Verantwortung übernehmen als Chatbetreiber, und muss vielleicht auch mehr Personal einsetzen. Das ist ja auch immer eine finanzielle Frage: Wie gut moderiere oder überwache ich einen Chat – Personal kostet Geld –, wie viel ist mir das wert, und wie viel riskiere ich? Und da könnte ich mir schon vorstellen, dass man da etwas dichtere Kontrollen einzieht."
Bürger: Ja, die Forderung an die Betreiber, noch mehr Verantwortung zu übernehmen. Bei Ihrem Portal Panfu.de, da sind an die 60 solcher Kontrolleure beschäftigt, solcher Moderatoren, allerdings verteilt auf 11 verschiedene Länder, nur 9 Moderatoren in Deutschland. Ist das nicht tatsächlich zu wenig, wie können die bei der Fülle von Nutzern der Chatrooms überhaupt den Überblick behalten?
Delius: Also erst mal stimme ich Frau Weigand 100 Prozent zu: Ja, es ist die Verantwortung der Anbieter, und es soll da starke Kontrollen geben. Ich möchte, dass es auf Kinderchats ein Siegel gibt, was heißt: Dieser Kinderchat ist zertifiziert, und dahinter steht ein Zertifikat, das ist sichtbar, da weiß man, da gibt es Moderation, da gibt es Black Lists, da gibt es einen Meldebutton, da gibt es eine Ignore-Funktion, dass ich User aus meinem Umfeld entfernen kann …
Bürger: … die aber oft nicht funktionieren sollen.
Delius: Die funktioniert, also dass ist schade an dem "FAZ"-Artikel, die ist ganz sichtbar und funktioniert, da drückt man drauf, dann kriegt der Moderator sofort eine Meldung und der Panda ist verschwunden. Und das ist mir ein riesengroßes Bedürfnis, dass es so ein Zertifikat gibt, denn Kinder sollen eine Orientierung haben, wo sind sie sicher, und Eltern sollen die haben, und insofern auf Ihre Frage – sind Neun zu wenig? –, wir machen ja nicht Neun, weil wir sagen, das ist doch eine gute Zahl, sondern wir gucken, wie viele Chat-Messages haben wir und wie viele brauchen wir, damit wir jede mitlesen können.
Bürger: Wie oft wird denn dieser Warnbutton geklickt?
Delius: Der Warnbutton, also der Meldebutton – man kann ungefähr sagen –, wird so von zwei Prozent der Kinder gedrückt, aber es gibt diese Ignore-Funktion, die ist eben so, du nervst mich, das kann auch einfach sein, weil einem jemand hinterherläuft und irgendwie einen nervt, wie auf dem Schulhof, da dreht man sich auch um und sagt, kannst du bitte weggehen. Und so hält man hier virtuell die Hand und sagt, lass mich bitte in Ruhe, mit dem Vorteil, dass der dann auch sofort weg ist, was auf dem Schulhof natürlich nicht funktioniert.
Bürger: Ein Zertifikat, möglicherweise ist das ein Weg, das müsste natürlich auch erst mal dann Kriterien entwickelt werden, was da alles erfüllt werden muss, und vermutlich müssen dann alle Online-Portale, in denen Kinder chatten können, doch an der einen oder anderen Stelle ordentlich nachrüsten. Verena Delius ist Geschäftsführerin des Portals Panfu.de – danke für Ihren Besuch!
Delius: Ja, sehr gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.