Redaktion: Carsten Burtke
Regie: Clarisse Cossais
Technik: Martin Eichberg
Sprecherin: Bettina Kurth
Über Freude und Last der Geschwister
30:19 Minuten
Die Beziehung zwischen Geschwistern, von dem ein Kind eine Behinderung hat, ist oft innig. Gesunde Geschwister müssen aber auch mit Verantwortung und weniger Zuneigung der Eltern klarkommen. Und auch im Erwachsenenalter stellen sich viele Fragen.
Zu Besuch bei Swenja und Linea(*). Die 26-jährige Swenja öffnet die Tür, bittet herein. Als Kaffeegeruch durchs Haus zieht, schaut ihre kleine Schwester Linea neugierig um die Ecke. Die 22-Jährige bleibt im Raum stehen, neigt beobachtend den Kopf, wirkt fast schüchtern. Doch schnell ist das Eis gebrochen, und Linea zeigt ihr Zuhause. Nachdem sie noch erklärt hat, dass ihre Mama immer viel bügelt, hüpft Linea zu Swenja auf die Couch, kuschelt sich ganz dicht an ihre ältere Schwester.
"Swenja immer lieben. Meine Schwester ist ganz lieb.
"Ich glaube, manchmal streiten wir uns alle ganz gut, oder?"
"Ja, ein bisschen. Ich möchte nicht mehr streiten …"
Wie zur Bestätigung drückt Linea ihrer Schwester einen dicken, feuchten Kuss auf die Wange, sodass Swenja belustig das Gesicht verzieht.
"Ich finde, meine Schwester Linea ist, so wie sie ist, auf jeden Fall eine große Bereicherung für mein Leben …"
Linea ist mit Trisomie 21, einer geistigen Beeinträchtigung, geboren und arbeitet in einer Werkstatt für behinderte Menschen, erklärt Swenja, die studierte Rehabilitationspädagogin ist.
"Es ist wahnsinnig charakterstärkend, weil ich auch für viele Sachen früh sensibilisiert worden bin: Was Gerechtigkeit ist, was es bedeutet, wenn man Beleidigung abbekommt, was es mit Leuten machen kann."
Swenja und Linea sind ein von schätzungsweise über zwei Millionen besonderer Geschwisterpaare, die es in Deutschland gibt. Das Leben mit einem Bruder oder einer Schwester mit Behinderung prägt und beeinflusst das Leben dieser Geschwister. Sie merken früh, dass in ihren Familien etwas anders ist, müssen mit Einschränkungen leben, übernehmen andere Aufgaben als Gleichaltrige und haben oft auch mehr Verantwortung.
"Es ist ein stetiger Anpassungsprozess, also sich immer wieder auf bestimmte Situationen hin neu orientieren müssen, immer wieder Bedürfnisse justieren müssen, ob die jetzt gerade in der Familie Platz haben oder ob etwas anderes gerade wichtiger ist. Und das ist ein Prozess, der begleitet Geschwister über das gesamte Leben."
Florian Schepper, Psychologe der Universitätskinderklinik Leipzig und Mitarbeiter der Elternhilfe krebskranker Kinder, arbeitet seit über 15 Jahren mit Kindern, die chronisch kranke oder behinderte Brüder oder Schwestern haben. In einer solchen Geschwisterkonstellation gibt es laut Florian Schepper Risiken, Chancen und Herausforderungen. Swenja erzählt, dass sie schon als Kind nicht eingesehen hat, dass sie für ihre kleine Schwester Aufgaben übernehmen sollte, die Linea eigentlich auch konnte.
"Das ist überhaupt nicht böse gemeint meinen Eltern gegenüber. Ich kann das absolut verstehen, dass die da halt auch manchmal nachsichtig sind, dass man es dann doch lieber selber macht. Es ist superanstrengend, wenn man meine Schwester motivieren muss. Und das lasse ich aber nicht so durchgehen und sage, Nein, dann mache es halt selber und wenn meine Schwester nicht macht, dann wird es eben nicht gemacht."
"Swenja immer lieben. Meine Schwester ist ganz lieb.
"Ich glaube, manchmal streiten wir uns alle ganz gut, oder?"
"Ja, ein bisschen. Ich möchte nicht mehr streiten …"
Wie zur Bestätigung drückt Linea ihrer Schwester einen dicken, feuchten Kuss auf die Wange, sodass Swenja belustig das Gesicht verzieht.
"Ich finde, meine Schwester Linea ist, so wie sie ist, auf jeden Fall eine große Bereicherung für mein Leben …"
Linea ist mit Trisomie 21, einer geistigen Beeinträchtigung, geboren und arbeitet in einer Werkstatt für behinderte Menschen, erklärt Swenja, die studierte Rehabilitationspädagogin ist.
"Es ist wahnsinnig charakterstärkend, weil ich auch für viele Sachen früh sensibilisiert worden bin: Was Gerechtigkeit ist, was es bedeutet, wenn man Beleidigung abbekommt, was es mit Leuten machen kann."
Swenja und Linea sind ein von schätzungsweise über zwei Millionen besonderer Geschwisterpaare, die es in Deutschland gibt. Das Leben mit einem Bruder oder einer Schwester mit Behinderung prägt und beeinflusst das Leben dieser Geschwister. Sie merken früh, dass in ihren Familien etwas anders ist, müssen mit Einschränkungen leben, übernehmen andere Aufgaben als Gleichaltrige und haben oft auch mehr Verantwortung.
"Es ist ein stetiger Anpassungsprozess, also sich immer wieder auf bestimmte Situationen hin neu orientieren müssen, immer wieder Bedürfnisse justieren müssen, ob die jetzt gerade in der Familie Platz haben oder ob etwas anderes gerade wichtiger ist. Und das ist ein Prozess, der begleitet Geschwister über das gesamte Leben."
Florian Schepper, Psychologe der Universitätskinderklinik Leipzig und Mitarbeiter der Elternhilfe krebskranker Kinder, arbeitet seit über 15 Jahren mit Kindern, die chronisch kranke oder behinderte Brüder oder Schwestern haben. In einer solchen Geschwisterkonstellation gibt es laut Florian Schepper Risiken, Chancen und Herausforderungen. Swenja erzählt, dass sie schon als Kind nicht eingesehen hat, dass sie für ihre kleine Schwester Aufgaben übernehmen sollte, die Linea eigentlich auch konnte.
"Das ist überhaupt nicht böse gemeint meinen Eltern gegenüber. Ich kann das absolut verstehen, dass die da halt auch manchmal nachsichtig sind, dass man es dann doch lieber selber macht. Es ist superanstrengend, wenn man meine Schwester motivieren muss. Und das lasse ich aber nicht so durchgehen und sage, Nein, dann mache es halt selber und wenn meine Schwester nicht macht, dann wird es eben nicht gemacht."
Swenja hat früh Verantwortung übernommen, aber das sei kein Nachteil, findet die 26-Jährige. Außerdem sei es ein Geben und Nehmen zwischen ihr und ihrer Schwester.
"Und weil Linea ein sehr extrovertierter Mensch ist und auch sehr gern Party macht und auf Leute zugeht und so, da profitiere ich auch mega davon. Ich lerne auch viele Leute kennen einfach über meine Schwester, und das darf man auch nicht unterschätzen."
