Fantasiegefährten von Kindern

Frau Klöne, Mártina und der Piratenbauer

05:16 Minuten
Gruppe Kinder im Park mit ausgebreiteten Armen spielt Fliegen auf dem Kindergeburtstag
Fantasiegefährten haben ihre eigenen Regeln. Manchmal bringen sie auch ihre Freunde mit. © picture alliance / Zoonar
Von Susanne Franzmeyer |
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Sie haben witzige Namen, können jede Gestalt annehmen, die merkwürdigsten Eigenschaften besitzen - und sind die dicksten Freunde ihrer kleinen Schöpfer. Für Kinder gehören die Fantasiegefährten zur Familie. Für die Erwachsenen aber bleiben sie unsichtbar.
Leonhard hat einen Bruder. Zusätzlich zu seiner kleinen Schwester. Das Besondere: Außer ihm kann ihn niemand sehen.
„Und der ist jetzt hier in der Wohnung versteckt? Das wusste ich nämlich auch noch nicht“, fragt Annette. „Ja, der hat sich ganz klein gemacht und hat sich in deinem Maßband versteckt“, erklärt Leonhard.
Leonhards Bruder ist ein Fantasiegefährte. Rund 37 Prozent aller Kinder legen sich einmal so einen zu. Für kurze Zeit oder über Jahre. Auch der Sohn von Nicole. Bei Karl ist es ein Bauer.
„Mein Bauer ist ein Pirat!“, sagt Karl. Ein Piratenbauer. „Er hat ein Steinboot, das niemand kaputtmachen kann!“

Fantasiegefährten bringen auch Freunde mit

Fantasiegefährten haben ihre eigenen Regeln. Manchmal bringen sie auch ihre Freunde mit. Bei Saga, die in Berlin und Island lebt, fing alles an mit Frau Klöne.
„Das erste Mal, dass wir von ‚Frau Klöne‘ gehört haben, da war Saga noch nicht drei, und sie ist also jetzt seit über einem Jahr bei uns und eigentlich, kann man sagen, mittlerweile fester Bestandteil der Familie geworden“, sagt Marie.
Fantasiegefährten haben für ihre kleinen Erfinder immer eine Funktion.
„Wir hatten uns getrennt, da war der Lütte zehn Monate“, erzählt Nicole. „Über den Bauern hat er oft angefangen, so Situationen nachzustellen, wo ich dann wusste, okay, damit verarbeitet er gerade die Trennung.“

Stütze in turbulenten Zeiten

Auch Frau Klöne kam in turbulenten Zeiten zur Familie.
„Frau Klöne ist in Berlin geboren – das war eine Zeit, die sehr instabil war, weil wir zu dem Zeitpunkt nicht wie jetzt oder sonst einfach so bei meinen Eltern wohnen konnten, weil meine Mutter zu der Zeit eine Chemotherapie hatte“, sagt Marie „und Saga, wenn sie in den Kindergarten geht, natürlich ständig irgendwelche Viren und Bakterien mit nach Hause bringt und wir beim kleinsten Anzeichen für Krankheit immer die Flucht ergriffen haben, damit meine Mutter sich nicht ansteckt. Und in diesem Kuddelmuddel ist Frau Klöne ‚erschienen‘.“
Aber bei Frau Klöne blieb es nicht. "Im Sommer letzten Jahres kamen plötzlich ‚Kollegen‘ dazu - das sind jetzt, glaube ich, vier, die konstant da sind. Mittlerweile sind also noch Blaska, Jóhannes und Mártina dazugekommen, sind also ihre ‚Kollegen‘, und sie arbeiten alle mit Saga am S-Bahn-Bahnhof“, so Marie weiter. „Vor zwei Tagen hat Saga auch irgendwie zu mir was gesagt, was ich fast ein bisschen schade fand, weil – es schmeckte so nach Abschied. Sie hat zu mir gesagt: ‚Ich habe einfach nur getan, als ob ich Kollegen habe, aber eigentlich habe ich keine Kollegen.‘“

Und irgendwann verschwinden sie wieder

Auch bei Karl hat sich was verändert, bemerkt Nicole. „Ich glaube, der Bauer wird auch langsam verschwinden. Also ich merk‘ das auch schon dadurch, dass er auch nicht mehr bei uns sitzt und auch nicht mehr da ist, daher vermute ich mal, dass er sich auch langsam verabschieden wird. Ja, schade.“
So wie sie gekommen sind, verschwinden sie irgendwann, die Fantasiegefährten. Sie werden als Stütze nicht mehr gebraucht. Aber hey, eines ist sicher: Sie werden bestimmt nicht vergessen!
Dieser Text ist eine gekürzte Fassung des Audioskripts.
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