Jetse Batelaans Stück "(.....) – Ein Stück, dem es scheißegal ist, dass sein Titel vage ist" ist ab dem 18. September bei der Ruhrtriennale zu sehen.
Die Bühne als Ort des kontrollierten Risikos
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Wie können Kinder mit dem Unbekannten – aber auch Unangenehmen konfrontiert werden? Für den Regisseur Jetse Batelaan ist das Theater der ideale Ort dafür. In den Niederlanden könne er da auf eine Tradition zurückblicken.
Kinder- und Jugendtheater ist in Deutschland an vielen Stadttheatern noch immer so etwas wie die Bildungssparte, mit der junge Menschen behutsam an die fremde Welt des Theaters herangeführt werden sollen. Dass das auch ganz anders geht, zeigt der niederländische Regisseur Jetse Batelaan, der mit den komplexen und herausfordernden Arbeiten seines Theaters Artemis als Revolutionär gilt.
Dem Publikum den Spiegel vorhalten
Dafür gab es im Juli einen Silbernen Löwen auf der Biennale in Venedig. Zur Zeit gastiert Jetse Batelaan wieder in Deutschland. Bei der Ruhrtriennale zeigt er ein Stück, in dem drei Teenager über eine Theateraufführung diskutieren, von der das Publikum erst nach und nach begreift, dass es die ist, die es gerade sieht.
Dabei bereitet schon der Titel des Abends gewisse Schwierigkeiten: "(…..)" – fünf kleine Punkte zwischen zwei Klammern. Aber Theater sei eben etwas, dem man sich aktiv widersetzen müsse, sagt Batelaan. "Ich finde diesen Widerstand sehr sinnvoll. Vor allem, wenn man dabei an Kinder und Teenager denkt."
Dadurch entstehe eine gewisse kreative Energie – und etwas Neues. "Denn wenn man etwas nicht mag oder sich vielleicht langweilt, dann kommen einem zugleich auch Ideen: Könnte das vielleicht anders sein?"
Konfrontation mit dem Unbekannten
Dies bedeute auch sofort Kommunikation, sagt Batelaan. Ihm gehe es darum, dass das Stück mit dem Publikum in Kommunikation trete. Das sei bei ihm der Hauptkonflikt, denn er interessiere sich generell nicht sonderlich für Konflikte zwischen Figuren. "Konflikt findet bei mir zwischen Bühne und Zuschauern statt, die dann gemeinsam das Stück gestalten", sagt er.
Dazu gehöre auch, dass sich im Theater Situationen erproben und erfahren lassen, die Kinder und junge Menschen im wirklichen Leben als unangenehm oder sogar verstörend erleben. "Für mich ist das Theater ein Ort, an dem man Risiken eingehen kann. Man darf dort Momente der Panik und der Angst erzeugen, weil es letztlich eine kontrollierte Situation ist", sagt Batelaan.
Deshalb sei das Theater auch ein großartiger Ort, um Kinder mit dem Unangenehmen und Unbekannten zu konfrontieren. Er habe großes Vertrauen in die Fähigkeit von Kindern und Jugendlichen, mit solchen Situationen umgehen zu können. Auch wenn die natürliche Reaktion zunächst sein möge: Da will ich nicht reingehen, ich verstehe das nicht. Man lerne hier doch, dass man gemeinsam einen Weg durch das Unbekannte finden könne. "Da dürfen wir also meiner Meinung nach ruhig noch ein bisschen ambitionierter sein", unterstreicht Batelaan.
Jetse Batelaan versteht den hohen Anspruch seines Theater deshalb auch als Gegenentwurf zu einer gesellschaftlichen Tendenz, die permanent bestrebt sei, Kindern alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Momente der Langeweile und der Widerspenstigkeit würden dadurch immer rarer.
In den Niederlanden längst als Kunst etabliert
Im Vergleich zu Deutschland werde das Kinder- und Jugendtheater in den Niederlanden und Belgien seit vielen Jahren auch von der Kritik ernstgenommen und sogar als Experimentierfeld für die Erneuerung des Theaters überhaupt wahrgenommen. Das habe für Batelaan auch strukturelle Gründe: Denn in den beiden Benelux-Ländern gebe es schon seit Ende der 1970er-Jahre eine Tradition kleiner, unabhängiger Theaterkompanien.
"Die Freie Szene ist quasi unsere Hauptszene", sagt Batelaan. Das bedeute aber auch, dass die meisten Schauspieler freischaffend arbeiteten und es unter den Bühnenbildnern, Regisseuren und Schauspielern eine Menge Austausch zwischen dem Theater für Erwachsene und dem für junges Publikum gebe. Es sei nicht gar nicht ungewöhnlich, dass man beides mache. "Zudem ist der Auftrag der staatlichen Förderung an uns ganz klar: Kunst für Kinder zu machen", unterstreicht Batelaan.