"Natürlich beschreiben viele, dass sie das Leben mehr wertschätzen, dass sie ihrem Bruder oder ihre Schwester über alles lieben und wissen, wie wichtig Gesundheit ist oder wie wichtig Familie ist oder was Familie schaffen kann, wenn sie unter Druck gerät. Natürlich bekommen ganz viele einen ganz anderen Horizont. Aber das kann man nicht voraussetzen."
Was Positiv und was Negativ ist, wie man die eigene Situation empfindet, kann nur jeder Einzelne für sich selbst sagen und hängt von vielen Faktoren ab, erklärt der Psychologe.
"Das Problem ist, dass man aus dieser Idee der Benefits manchmal ableitet: Ist doch toll, dass du so eine Situation gehabt hast. Und diese Idee von ´posttraumatischen Wachstum` – der stehe ich als Begleiter von Betroffenen sehr kritisch gegenüber, weil man dieser Haltung in der Regel erst einnehmen kann, wenn man es geschafft hat. Das ist nichts, was Personen unter der akuten Belastung erzählen."
Das Geschwistersein hört nie auf
Geschwister von Menschen mit Behinderung müssen sich mit Fragen und Themen auseinandersetzen, die anderen wahrscheinlich nicht begegnen. Sie erleben schon als Kinder Dinge, die natürlich bereichernd, aber auch schwierig, angstmachend, tragisch sein können und die ihr Leben prägen. Auch wenn die Kinder erwachsen werden, hört dieses Geschwistersein nicht auf.
Es sind nur die Fragen, die sich ändern, weiß Marlies Winkelheide. Die Sozialwissenschaftlerin begleitet seit über 30 Jahren Geschwister behinderter Menschen, und hat auch die Janusz-Korczak-Geschwisterbücherei in Lilienthal bei Bremen gegründet. Aus einem Regal kramt die 73-Jährige einen Kreisel hervor.
Der Kreisel sieht auf den ersten Blick nicht besonders aus: Aus seinem Bauch schaut ein Stiel heraus. Marlies Winkelheide dreht den Kreisel an. Dieser hüpft auf den Tisch, rotiert um seine eigene Achse, bis er sich plötzlich umdreht und sich auf dem Stil weiter dreht.
"Die Aussage von Geschwistern ist dazu: Ich muss mich ganz schön anstrengen, um in den Mittelpunkt der Familie zu kommen. Sehen Sie, im Mittelpunkt steht das andere Kind."
Dieser Metapher beschreibt die Situation der Geschwisterkinder – egal, welchen Alters, sagt Marlies Winkelheide, die für Geschwisterkinder Beratung, Seminare und Treffen anbietet, von denen es – gerade für Erwachsenen – nur wenige gibt. Winkelheides Seminare sind:
"‘Darf ich mich freuen, dass es mich nicht getroffen hat?‘, ist so eine der Fragen, die Geschwister auch mit sich herumtragen und die sie sich nicht trauen auszusprechen. ‚Mein Bruder lebt noch bei meinen alten Eltern, und die wollen überhaupt nicht, dass der auszieht. Wie halte ich das denn aus?‘ ´Wie viel Verantwortung habe ich jetzt noch? Für wen bin ich jetzt verantwortlich? Für die Eltern und für den Bruder?‘ `Werde ich Betreuer? Nein, das möchte ich nicht.‘ ´Werde ich noch geliebt, wenn ich Nein sage? Da geht es um die Frage: ‚Wie bin ich geprägt, weil ich diesen Bruder, diese Schwester habe/hatte?‘"
"Ich glaube, die Kindheit ist genauso wie jede andere Kindheit auch von Belastungen und schönen Ereignissen geprägt. Aber sie ist in bestimmten Punkten anfälliger. Unsere Forschungsbemühungen zeigen, dass es anfälligere Phasen gibt, wo Kinder eben genau das nicht bekommen, was sie zu der Zeit benötigen."
Der Kreisel sieht auf den ersten Blick nicht besonders aus: Aus seinem Bauch schaut ein Stiel heraus. Marlies Winkelheide dreht den Kreisel an. Dieser hüpft auf den Tisch, rotiert um seine eigene Achse, bis er sich plötzlich umdreht und sich auf dem Stil weiter dreht.
"Die Aussage von Geschwistern ist dazu: Ich muss mich ganz schön anstrengen, um in den Mittelpunkt der Familie zu kommen. Sehen Sie, im Mittelpunkt steht das andere Kind."
Dieser Metapher beschreibt die Situation der Geschwisterkinder – egal, welchen Alters, sagt Marlies Winkelheide, die für Geschwisterkinder Beratung, Seminare und Treffen anbietet, von denen es – gerade für Erwachsenen – nur wenige gibt. Winkelheides Seminare sind:
"‘Darf ich mich freuen, dass es mich nicht getroffen hat?‘, ist so eine der Fragen, die Geschwister auch mit sich herumtragen und die sie sich nicht trauen auszusprechen. ‚Mein Bruder lebt noch bei meinen alten Eltern, und die wollen überhaupt nicht, dass der auszieht. Wie halte ich das denn aus?‘ ´Wie viel Verantwortung habe ich jetzt noch? Für wen bin ich jetzt verantwortlich? Für die Eltern und für den Bruder?‘ `Werde ich Betreuer? Nein, das möchte ich nicht.‘ ´Werde ich noch geliebt, wenn ich Nein sage? Da geht es um die Frage: ‚Wie bin ich geprägt, weil ich diesen Bruder, diese Schwester habe/hatte?‘"
"Ich glaube, die Kindheit ist genauso wie jede andere Kindheit auch von Belastungen und schönen Ereignissen geprägt. Aber sie ist in bestimmten Punkten anfälliger. Unsere Forschungsbemühungen zeigen, dass es anfälligere Phasen gibt, wo Kinder eben genau das nicht bekommen, was sie zu der Zeit benötigen."
Wie gelingt die Abgrenzung zur Familie?
Die normale Entwicklung eines Jugendlichen zum Beispiel sei die Abgrenzung zur Familie, so Florian Schepper. Diese Autonomieentwicklung könnte im Falle einer Behinderung des Geschwisterkindes erschwert sein. Und dann geht man vielleicht nicht zum Schüleraustausch oder später in ein Auslandsjahr, weil man weiß, dass die Familie die Situation alleine stemmen muss.
"Oder ich bin 13, und ich verliebe mich das erste Mal. Jetzt ist dummerweise vor drei, vier Monaten mein Bruder erkrankt. Das bedeutet, ich habe gerade überhaupt nicht die Situation in der Familie, dass ich das teilen kann, weil es nicht zusammenpasst. Oder ich bin unglücklich verliebt. Wo kriege ich jetzt diese negativen Emotionen hin? Sie haben Siebenjährige angesprochen. Da ist die Einschulung. Wer bringt mich zur Schule? Wer hilft bei den Hausaufgaben? Und möglicherweise ist dafür weniger elterliche Kapazität zur Verfügung."
Lisa King ist 30 Jahre alt und Förderschullehrerin. Ihre Schwester Helen wurde vor 26 Jahren mit einem Chromosomendefekt geboren, kann aufgrund dessen nicht laufen, sitzt im Rollstuhl und kommuniziert nur über Mimik und Gestik.
