Kinder erklären die Welt der Kunst

Die Zeitschrift "art" hat Kinder gebeten, berühmte Kunstwerke zu deuten. Ein anderer Bildband erzählt die "Geschichte der Malerei" anhand von Motiven und Sujets.
"Ein bisschen komisch ist nur, dass die Frau ganz blau ist! Eigentlich sind Menschen nämlich hautfarbig", meint die fünfjährige Carlotta zu Ernst Ludwig Kirchners berühmtem Bild "Das blaue Mädchen in der Sonne".

Und angesichts von Grant Woods weltbekanntem Gemälde "American Gothic" ist sich die ebenfalls fünf Jahre alte Ida sicher: "Er ist Polizist und seine Frau Krankenschwester. Da muss man früh aufstehen. Die Frau sieht ein bisschen fröhlicher aus als ihr Mann, aber nicht viel... Das ist manchmal so."

Carlotta und Ida sind zwei von 22 Kindern, die das Kunstmagazin "art" mit Meisterwerken der Kunstgeschichte konfrontiert und um eine Bildinterpretation gebeten hat. Zunächst als Serie fürs Heft konzipiert, wurde daraus nun der originelle Bildband "Ich weiß genau was da passiert... Kinder erklären Kunst".

Auf knapp 50 Seiten lässt sich darin auf Schönste erleben, wie Bilder eigentlich wirken können, wenn sie ohne Vorwissen und ohne Respekt vor großen Namen betrachten werden können. Es ist erstaunlich, was den 22 Kindern zur Kunst so alles in den Sinn kommt. Ihr Blick ist genau, sie beachten auch die kleinsten Details und verbinden das Gesehene mit ihren eigenen Erfahrungen.

Dabei haben sie ein besonders feines Gespür für das Wesentliche. Auch wenn beispielsweise Carravagios "Kartenspieler" zu Cowboys werden, ist doch klar: "Auf dem Bild sind zwei Böse und ein Guter". Und Max Beckmanns "Tod" wirkt "ganz schön dunkel". Picasso hatte einst bekannt, ein Leben lang gebraucht zu haben, um malen zu können wie ein Kind. Dieser Band regt dazu an, wieder sehen zu können wie ein Kind.

Auf die Freude am genauen Betrachten setzt auch Hildegard Kretschmer in ihrer Geschichte der Malerei, die sie für Kinder ab zehn Jahre konzipiert hat. Nicht chronologisch sortiert nach Stilrichtungen, sondern von verschiedenen Sujets und Motiven ausgehend, schlägt die Autorin ihre Schneise durch die Jahrhunderte.

Sie zeigt an über 100 herausragenden Werken, wie berühmte Maler "Natur", "Menschen", "Stillleben" oder "Alltagsleben" von der Steinzeit bis heute dargestellt haben. So kommen etwa in dem Kapitel "Tiere" die Höhlenmalerei von Lascaux, griechische Amphorenbemalung, römische Mosaiken, der Teppich von Bayeux, Gemälde von Rubens und Courbet und schließlich Franz Marcs blaue Pferde vor.

Ohne dass man sich von "ismus" zu "ismus" arbeiten muss, wird man quasi beiläufig durch die Epochen geführt und erfährt deren wichtigste Merkmale. Beispielsweise mit welchen Intentionen wann gemalt wurde, wie sich Handwerker zu Künstlern entwickelten, und wie es ihnen gelang, sich von Auftraggebern und festgelegten Normen zu befreien, um bei der reinen Malerei anzukommen.

Kunstgeschichte so zu erleben und vor allem zu betrachten, ist bereichernd und schult den Blick. Darüber hinaus bietet der Anhang eine detaillierte Zeitleiste sowie kurze Texte zu Techniken und Definitionen.

Ein schönes Buch, basierend auf einer überzeugenden Idee und mit einem herausragenden Layout. Einzig zu bedauern ist, dass die Autorin ihre Kunstgeschichte in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts enden lässt. Und dabei ist seitdem doch noch soviel passiert!

Besprochen von Eva Hepper

Barbara Hein, Ich weiß genau, was da passiert... Kinder erklären Kunst,
Belser Verlag, 48 Seiten, 46 Farbabbildungen, 14,95 Euro

Hildegard Kretschmer, Das Abenteuer Kunst. Die Geschichte der Malerei,
Prestel Verlag, gebunden, 240 Seiten, 19,99 Euro