Kinderbuch: "Beni und Oma in den Gärten der Welt"

Entdeckungsreise in jüdische Pflanzensymbolik

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Der Umschlag von Anna Adams und Eva Lezzis Kinderbuch "Beni und Oma in den Gärten der Welt" zeigt eine Materialcollage, auf der u.a. die Umrisse der Kontinente, viele Tiere und ein Skateboard zu sehen sind.
Anregung zum Selbstgestalten: Eva Lezzis und Anna Adams Kinderbuch erzählt von Kindern, die um den besten Garten-Entwurf wetteifern. © Deutschlandradio / Verlag Hentrich & Hentrich
Von Stefanie Oswalt · 29.10.2021
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Bilderbücher mit jüdischen Hauptfiguren sind auf dem deutschen Buchmarkt selten. Doch nun setzt sich die Geschichte des kleinen Beni und seiner vergesslichen Oma fort. Dieses Mal gehen sie in den neu eröffneten Jüdischen Themengarten in Berlin.
Aufhänger der Geschichte ist Benis kaputtes Skateboard: Er braucht dringend ein neues – aber wer soll es bezahlen? Wie gut, dass es den Wettbewerb "Meine Welt in den Gärten der Welt" gibt. Beni träumt vom Preisgeld und beschließt, ein Kunstwerk zum gerade entstehenden Jüdischen Garten zu schaffen. Bevor es allerdings ans Kunstwerk geht, muss Beni den Garten erst einmal besichtigen – und das in Begleitung seiner vergesslichen Oma.

Oma auf Abwegen

"So ein großer Park, der macht was mit einem, und dann war mir völlig klar, dass es wahrscheinlich darauf hinauslaufen wird, dass in unserer Geschichte Beni und Oma auch ziemlich überwältigt sein werden von diesem Park, vielleicht darin verschwinden", sagt die Künstlerin Anna Adam, die die aufwendigen Illustrationen zum Kinderbuch geschaffen hat.
Tatsächlich verläuft sich Benis demente Oma im Lauf der Geschichte in den verschiedenen Gärten der Welt – und wird später wiedergefunden werden. Auch Anna Adam und die Autorin Eva Lezzi haben die Gärten der Welt besucht, bevor sie sich an die Entwicklung ihres Buchkonzepts gemacht haben, und sich dabei gefragt, wie ein jüdischer Garten aussehen könnte:

Einen jüdischen Garten gibt es nicht

"Nicht nur Juden wissen nicht, was ein jüdischer Garten ist", sagt Adam. "Ich glaube, niemand weiß wirklich, was ein jüdischer Garten ist, weil - es gibt ja keine 'jüdischen' Pflanzen. Es gibt Pflanzen, und es gibt unsere Ideen und Zuordnungen und Fantasien dazu."
Und Eva Lezzi ergänzt: "Wir haben uns viele Gedanken gemacht und recherchiert über die Bedeutung von Pflanzen im Judentum bei den verschiedenen Festen: Bei Pessach, bei Sukkot - und das fließt nebenher schon immer auch in dieses Buch ein."
Allerdings verweigert das Buch geschickt eine bildliche Darstellung des Jüdischen Gartens. Der ist nämlich noch gar nicht fertiggestellt. Stattdessen trifft der sechsjährige Beni erst einmal nur auf Arbeiter der Baustelle.

"Sie falten einen Bauplan auseinander und zeigen, wie die Beete aussehen, und wo sie Wege anlegen werden."

"Und dann kommen Pflanzen aus der Bibel in die Beete rin", sagt der Arbeiter. "Und dort hinten bauen wir so'n Pavillon zum Ausruhen."

"Und wofür sind die?", fragt Beni und deutet auf große Stapel von Rohren und Kabeln am Rand der Baustelle."

"Dadurch, dass das Ganze noch nicht gebaut war und in unserer Geschichte der Beni nur eine Baustelle sieht, ist für ihn und für all die anderen Kinder, die bei dem Wettbewerb mitmachen, das Themenfeld in alle Seiten offen", sagt Anna Adam. "Jedes Kind konnte dort seinen eigenen Garten finden."
So entwickelt Beni als Wettbewerbsbeitrag eine Collage, die neben einem Bagger auch eine reich dekorierte Laubhütte darstellt: "Die erste Sukka, die in den Gärten der Welt gebaut wird."

Überraschung beim Garten-Wettbewerb

Es gehört zu den gut ausgetüftelten Wendungen und Pointen dieser neuen Beni-Geschichte, dass gerade der kleine jüdische Junge mit seiner Vision eines jüdischen Gartens den Wettbewerb nicht gewinnen wird, sondern eine Gruppe von deutschen Jugendlichen in japanischen Manga-Kostümen.
Sie besuchen am gleichen Tag die Gärten der Welt und fotografieren sich vor Kirschblütenbäumen. Als sie die verlorengegangene Oma aufgabeln, finden sie deren Erzählungen so interessant, dass sie beschließen, ebenfalls mit einem Beitrag über einen jüdischen Garten am Wettbewerb teilzunehmen.

"Dann wird das Sieger-Kunstwerk an die Wand projiziert. Es ist ein Film. Zu sehen ist Oma, riesig groß, mitten auf der Leinwand. Sie erzählt, wie wichtig Kräuter und Früchte, Getreide und Düfte bei den jüdischen Festen sind. Aus dem Off reimen ein paar Stimmen:

An Pessach essen wir Juden bittres Kraut,
hier in den Gärten der Welt angebaut.
Das erinnert uns an die Zeit vor 3.000 Jahren,
als wir Sklaven in Ägypten waren."

"Von daher ist das ein Spiegelbild gewesen von dem, was uns immer ein Anliegen ist in unserer Zusammenarbeit", sagt Adam: "dass es letztendlich doch immer wichtig ist, Menschen nicht in Schuhkartons zu stecken, sondern immer wieder neu miteinander, voneinander überraschen zu lassen."

Subtext zu kultureller Aneignung

Dank der intensiven Recherche und der Einbindung der jüdischen Oma gelingt den als japanische Comic-Figuren verkleideten Kindern der Beitrag, der die Jury des Gartenwettbewerbs am meisten überzeugt.

"(Dieser Beitrag) ist jüdisch und interkulturell, und er spricht alle Generationen an. Denn die Gärten der Welt sind für uns alle da!"

Rückblickend ist die Autorin Eva Lezzi selbst verblüfft, wie aktuell ihre Geschichte ist – denn sie sieht hierin auch einen Beitrag zur Diskussion über kulturelle Aneignung:
"Wer ist autorisiert, beispielsweise ein Gedicht von Amanda Gorman zu übersetzen? Muss ich selber schwarz sein, um ihre Sprache ins Deutsche zu übersetzen? Muss ich selber jüdisch sein, um wie diese deutschen Kinder, die Cosplay spielen, also die sich als Manga-Figuren verkleiden - die gewinnen am Schluss diesen Wettbewerb mit einem Gedicht, das sie auf jüdische Traditionen reimen oder erzählen. Sie gewinnen das, und die Frage ist: Warum nicht?"
Doch das mag eine Reflexionsebene für die erwachsenen Leserinnen und Leser dieser Geschichte sein. Für Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter ist "Beni und Oma in den Gärten der Welt" eine anregende Geschichte mit fulminanten, witzigen Illustrationen, in denen es viel zu entdecken gibt.

Eva Lezzi und Anna Adam: "Beni und Oma in den Gärten der Welt"
Hentrich & Hentrich Verlag, Leipzig 2021,
32 Seiten, 14,90 Euro

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