"Als meine Schwester geboren wurde, da weiß ich, dass ich auch relativ früh schon mit ihr zusammen am Nachmittag viele Dinge unternommen habe und mich einfach gerne auch mit ihr beschäftigt habe. Meine Eltern haben sich getrennt und wir hatten eine Einzelfallhilfe, die dann auch noch zum Teil für mich mit da war. Und die ist auch mit uns manchmal zum See gefahren, damit meine Mama arbeiten konnte. Und das habe ich eigentlich alles immer unbeschwert empfunden und habe mich schon immer auch sehr nah zu meiner Schwester auch gefühlt."
Lisas sympathisches, offenes Wesen ermutigt, ihr Fragen zu stellen, von denen man oft nicht weiß, ob man sie fragen darf. Wie hat sie die Behinderung ihrer Schwester wahrgenommen? Hat sie nie gedacht, nö, mit der gehe ich nicht raus?
"Als ich jünger war, war mir ganz lange gar nicht wirklich bewusst, dass meine Schwester eine Behinderung hat. Ich kann mich noch ziemlich genau an eine Situation erinnern, in der es mir das erste Mal so aus dem Außen gespiegelt wurde. Da bin ich auf Klassenfahrt gefahren und meine Mutter hatte mich zum Bus gebracht und meine Schwester war in einem Kinderwagen, und da haben meine Mitschülerinnen und Mitschüler gesagt: Deine Schwester sieht aus wie ein Alien. Und ich fand das ganz komisch, weil für mich sah meine Schwester normal aus. Ich habe nie wirklich wahrgenommen, dass sie vielleicht anders aussieht oder… dass es eher ungewöhnlich ist, noch im Kinderwagen zu sitzen und nicht zu sprechen."
"Oder ich bin 13, und ich verliebe mich das erste Mal. Jetzt ist dummerweise vor drei, vier Monaten mein Bruder erkrankt. Das bedeutet, ich habe gerade überhaupt nicht die Situation in der Familie, dass ich das teilen kann, weil es nicht zusammenpasst. Oder ich bin unglücklich verliebt. Wo kriege ich jetzt diese negativen Emotionen hin? Sie haben Siebenjährige angesprochen. Da ist die Einschulung. Wer bringt mich zur Schule? Wer hilft bei den Hausaufgaben? Und möglicherweise ist dafür weniger elterliche Kapazität zur Verfügung."
Lisa King ist 30 Jahre alt und Förderschullehrerin. Ihre Schwester Helen wurde vor 26 Jahren mit einem Chromosomendefekt geboren, kann aufgrund dessen nicht laufen, sitzt im Rollstuhl und kommuniziert nur über Mimik und Gestik.
"Als meine Schwester geboren wurde, da weiß ich, dass ich auch relativ früh schon mit ihr zusammen am Nachmittag viele Dinge unternommen habe und mich einfach gerne auch mit ihr beschäftigt habe. Meine Eltern haben sich getrennt und wir hatten eine Einzelfallhilfe, die dann auch noch zum Teil für mich mit da war. Und die ist auch mit uns manchmal zum See gefahren, damit meine Mama arbeiten konnte. Und das habe ich eigentlich alles immer unbeschwert empfunden und habe mich schon immer auch sehr nah zu meiner Schwester auch gefühlt."
Lisas sympathisches, offenes Wesen ermutigt, ihr Fragen zu stellen, von denen man oft nicht weiß, ob man sie fragen darf. Wie hat sie die Behinderung ihrer Schwester wahrgenommen? Hat sie nie gedacht, nö, mit der gehe ich nicht raus?
"Als ich jünger war, war mir ganz lange gar nicht wirklich bewusst, dass meine Schwester eine Behinderung hat. Ich kann mich noch ziemlich genau an eine Situation erinnern, in der es mir das erste Mal so aus dem Außen gespiegelt wurde. Da bin ich auf Klassenfahrt gefahren und meine Mutter hatte mich zum Bus gebracht und meine Schwester war in einem Kinderwagen, und da haben meine Mitschülerinnen und Mitschüler gesagt: Deine Schwester sieht aus wie ein Alien. Und ich fand das ganz komisch, weil für mich sah meine Schwester normal aus. Ich habe nie wirklich wahrgenommen, dass sie vielleicht anders aussieht oder… dass es eher ungewöhnlich ist, noch im Kinderwagen zu sitzen und nicht zu sprechen."
Worte verletzen
Dunja Batarilo kennt das, weiß, was Worte anrichten können. Aufgewachsen ist sie mit ihren zwei Brüdern im Badischen. David, zwei Jahre älter als sie, ist mit Downsyndrom zur Welt gekommen. Das war für einen Bauern, bei dem die Geschwister Milch holten, ein Problem.
"‘Unterm Hitler hätt's des net gegeben.` Also ich habe das als Kind gar nicht verstanden. Meiner Mutter war das klar, was der meint … Und ich glaube schon, dass das dazu führt, dass wir Angehörigen so eine Verteidigungshaltung einnehmen, weil da irgendetwas ist, was man rechtfertigen muss und sagen: ‚Nein, das ist gut, dass es den gibt.‘"
David und sie seien wie Pech und Schwefel, erzählt Dunja, schon immer. So verwundert es nicht, dass die heute 41-Jährige ihren Bruder mit Fäusten verteidigte, weil jemand "Mongo" zu ihm gesagt hatte.
"Da habe ich einfach rot gesehen. Auf den habe ich mich dann sofort drauf gestürzt. Da habe ich überhaupt nichts auf meinen Bruder kommen lassen. Sobald den irgendjemand schräg angeguckt hat oder etwas Blödes über ihn gesagt hat, war ich sofort auf ‚Zinne‘."
"Wieso sieht meine Schwester aus wie ein Alien? Wieso sagt ihr das? Ich weiß, dass ich meine Klassenkameraden verbal dann auch angegangen bin, und konnte gar nicht glauben, dass man so was über meine Schwester, die sich ja selbst nicht verteidigen kann, sagt. Und das hat meinen Blick auf die Gesellschaft und den Blick der Gesellschaft auf meine Schwester auf jeden Fall verändert. Und das war für mich damals wirklich schwer."
"‘Unterm Hitler hätt's des net gegeben.` Also ich habe das als Kind gar nicht verstanden. Meiner Mutter war das klar, was der meint … Und ich glaube schon, dass das dazu führt, dass wir Angehörigen so eine Verteidigungshaltung einnehmen, weil da irgendetwas ist, was man rechtfertigen muss und sagen: ‚Nein, das ist gut, dass es den gibt.‘"
David und sie seien wie Pech und Schwefel, erzählt Dunja, schon immer. So verwundert es nicht, dass die heute 41-Jährige ihren Bruder mit Fäusten verteidigte, weil jemand "Mongo" zu ihm gesagt hatte.
"Da habe ich einfach rot gesehen. Auf den habe ich mich dann sofort drauf gestürzt. Da habe ich überhaupt nichts auf meinen Bruder kommen lassen. Sobald den irgendjemand schräg angeguckt hat oder etwas Blödes über ihn gesagt hat, war ich sofort auf ‚Zinne‘."
"Wieso sieht meine Schwester aus wie ein Alien? Wieso sagt ihr das? Ich weiß, dass ich meine Klassenkameraden verbal dann auch angegangen bin, und konnte gar nicht glauben, dass man so was über meine Schwester, die sich ja selbst nicht verteidigen kann, sagt. Und das hat meinen Blick auf die Gesellschaft und den Blick der Gesellschaft auf meine Schwester auf jeden Fall verändert. Und das war für mich damals wirklich schwer."
