María Isabel Sánchez Vegara: "Simone de Beauvoir. Little People, Big Dreams"
Übersetzt von Svenja Becker, Illustrationen von Christine Roussey, 2020, 32 Seiten
María Isabel Sánchez Vegara: "Hannah Arendt. Little People, Big Dreams"
Übersetzt von Svenja Becker, Illustrationen von Sophia Martineck, 2020, 32 Seiten
Große Gedanken für kleine Menschen
05:45 Minuten
Von Hannah Arendt bis Rosa Parks: Die Kinderbuchreihe "Little People, Big Dreams" stellt Persönlichkeiten der Zeitgeschichte vor. Die Bände sind kindgerecht und wunderschön gestaltet, aber begegnen sie ihrem Publikum auch auf Augenhöhe?
Fester Karton, griffiges Leinen, anziehende Illustrationen. "Vom Angucken ist das ziemlich gut", findet Alva. Und Martha meint: "Es sieht spannend aus. Sieht aus, als würde ich es lesen müssen!"
Alva und Martha haben ein Buch aus der Reihe "Little People Big Dreams" vor sich. Der Verlag empfiehlt die Reihe für Vier- bis Zehnjährige. Alva und Martha sind sechs und neun Jahre alt und finden die Bilderbücher dann am stärksten, wenn sie die in wenigen Sätzen erzählten Geschichten nachvollziehen können.
"Der Vater ermunterte Simone zum Lesen lernen und sagte oft, sie sei so klug wie ein Junge. Wo ist da bitte der Unterschied, dachte sie, ob das Gehirn einem Jungen oder einem Mädchen gehört", liest Martha aus dem Band über Simone de Beauvoir vor.
"Ist doch völlig gleich!", meint Alva. Jungen und Mädchen hätten zwar jeder ein anderes Gehirn, aber beide seien gleich schlau.
Unnötig verkopfte Wortwahl
Schwierig wird es, wenn Begriffe einfach in den Raum gestellt werden, was in manchem Band öfter geschieht, etwa in dem über Hannah Arendt.
Da heißt es: "Auf dem Schulhof beschimpften ein paar Jungen und Mädchen Hannah, weil sie jüdisch war".
Was bedeutet jüdisch, will Alva wissen. Aber das wird genauso wenig erklärt wie die Tatsache, dass Hannah Arendt als Jüdin beschimpft wurde. Oder was eine Gasthörerin an der Uni sein soll oder was Bravour bedeutet. "Politische Theorie" und "Philosophie" bleiben genau so als Begriffe im Raum stehen wie "Hitler und seine rassistische Partei".
Gesprächsanregungen sind in Kinderbüchern herzlich willkommen. Hier verklebt eine unnötig verkopfte Wortwahl den Blick auf Hannah Arendts wichtige Gedanken. Auch bei Simone de Beauvoir wurde die Chance vertan, nachvollziehbare Ideen nachvollziehbar aufzubereiten.
"Für Aufregung sorgte später ‘Das andere Geschlecht’, ihr großes Werk über Frauen", heißt es da. "Darin schrieb sie, dass Frausein nicht angeboren ist. Fast alles daran ist gelerntes Verhalten. Also können wir es auch verändern."
Martha versteht das nicht. Was glaubt ihr, seid ihr Frauen, frage ich die beiden.
Ja, meinen sie. Wir sind Mädchen. Alva erklärt, warum: "Jungs haben nämlich keine Busen und wir haben Busen. Und es haben nicht so viele lange Haare."
Warum haben die denn keine langen Haare?
"Lange Haare passen nicht so gut zu Jungs", findet Alva. "Und sonst erkennt man ja nicht, ob das ein Junge ist oder nicht."
Große Gedanken sind auch für kleine Menschen spannend
Weiter heißt es in dem Band: "Die kleine Simone hat uns beigebracht, dass ob wir Mann oder Frau sind keinen Unterschied macht. Weil das eigentlich Bedeutende im Leben ist, welche Entscheidungen ein Mensch für sein Menschsein trifft."
Was damit gemeint ist? Martha sagt: "Ich weiß nicht." Und Alva findet, nein, das sei nicht egal.
Der Band über Simone de Beauvoir lässt die Kinder etwas ratlos zurück. Was hängen geblieben ist: Simones Vater hat, als sie noch ein Kind war, im Haushalt keinen Finger krumm gemacht. Von da an wurde es abstrakt.
Schade. Denn große Gedanken können auch für kleine Menschen spannend sein. Nur müssten sich die großen Menschen trauen, sie auf Augenhöhe mit den Kindern zu besprechen.
Das gelingt der Autorin der bereits 2019 erschienenen Lebensgeschichte von Rosa Parks viel besser:
"Morgens brachte der Bus die weißen Kinder zu ihrer weißen Schule. Rosa durfte nicht einsteigen, sie musste den weiten Weg zur Schule für schwarze Kinder zu Fuß gehen"
"Das ist ungerecht!", sagt Martha. Alva findet das auch: "Ja! Nur weil die Weißen weiß sind. Die Braunen sind doch auch wertvoll. Alle Menschen sind wertvoll."
Die Geschichte von Rosa Parks wird kindgerecht erzählt
Lebensnah und kindgerecht werden die jungen Leserinnen und Leser in die Geschichte gezogen.
"Rosa hat sich auf einen Platz hingesetzt", erklärt Alva. "Und dann kommt so’n Weißer und dann sagt der Busfahrer: Steh auf, ein Weißer kommt und der möchte sich hinsetzen. Und dann sagt Rosa: Nein."
Und das finden beide Mädchen: "Richtig!"
"Little People Big Dreams": eine wunderschön anzuschauende Buchreihe für Erwachsene, die nur in ihren besten Bänden auch für Kinder den richtigen Ton trifft.