Privat-Nanny, übernehmen Sie!
Der Kampf um Betreuungsplätze für Kleinkinder ist auch in Köln voll entbrannt. In der Millionenstadt am Rhein sorgt das Ringen um Kita-Plätze und Tagesmütter auch dafür, dass es alternative Modelle gibt.
Die Musik spielt im Schaufenster. Hier, im Ladenlokal eines früheren Kiosks im Kölner Stadtteil Ehrenfeld hüpfen ein halbes Dutzend kleiner Kinder herum, spielen mit Polizei-Autos auf dem Boden. Es ist laut, es ist die Zeit nach dem Frühstück: Willkommen bei den Kölner Zwergen, oder – wie es offiziell heißt – bei der "Integrativen Kindertagespflege Kölner Zwerge". In der Verwaltung läuft eine solche private Initiative unter dem sperrigen Begriff "Großtagespflege":
"Der kommt leider aus dem bürokratischen. Das ist so vom Landesjugendamt oder von den Gesetzen vorgegeben. Ich finde es auch nicht so schön."
Erklärt Gründerin Andrea Thomas. Daher auch der Name "Kölner Zwerge", denn:
"Es gibt leider keinen anderen Begriff, weil alles andere wie Kita und Kindergarten, Kindertagesstätten sind Begriffe von Einrichtungen. Wir sind keine Einrichtung, sondern wir sind am Ende Tagespflegepersonen, die sich zusammenschließen."
Auf 80 Quadratmetern kümmern sich die 53-jährige Frau mit den langen, blonden Locken und ihr Mann um insgesamt neun Kinder. Darunter ist auch Leonardo, 20 Monate alt. Sein Vater Kolja de Vitis hat ihn vorbeigebracht. Insgesamt 40 Stunden in der Woche verbringt Leonardo bei den Kölner Zwergen. Sein Vater, klein, blonde Haare, schätzt vor allem die Flexibilität des Angebots – auch und gerade außerhalb der Kernöffnungszeiten von 7.30 bis 17 Uhr:
"Wir hatten zum Beispiel auch mal einen Notfall, da musste meine Frau ins Krankenhaus überraschend. Da haben hier die Tageseltern der Kölner Zwerge direkt angeboten, Leonardo, der damals noch vierzehn Monate alt war, sofort über Nacht auch zu nehmen – und das wäre in einem Kindergarten nicht gegangen."
Familiär, flexibel, freundlich – das sind die Attribute, mit denen das Ehepaar Thomas ihr Angebot bewerben kann – und das auch Nicole Gabor überzeugt hat. Sie habe sich auch Kitas angeschaut, aber:
"Das ist natürlich nochmal was anderes, weil auch ältere Kinder unterwegs sind dort. Und weil sie auch größer sind. Hier ist es natürlich so: Zwei Personen auf neun Kinder. Das ist schon sehr… Ein gute Betreuungsschnitt und, klar… Mäuschen, ich kann jetzt gerade nicht, okay?"
Sohn Samuel zieht am Hemdsärmel, will auf den Arm. Bald kommt ein vier Monate altes Baby bei den Zwergen dazu, das älteste Kind ist drei Jahre alt. Auch eine Tagesmutter wäre für Nicol Garber eine Option gewesen, aber die Räumlichkeiten bei den Kölner Zwergen haben sie letztendlich überzeugt. Viel Licht, offen gestaltet:
"Man kommt hier rein, fühlt sich direkt wohl. Das ist natürlich auch was anderes, als bei einer Tagesmutter, die es zuhause macht."
"Großtagespflege" statt Tagesmutter oder Kita. Der Ablauf bei den Kölner Zwergen ist recht einfach strukturiert: Nach dem Frühstück und einer Zwischenzeit, geht es raus auf den Spielplatz. Anschließend Mittagessen und:
"Dann geht es zum Mittagsschlaf. Unsere haben hier ganz tolle Rituale: Ich schreie Schnuller-Abgabe und alles rennt ins Zimmer und legt sich auf seine Plätze und lässt sich zu decken. In der Regel ein bis anderthalb Stunden werden sie schlafen. Dann, wenn sie wach werden, neues Pampers-Update, sagen wir immer. Nachmittagssnack und dann kommen auch die ersten Eltern und holen wieder ab."
Zu wenig Kitaplätz für Kleinkinder
Und das Ehepaar Thomas scheint einen Nerv getroffen zu haben: Zwar sollen nach den Sommerferien in Köln über 12.700 Plätze für Unter-Dreijährige zur Verfügung stehen, doch von der Ursprungsidee, dass 30 Prozent der Kleinkinderbetreuung von Tagesmüttern übernommen werden kann, hat Köln sich nach Medienberichten verabschiedet. Vielmehr soll die Idee, wie sie bei den "Kölner Zwergen" umgesetzt wird, die Zukunft sein:
"Wir haben mittlerweile zwei Großtagespflegen. In beiden Tagespflegen sind jeweils zwei Personen."
Andrea Thomas ist mittlerweile vor die Tür gegangen, um in Ruhe zu erzählen. Ursprünglich arbeitete die gelernte Industriekauffrau, die auch ein Betriebswirtschaftsabschluss hat, in einem Büro, konnte sich den Traum, mit Kindern zu arbeiten, wegen des eigenen Nachwuchs nicht erfüllen. Doch nachdem die drei eigenen Kinder aus dem Haus waren, ging es los: Ursprünglich als Tagesmutter mit drei Kindern, doch…
"Aufgrund der hohen Nachfrage und der Präsenz, haben wir das nach und nach ausgebaut. Nach einem halben Jahr hatte ich fünf Kinder. Anderthalb Jahre später haben wir hier in der Sömmeringsstraße das Objekt eröffnet mit neun Kindern, mein Mann hatte sich entschieden, dazu zu kommen. Und am 1. April haben wir dann die zweite Tagespflege eröffnet, wo zwei Kollegen selbstständig arbeiten."
Dafür gründeten die Thomas eine Personengesellschaft, um auch Vertretungsregelungen zu ermöglichen. Zwei Mal im Jahr ist Urlaubszeit, ansonsten werden Krankheiten oder andere Ausfälle kompensiert. Sprich: Es gibt keine Ausfallzeiten, was für Eltern, das wurde in den Streik-Zeiten noch einmal deutlich, wichtig ist. Auch bei den Öffnungszeiten geben sich die Thomas variabel:
"Wir haben ein Kind, das kommt um zwanzig nach sieben und wir haben zurzeit ein Kind, das bis um Viertel nach fünf bleibt. Also, wir sind da recht flexibel, weil: Ein Stau kann sein. Wir haben sehr viele selbstständig arbeitende Eltern, die dann auch mal mehr Zeit brauchen."
Und die gerne auf das Angebot, das von der Stadt bezuschusst wird und sie selbst einen Eigenanteil tragen müssen, zurückgreifen. Bis zum Jahre 2017 sind die Zwerge ausgebucht. Grund genug, über eine dritte Dependance nachzudenken:
"Wir planen gerade das dritte Objekt zu eröffnen und hoffen, dass wir Vermieter finden, die uns da unterstützen."
Aktuell hat Thomas ein leerstehendes Dekorationsgeschäft gefunden – nur wenige Kilometer entfernt. Nach 80 Quadratmetern hier in der ersten Filiale und 125 im zweiten Objekt, werden es nun wohl 200 Quadratmeter sein. Die Kölner Zwerge, sie wachsen. Nicht nur, was die Anzahl der Objekte angeht.