Problem der frühen Verantwortung
Lisa ist vier Jahre alt, als Helen geboren wird. Von da an ist sie nicht mehr der Mittelpunkt der Familie. Das sei aber für große Geschwister in jeder Familie so – also normal.
"Ich habe aber eben gemerkt, dass ich die Aufmerksamkeit meiner Mutter vor allem dann bekomme, wenn ich mich mit einbringe. Und habe dann auch gemerkt, dass mir das auch Spaß bereitet, sie zu unterstützen, was die Betreuung meiner Schwester angeht. Und ich glaube, dass ich darüber auch versucht habe, die Nähe zu meiner Mutter auch zu behalten und …dass ich das eben schon so wahrnehmen konnte, dass sich die Stimmung insgesamt in der Familie etwas verändert hat. Das war wahrscheinlich auch so ein kleiner Überlebensinstinkt zu sagen, wenn wir die Harmonie behalten wollen, dann muss ich mich mit einbringen, weil ich meine Mutter auch nicht gerne alleine lassen wollte."
Dass die Geschwisterkinder früh Verantwortung übernehmen, sei den Eltern, die mit der Pflege erkrankter oder behinderten Kinder selbst stark gefordert sind, oft nicht klar, weiß Psychologe Florian Schepper aus den Beratungen. Die Eltern nehmen die Hilfe der sogenannten Schattenkinder dankbar an, hinterfragen diese oft nicht und erzählen in Beratungsgesprächen:
"Der Sohn oder die Tochter – das funktioniert super. Die ist total engagiert, die arbeitet in der Schule gut mit, und die funktioniert. Ich würde sagen, das kann unter diesem Aspekt der Pseudoreife … Kinder werden plötzlich ein bisschen erwachsener, als sie sein dürften in dem Alter, die funktionieren, und die sehen, ihre Eltern sind im Ausnahmezustand und unterstützen sie nach besten Wissen und Gewissen. Das Problem ist, dass dieser einfach für eine sehr lange Zeit anhalten kann und dass aus diesem Funktionieren ein Zurückschrauben oder nur ein sehr vorsichtiges Formulieren von eigenen Bedürfnissen wird."
Solche Erfahrungen hat auch Lisa gemacht.
"Zum Beispiel, wenn wir mal in die Stadt ein Eis essen gehen wollten auch mit meiner Schwester zusammen. Und dann hatte meine Schwester zum Beispiel einen epileptischen Anfall, oder sie war müde oder gerade eingeschlafen, und da hatte meine Schwester in ihren Bedürfnissen immer Vorrang. Und ich weiß, dass mich das immer sehr gestört hat und ich auch ganz klar dann gesagt habe, dass ich das blöd finde. Und da habe ich mich durchaus ungerecht behandelt gefühlt."
"Ich habe aber eben gemerkt, dass ich die Aufmerksamkeit meiner Mutter vor allem dann bekomme, wenn ich mich mit einbringe. Und habe dann auch gemerkt, dass mir das auch Spaß bereitet, sie zu unterstützen, was die Betreuung meiner Schwester angeht. Und ich glaube, dass ich darüber auch versucht habe, die Nähe zu meiner Mutter auch zu behalten und …dass ich das eben schon so wahrnehmen konnte, dass sich die Stimmung insgesamt in der Familie etwas verändert hat. Das war wahrscheinlich auch so ein kleiner Überlebensinstinkt zu sagen, wenn wir die Harmonie behalten wollen, dann muss ich mich mit einbringen, weil ich meine Mutter auch nicht gerne alleine lassen wollte."
Dass die Geschwisterkinder früh Verantwortung übernehmen, sei den Eltern, die mit der Pflege erkrankter oder behinderten Kinder selbst stark gefordert sind, oft nicht klar, weiß Psychologe Florian Schepper aus den Beratungen. Die Eltern nehmen die Hilfe der sogenannten Schattenkinder dankbar an, hinterfragen diese oft nicht und erzählen in Beratungsgesprächen:
"Der Sohn oder die Tochter – das funktioniert super. Die ist total engagiert, die arbeitet in der Schule gut mit, und die funktioniert. Ich würde sagen, das kann unter diesem Aspekt der Pseudoreife … Kinder werden plötzlich ein bisschen erwachsener, als sie sein dürften in dem Alter, die funktionieren, und die sehen, ihre Eltern sind im Ausnahmezustand und unterstützen sie nach besten Wissen und Gewissen. Das Problem ist, dass dieser einfach für eine sehr lange Zeit anhalten kann und dass aus diesem Funktionieren ein Zurückschrauben oder nur ein sehr vorsichtiges Formulieren von eigenen Bedürfnissen wird."
Solche Erfahrungen hat auch Lisa gemacht.
"Zum Beispiel, wenn wir mal in die Stadt ein Eis essen gehen wollten auch mit meiner Schwester zusammen. Und dann hatte meine Schwester zum Beispiel einen epileptischen Anfall, oder sie war müde oder gerade eingeschlafen, und da hatte meine Schwester in ihren Bedürfnissen immer Vorrang. Und ich weiß, dass mich das immer sehr gestört hat und ich auch ganz klar dann gesagt habe, dass ich das blöd finde. Und da habe ich mich durchaus ungerecht behandelt gefühlt."
Was ist mit den Bedürfnissen der Geschwister?
Damit Bruder oder Schwester eines Menschen mit Behinderung nicht unter dem immer wieder Zurückstecken der eigenen Bedürfnisse kaputt gehen, ihre Kindheit als blöd erleben, gibt es mittlerweile Angebote für Kinder und Jugendliche. Diese kommen für Swenja, Dunja und die anderen erwachsenen Geschwister zu spät. Aber es ist gut, dass man sich jetzt mit der Problematik der Heranwachsenden beschäftigt und deren Gefühlsleben im Auge behält, sagt Andreas Podeswik,
"Der GeschwisterCLUB ist ein Oberbegriff für verschiedene Angebote für Geschwister von chronisch Kranken, Behinderten oder Kindern auch mit psychischen Erkrankungen, die einen Bedarf haben, beispielsweise um ihre Bedürfnisse genauer ausdrücken zu können, um mit ihren Gefühlen, Emotionen gut umgehen zu können."
Der Psychologe, Kinder- und Jugendpsychotherapeut Andreas Podeswik hat an der Entwicklung des Präventionskonzeptes "GeschwisterCLUB" mitgearbeitet.
"Der Risikofaktor bei den Geschwisterkindern ist, dass sie ihre Gefühle, ihre Bedürfnisse im Laufe ihres Lebens nicht unbedingt gewöhnt sind zu artikulieren. Wenn die Familie nicht die Plattform einer ausreichenden Kommunikation zur Verfügung stellt, gibt es dann das Problem, dass das Geschwisterkind immer mehr Ängste hat, immer schüchterner wird oder vielleicht zurückgezogener oder auch psychosomatisch auffällig wird … Und wenn sie dann keine Entlastung haben, können Sie eben auffällig werden."
Der GeschwisterCLUB beinhaltet mehrere altersabgestufte Angebote, wie zum Beispiel "Jetzt bin ich mal dran – Geschwistertreff":
"Da geht es darum, dass man lernt, soziale Unterstützung einzufordern, Freundschaften gut zu pflegen oder auch Oma und Opa zu nutzen in Anführungszeichen. Dann gibt es die Fähigkeit, Probleme zu lösen: Wie löse ich eigentlich Schwierigkeiten? Arbeite ich eher handlungsorientiert, versuche ich mit Verhalten das zu steuern, oder probiere ich es emotionsorientiert, dass ich versuche, mich neu zu positionieren? Das sind psychologische Trainings. Da wird man sich als Kind erst einmal darüber bewusst, wie das überhaupt funktioniert, und dann lernt man, die spezifischen Fähigkeiten gezielter einzusetzen."
"Der GeschwisterCLUB ist ein Oberbegriff für verschiedene Angebote für Geschwister von chronisch Kranken, Behinderten oder Kindern auch mit psychischen Erkrankungen, die einen Bedarf haben, beispielsweise um ihre Bedürfnisse genauer ausdrücken zu können, um mit ihren Gefühlen, Emotionen gut umgehen zu können."
Der Psychologe, Kinder- und Jugendpsychotherapeut Andreas Podeswik hat an der Entwicklung des Präventionskonzeptes "GeschwisterCLUB" mitgearbeitet.
"Der Risikofaktor bei den Geschwisterkindern ist, dass sie ihre Gefühle, ihre Bedürfnisse im Laufe ihres Lebens nicht unbedingt gewöhnt sind zu artikulieren. Wenn die Familie nicht die Plattform einer ausreichenden Kommunikation zur Verfügung stellt, gibt es dann das Problem, dass das Geschwisterkind immer mehr Ängste hat, immer schüchterner wird oder vielleicht zurückgezogener oder auch psychosomatisch auffällig wird … Und wenn sie dann keine Entlastung haben, können Sie eben auffällig werden."
Der GeschwisterCLUB beinhaltet mehrere altersabgestufte Angebote, wie zum Beispiel "Jetzt bin ich mal dran – Geschwistertreff":
"Da geht es darum, dass man lernt, soziale Unterstützung einzufordern, Freundschaften gut zu pflegen oder auch Oma und Opa zu nutzen in Anführungszeichen. Dann gibt es die Fähigkeit, Probleme zu lösen: Wie löse ich eigentlich Schwierigkeiten? Arbeite ich eher handlungsorientiert, versuche ich mit Verhalten das zu steuern, oder probiere ich es emotionsorientiert, dass ich versuche, mich neu zu positionieren? Das sind psychologische Trainings. Da wird man sich als Kind erst einmal darüber bewusst, wie das überhaupt funktioniert, und dann lernt man, die spezifischen Fähigkeiten gezielter einzusetzen."
Auch die Eltern mit einbinden
Daneben werden auch die Eltern beraten, erklärt Florian Schepper, die mit der Pflege des behinderten Kindes am Limit sind. Sie müssen nicht auf Teufel komm raus Zeit mit den "Schattenkindern" verbringen. Wenn die Zeit knapp ist, ist ´mehr Zeit` ein frommer Wunsch. Aber die Eltern sollen sensibilisiert werden, dass sie es ihren Kindern einfacher machen, ihre Bedürfnisse zu äußern. Außerdem sei es wichtig, über die Erkrankung und deren Auswirkung zu sprechen.
"Das ist auch der Punkt, der mir am häufigsten fehlt in der Begleitung von Geschwisterkindern. Dass viele einfach vergessen, zu fragen, was bedeutet es für dich? … Und diese Bedeutungen zu reflektieren und zu besprechen, hilft den Kindern zu verstehen: ´Was ist die Auswirkung der Behinderung auf mich, und was muss ich machen, damit ich damit gut umgehen kann.`"
Auch Lisa fand es blöd, wenn wieder ein Ausflug wegen Helen ins Wasser fiel. Ihre Mutter hat dann mit ihr gesprochen und es ihr erklärt. Heute als 30-Jährige weiß sie, dass ihrer Mutter die Absagen selbst leidgetan haben, ihr jedoch auch bewusst war, dass so ein pflegeintensives Kind unweigerlich dazu führt, dass die Große etwas zurücktreten und mehr mitmachen muss. Aber: Sie hat versucht, dass auszugleichen.
"Ich kann mich erinnern, dass ich mir die Zeit selbst ein bisschen erzwungenermaßen geholt habe: Ich hatte als Kind häufig einfach Bauchschmerzen, habe es gemocht, wenn meine Mama mich dann von der Schule abgeholt hat. Und einmal war meiner Mama ganz klar, dass ich nicht wirklich Bauchschmerzen habe …, und dann waren wir was essen und sind ein bisschen durch die Stadt gebummelt. Und ich war total überrascht, dass sie das jetzt macht, und da hat sie gesagt: ‚Lisa, ich glaube, du brauchst einfach wieder ein bisschen mehr Mama-Zeit. Und hat es dann mit meiner Schwester noch einmal aufgegriffen und hat gesagt, dass sie weiß, dass es nicht immer so leicht ist, sie aber trotzdem hofft, dass ich weiß, dass sie mich genauso liebt."
"Das ist auch der Punkt, der mir am häufigsten fehlt in der Begleitung von Geschwisterkindern. Dass viele einfach vergessen, zu fragen, was bedeutet es für dich? … Und diese Bedeutungen zu reflektieren und zu besprechen, hilft den Kindern zu verstehen: ´Was ist die Auswirkung der Behinderung auf mich, und was muss ich machen, damit ich damit gut umgehen kann.`"
Auch Lisa fand es blöd, wenn wieder ein Ausflug wegen Helen ins Wasser fiel. Ihre Mutter hat dann mit ihr gesprochen und es ihr erklärt. Heute als 30-Jährige weiß sie, dass ihrer Mutter die Absagen selbst leidgetan haben, ihr jedoch auch bewusst war, dass so ein pflegeintensives Kind unweigerlich dazu führt, dass die Große etwas zurücktreten und mehr mitmachen muss. Aber: Sie hat versucht, dass auszugleichen.
"Ich kann mich erinnern, dass ich mir die Zeit selbst ein bisschen erzwungenermaßen geholt habe: Ich hatte als Kind häufig einfach Bauchschmerzen, habe es gemocht, wenn meine Mama mich dann von der Schule abgeholt hat. Und einmal war meiner Mama ganz klar, dass ich nicht wirklich Bauchschmerzen habe …, und dann waren wir was essen und sind ein bisschen durch die Stadt gebummelt. Und ich war total überrascht, dass sie das jetzt macht, und da hat sie gesagt: ‚Lisa, ich glaube, du brauchst einfach wieder ein bisschen mehr Mama-Zeit. Und hat es dann mit meiner Schwester noch einmal aufgegriffen und hat gesagt, dass sie weiß, dass es nicht immer so leicht ist, sie aber trotzdem hofft, dass ich weiß, dass sie mich genauso liebt."
Wenn gesunde Geschwister selbst Kinder bekommen möchten
Egal, wie gut eine Familie diese Herausforderung meistert, gesunde Geschwisterkinder sind ein Leben lang in einer besonderen Situation, sagt Florian Schepper. Das zeige sich besonders in biografischen Umbruchsituationen. Da können Geschwister in Dilemmata geraten, die sich andere nicht vorstellen können.
Solche Umbruchsituationen sind die Zeit der Partnersuche, später die Gründung einer eigenen Familie. Ohne es bewusst auszusprechen, fragen sie sich: Muss meine Partnerin meinen Bruder mögen? Darf ich ohne Weiteres eine Familie gründen? Und was ist mit Pränatal-Diagnostik? Diese Frage hat Dunja Batarilo fast an den Rand des Wahnsinns getrieben.
"Ich bin ja die, die mein Leben lang dafür geworben hat, mein Bruder hat Downsyndrom, aber das ist voll der coole Typ … Ich, die ich meine ganze Kindheit lang für diesen Bruder gekloppt habe, wenn ihm jemand blöd kam, die ihn verteidigt und schützt überall –, wie kann denn ich überhaupt erwägen, dass ich so ein Kind abtreiben würde? Das hat sich für mich einfach nach totalem Verrat angefühlt ... Und dann in mir selber irgendwann einzugestehen, ich habe da aber selber eine Wahnsinnsangst davor… Das war für mich so schwierig, zu akzeptieren."
Als diese Angst in ihr Leben trat, erzählt die freie Journalistin, war sie 38 Jahre alt. Ein Hexenschuss jagt den anderen, es folgt ein Bandscheibenvorfall. Keine Reha, keine Physiotherapie hilft, bald kann sie nicht mehr schlafen. Und das alles nur, weil sie sich ein Kind wünschte. Aber was ist, wenn es behindert ist? Darf ich ein krankes Kind abtreiben, darf ich Diagnostik machen? Solche Fragen stellen sich auch andere Geschwisterkinder. Sie stehen im direkten Zusammenhang mit ihrem Leben, mit dem Leben der eigenen Schwester, des eigenen Bruders und deren Lebensrecht.
"Was ist denn die Liebe zu meinem Bruder wert, wenn ich sage, aber so ein Wesen bitte nicht noch mal? Bin ich wirklich, wie ich immer dachte, wenn ich mir jetzt solche Fragen stelle? Ist es überhaupt denkbar zu sagen, Nein, will ich nicht, weil das schaff ich gar nicht noch mal."
Mit ihrer Frauenärztin konnte sie darüber nicht sprechen. Schließlich gibt es ja die Diagnostik. Sie fühlte sich nicht verstanden und schwieg, versuchte das mit sich allein auszumachen und fühlte sich immer schlechter. Sie musste über ihre Ängste reden. Doch mit wem?
"Ich bin irgendwann an so eine Schwangerschaftsberatungsstelle herangetreten und habe gesagt, meine Schwierigkeiten liegen vor der Schwangerschaft. Gibt es bei Ihnen jemanden, mit dem ich sprechen kann? Das habe ich gemacht. Die hatten diese Geschwistersituation nicht auf dem Zettel. Aber ich war ganz überrascht. Ah, da gibt es eine Stelle, da kann ich unbürokratisch einfach mal hingehen. Ich glaube, auf die Idee kommen gar nicht viele Leute und das wäre schön, das zu wissen, das zu publik zu machen, das ist ja eine Hilfestellung."
Solche Umbruchsituationen sind die Zeit der Partnersuche, später die Gründung einer eigenen Familie. Ohne es bewusst auszusprechen, fragen sie sich: Muss meine Partnerin meinen Bruder mögen? Darf ich ohne Weiteres eine Familie gründen? Und was ist mit Pränatal-Diagnostik? Diese Frage hat Dunja Batarilo fast an den Rand des Wahnsinns getrieben.
"Ich bin ja die, die mein Leben lang dafür geworben hat, mein Bruder hat Downsyndrom, aber das ist voll der coole Typ … Ich, die ich meine ganze Kindheit lang für diesen Bruder gekloppt habe, wenn ihm jemand blöd kam, die ihn verteidigt und schützt überall –, wie kann denn ich überhaupt erwägen, dass ich so ein Kind abtreiben würde? Das hat sich für mich einfach nach totalem Verrat angefühlt ... Und dann in mir selber irgendwann einzugestehen, ich habe da aber selber eine Wahnsinnsangst davor… Das war für mich so schwierig, zu akzeptieren."
Als diese Angst in ihr Leben trat, erzählt die freie Journalistin, war sie 38 Jahre alt. Ein Hexenschuss jagt den anderen, es folgt ein Bandscheibenvorfall. Keine Reha, keine Physiotherapie hilft, bald kann sie nicht mehr schlafen. Und das alles nur, weil sie sich ein Kind wünschte. Aber was ist, wenn es behindert ist? Darf ich ein krankes Kind abtreiben, darf ich Diagnostik machen? Solche Fragen stellen sich auch andere Geschwisterkinder. Sie stehen im direkten Zusammenhang mit ihrem Leben, mit dem Leben der eigenen Schwester, des eigenen Bruders und deren Lebensrecht.
"Was ist denn die Liebe zu meinem Bruder wert, wenn ich sage, aber so ein Wesen bitte nicht noch mal? Bin ich wirklich, wie ich immer dachte, wenn ich mir jetzt solche Fragen stelle? Ist es überhaupt denkbar zu sagen, Nein, will ich nicht, weil das schaff ich gar nicht noch mal."
Mit ihrer Frauenärztin konnte sie darüber nicht sprechen. Schließlich gibt es ja die Diagnostik. Sie fühlte sich nicht verstanden und schwieg, versuchte das mit sich allein auszumachen und fühlte sich immer schlechter. Sie musste über ihre Ängste reden. Doch mit wem?
"Ich bin irgendwann an so eine Schwangerschaftsberatungsstelle herangetreten und habe gesagt, meine Schwierigkeiten liegen vor der Schwangerschaft. Gibt es bei Ihnen jemanden, mit dem ich sprechen kann? Das habe ich gemacht. Die hatten diese Geschwistersituation nicht auf dem Zettel. Aber ich war ganz überrascht. Ah, da gibt es eine Stelle, da kann ich unbürokratisch einfach mal hingehen. Ich glaube, auf die Idee kommen gar nicht viele Leute und das wäre schön, das zu wissen, das zu publik zu machen, das ist ja eine Hilfestellung."
Nicht bereit für die Familienplanung
"Ich bin froh, dass es bei meinem Bruder nur ein Geburtsunfall war."
Sagt Sascha Velten über seinen Bruder Marcel.
"Er ist in Steißlage geboren. Er ist bei der Geburt stecken geblieben, Sauerstoffmangel, Gehirnbluten und deswegen hatte er diese Behinderung."
Als die Familienplanung bei Sascha und seiner Frau anstand, hat ihn das noch einmal sehr beschäftigt.
"Wir haben vorher mit der Hebamme gesprochen, kommt eine Hausgeburt infrage? Das kam für mich überhaupt nicht infrage, weil ich diese Sorge vor diesem Geburtsmoment hatte."
Der 48-Jährige ist IT-Fachmann, sein Bruder Marcel lebt in einer eigenen Wohnung mit 24-Stunden-Assistenz. Der 45-Jährige ist auf ständige Hilfe angewiesen. Die eigene Familienplanung hat Sascha vor sich hergeschoben, war irgendwie noch nicht bereit.
"Ich habe doch bis vor Kurzem quasi ein Kind gehabt, also meinen Bruder, den ich immer wieder mit versorgt habe, der ganz viel Aufmerksamkeit brauchte… Im Grunde habe ich gedacht, Mensch, ist doch jetzt erst mal schön, dass ich da so raus bin, und ich brauche jetzt keinen, um den ich mich kümmern muss. Ich hätte noch ein paar Jahre warten können mit dem Kind, weil ich kein Bedürfnis hatte, jetzt wieder jemanden zu umsorgen. Andererseits wollte ich auch nicht noch viel älter werden, und insofern ist es schön, dass wir dann Kinder bekommen haben. Aber das hat mich noch mal doll beeinflusst."
Sagt Sascha Velten über seinen Bruder Marcel.
"Er ist in Steißlage geboren. Er ist bei der Geburt stecken geblieben, Sauerstoffmangel, Gehirnbluten und deswegen hatte er diese Behinderung."
Als die Familienplanung bei Sascha und seiner Frau anstand, hat ihn das noch einmal sehr beschäftigt.
"Wir haben vorher mit der Hebamme gesprochen, kommt eine Hausgeburt infrage? Das kam für mich überhaupt nicht infrage, weil ich diese Sorge vor diesem Geburtsmoment hatte."
Der 48-Jährige ist IT-Fachmann, sein Bruder Marcel lebt in einer eigenen Wohnung mit 24-Stunden-Assistenz. Der 45-Jährige ist auf ständige Hilfe angewiesen. Die eigene Familienplanung hat Sascha vor sich hergeschoben, war irgendwie noch nicht bereit.
"Ich habe doch bis vor Kurzem quasi ein Kind gehabt, also meinen Bruder, den ich immer wieder mit versorgt habe, der ganz viel Aufmerksamkeit brauchte… Im Grunde habe ich gedacht, Mensch, ist doch jetzt erst mal schön, dass ich da so raus bin, und ich brauche jetzt keinen, um den ich mich kümmern muss. Ich hätte noch ein paar Jahre warten können mit dem Kind, weil ich kein Bedürfnis hatte, jetzt wieder jemanden zu umsorgen. Andererseits wollte ich auch nicht noch viel älter werden, und insofern ist es schön, dass wir dann Kinder bekommen haben. Aber das hat mich noch mal doll beeinflusst."
Auch gesunde Geschwister können krank werden
Als sein Bruder behindert zur Welt kam, war Sascha drei Jahre alt. Die Behinderung war für ihn Normalität, auch die Hilfe, die Marcel brauchte und die er von den Eltern und Sascha bekam. Heute kümmert er sich immer noch um Marcel, der als nicht sprechender Mensch psychische Probleme hat.
"Er hat mit Panik- und Angstattacken zu tun … Da braucht er Unterstützung. Das geht durch Medikamente, aber auch durch Aufmerksamkeit. Manchmal durch Videokonferenzen oder Telefonate, aber manchmal nur durch persönlich dann mal schnell hinfahren und dem Bruder da unterstützen in dieser Situation, dass er da rauskommt aus dieser Panikattacke."
Schwester oder Bruder eines behinderten Kindes zu sein, ist keine Krankheit, betont Florian Schepper. Es ist per se auch kein behandlungsbedürftiger Zustand. Die Studienlage allerdings zeigt, dass Geschwisterkinder ein erhöhtes Risiko haben, an einer posttraumatischen Belastung oder Depression zu erkranken.
"Man hat halt mehrere Lebensfaktoren, die wirken dann stärker vor dem Hintergrund eines ´Belastungsrauschens` in der Familie", sagt der Psychologe Florian Schepper. "Sie könnten an dieser Stelle auch die chronische Erkrankung ersetzen durch zum Beispiel die chronische Erkrankung der Mutter oder den Verlust einer Person. Das ist halt ein Risikofaktor. Und das Leben besteht halt manchmal aus mehr und manchmal aus weniger Risikofaktoren und wenn die aber kumulieren, dann steigt das Risiko für eine psychische Erkrankung."
Vor sieben Jahren ist auch Sascha krank geworden, hatte Angstzuständen, konnte kein normales Leben führen und erkannte, dass er die Fürsorge für seinen Bruder zurückstellen muss. Einfach sei das nicht gewesen, sagt er, aber absolut notwendig:
"Ich habe alles Recht, das zu tun. Was sich nicht gut anfühlt, das ist … Ich nenne das so ein emotionales Dilemma. Ich nehme mich zurück, um mich um mich zu kümmern, kann weniger fürsorglich für meinen Bruder sein. Weiß und erlebe auch, dass es ihn dann aber auch schlechter geht. Wenn ich weiß, dass es ihm schlechter geht – allein durch das Wissen –, geht es mir aber auch wieder schlecht. Das ist das Dilemma. Und das ist ganz schrecklich, damit zurechtzukommen.
"Er hat mit Panik- und Angstattacken zu tun … Da braucht er Unterstützung. Das geht durch Medikamente, aber auch durch Aufmerksamkeit. Manchmal durch Videokonferenzen oder Telefonate, aber manchmal nur durch persönlich dann mal schnell hinfahren und dem Bruder da unterstützen in dieser Situation, dass er da rauskommt aus dieser Panikattacke."
Schwester oder Bruder eines behinderten Kindes zu sein, ist keine Krankheit, betont Florian Schepper. Es ist per se auch kein behandlungsbedürftiger Zustand. Die Studienlage allerdings zeigt, dass Geschwisterkinder ein erhöhtes Risiko haben, an einer posttraumatischen Belastung oder Depression zu erkranken.
"Man hat halt mehrere Lebensfaktoren, die wirken dann stärker vor dem Hintergrund eines ´Belastungsrauschens` in der Familie", sagt der Psychologe Florian Schepper. "Sie könnten an dieser Stelle auch die chronische Erkrankung ersetzen durch zum Beispiel die chronische Erkrankung der Mutter oder den Verlust einer Person. Das ist halt ein Risikofaktor. Und das Leben besteht halt manchmal aus mehr und manchmal aus weniger Risikofaktoren und wenn die aber kumulieren, dann steigt das Risiko für eine psychische Erkrankung."
Vor sieben Jahren ist auch Sascha krank geworden, hatte Angstzuständen, konnte kein normales Leben führen und erkannte, dass er die Fürsorge für seinen Bruder zurückstellen muss. Einfach sei das nicht gewesen, sagt er, aber absolut notwendig:
"Ich habe alles Recht, das zu tun. Was sich nicht gut anfühlt, das ist … Ich nenne das so ein emotionales Dilemma. Ich nehme mich zurück, um mich um mich zu kümmern, kann weniger fürsorglich für meinen Bruder sein. Weiß und erlebe auch, dass es ihn dann aber auch schlechter geht. Wenn ich weiß, dass es ihm schlechter geht – allein durch das Wissen –, geht es mir aber auch wieder schlecht. Das ist das Dilemma. Und das ist ganz schrecklich, damit zurechtzukommen.
Kinder beobachten ihre Eltern, beobachten die Familie und sehen, was dort eine Normalität ist. Sie sehen, dass eine Überforderung die neue Normalität ist. Und ich lerne ja oftmals auch, darüber hinweg gehen zu müssen, weil es gerade die Situation erfordert … Und dann ist die eigene Belastbarkeit, der ‚blinde Fleck‘, zu dem man nicht gucken möchte und nicht gucken darf. Bis es irgendwann mal nicht mehr anders geht."
Und wenn die Eltern irgendwann nicht mehr können?
Erwachsene Geschwister müssen sich auch mit der Frage auseinandersetzen: Was ist, wenn die Eltern nicht mehr können? Muss ich dann die Betreuung übernehmen? Was ist, wenn ich es nicht leisten kann oder will? Auch Sascha hat sich damit auseinandergesetzt. Nach seiner Genesung hat er ein klärendes Gespräch mit seinem Bruder und den Eltern geführt – eine emotionale Achterbahnfahrt für alle Beteiligten.
"Ich habe versucht, in diesem klärenden Gespräch deutlich zu machen, dass ich das Potenzial habe, in Überlast zu geraten, selbst krank zu werden, dass ich sage, wo meine Grenzen sind. Und dazu gehört auch zu sagen, pass auf, das, was die Eltern für dich, Marcel, tun, das kann ich so nicht 1:1 übernehmen. Ich werde für dich als Bruder da sein, aber ich werde nicht den Job der Eltern übernehmen und kann auch nicht Deinen täglichen Tagesablauf irgendwie mitgestalten. Ich kann dich unterstützen, aber nicht komplett."
Heute springt Sascha nur noch ab und zu bei der Pflege ein, wenn nicht genug Assistenten da sind, übernimmt teilweise Dienste. Zur Überbrückung betont Sascha.
Nicht immer muss das Kind erst in den Brunnen fallen, meint Florian Schepper. Wie man sich in einer solchen besonderen Geschwisterkonstellation entwickelt, ist nicht vorhersehbar. Darum sind Präventionsprogramme enorm wichtig, nicht nur für Kinder und Jugendliche.
"Bevor jemand Hilfe erhält, muss er in der Regel eine psychische Erkrankung entwickeln. Und da frage ich mich, ob das richtig ist? Reichen nicht die Belastungssymptome aus, auch im Sinne der Prävention, um zu sagen, mir geht es jetzt gerade nicht gut in meiner Familie. Ich mache jetzt schon ganz viel und mir steht schon bis oben hin. Und reicht das nicht aus, um eine Form von professioneller Unterstützung zu bekommen, die dann vielleicht nur fünf Sitzungen dauert, statt irgendwann einmal: ´Ich kann nicht mehr, ich habe eine Depression oder einen Burn-out entwickelt. Ich brauche Therapie mit mindestens 24 oder mehr Sitzungen.`"
Strukturierte Hilfsangebote wie für Kinder und Jugendliche, gibt es für die schon erwachsenen Geschwister leider nicht. Nur vereinzelt findet man Seminare oder Treffen, wie in der Janusz-Korczak-Geschwisterbücherei. Deshalb hat 2014 Sascha Velten zusammen mit anderen Mitstreitern die Plattform "Erwachsene Geschwister.de" ins Leben gerufen, die sich regelmäßig treffen, miteinander austauschen: bei regionalen Stammtischen, bei überregionalen Geschwistermeetings oder auch online. Als Unterstützung für erwachsene Geschwister reicht dies aber nicht aus, da sind sich Betroffene und Therapeuten einig.
"Ich wünsche mir, dass es eine große Aufmerksamkeit, ein gutes Gespür dafür gibt, dass Geschwister von Menschen mit Behinderung oft besondere Herausforderung haben, erklärt Sascha Velten. "Ich wünsche mir, dass es wirklich einfach sehr viel einfacher wird, unsere Geschwister zu unterstützen … Jegliche Unterstützung erfordert einen immens großen Aufwand und das zehrt an unseren Kräften und das soll besser werden."
Und Florian Schepper sagt: "Ich wünsche mir, dass sie insgesamt im Gesundheitssystem verstehen, dass die Erkrankung eines Kindes immer ein Familienthema ist und dass man die Familie als Ganzes begleiten muss. Dass es nicht ausreicht, das erkrankte Kind zu begleiten. Das ist mein großer Wunsch."
(*) Wollten nur mit Vornamen und ohne Ortsangabe genannt werden.
"Ich habe versucht, in diesem klärenden Gespräch deutlich zu machen, dass ich das Potenzial habe, in Überlast zu geraten, selbst krank zu werden, dass ich sage, wo meine Grenzen sind. Und dazu gehört auch zu sagen, pass auf, das, was die Eltern für dich, Marcel, tun, das kann ich so nicht 1:1 übernehmen. Ich werde für dich als Bruder da sein, aber ich werde nicht den Job der Eltern übernehmen und kann auch nicht Deinen täglichen Tagesablauf irgendwie mitgestalten. Ich kann dich unterstützen, aber nicht komplett."
Heute springt Sascha nur noch ab und zu bei der Pflege ein, wenn nicht genug Assistenten da sind, übernimmt teilweise Dienste. Zur Überbrückung betont Sascha.
Nicht immer muss das Kind erst in den Brunnen fallen, meint Florian Schepper. Wie man sich in einer solchen besonderen Geschwisterkonstellation entwickelt, ist nicht vorhersehbar. Darum sind Präventionsprogramme enorm wichtig, nicht nur für Kinder und Jugendliche.
"Bevor jemand Hilfe erhält, muss er in der Regel eine psychische Erkrankung entwickeln. Und da frage ich mich, ob das richtig ist? Reichen nicht die Belastungssymptome aus, auch im Sinne der Prävention, um zu sagen, mir geht es jetzt gerade nicht gut in meiner Familie. Ich mache jetzt schon ganz viel und mir steht schon bis oben hin. Und reicht das nicht aus, um eine Form von professioneller Unterstützung zu bekommen, die dann vielleicht nur fünf Sitzungen dauert, statt irgendwann einmal: ´Ich kann nicht mehr, ich habe eine Depression oder einen Burn-out entwickelt. Ich brauche Therapie mit mindestens 24 oder mehr Sitzungen.`"
Strukturierte Hilfsangebote wie für Kinder und Jugendliche, gibt es für die schon erwachsenen Geschwister leider nicht. Nur vereinzelt findet man Seminare oder Treffen, wie in der Janusz-Korczak-Geschwisterbücherei. Deshalb hat 2014 Sascha Velten zusammen mit anderen Mitstreitern die Plattform "Erwachsene Geschwister.de" ins Leben gerufen, die sich regelmäßig treffen, miteinander austauschen: bei regionalen Stammtischen, bei überregionalen Geschwistermeetings oder auch online. Als Unterstützung für erwachsene Geschwister reicht dies aber nicht aus, da sind sich Betroffene und Therapeuten einig.
"Ich wünsche mir, dass es eine große Aufmerksamkeit, ein gutes Gespür dafür gibt, dass Geschwister von Menschen mit Behinderung oft besondere Herausforderung haben, erklärt Sascha Velten. "Ich wünsche mir, dass es wirklich einfach sehr viel einfacher wird, unsere Geschwister zu unterstützen … Jegliche Unterstützung erfordert einen immens großen Aufwand und das zehrt an unseren Kräften und das soll besser werden."
Und Florian Schepper sagt: "Ich wünsche mir, dass sie insgesamt im Gesundheitssystem verstehen, dass die Erkrankung eines Kindes immer ein Familienthema ist und dass man die Familie als Ganzes begleiten muss. Dass es nicht ausreicht, das erkrankte Kind zu begleiten. Das ist mein großer Wunsch."
(*) Wollten nur mit Vornamen und ohne Ortsangabe genannt werden.