Christine Schwarz, Martin Baltscheit: Gans für Dich
Beltz & Gelberg, Weinheim 2015
40 Seiten, 12,95 Euro
Ab 5 Jahren
Tierische Einblicke
In Illustrationen und Gedichten entführen Christine Schwarz und Martin Baltscheit ihre jungen Leser in eine unbekannte Tierwelt. "Gans für Dich" ist ein wundervolles Buch mit Geschichten von Streit und Versöhnung, Zusammensein und Abschied - und von der großen Liebe.
Schon der Titel ist ein Wortspiel, er signalisiert, was wir da vor uns haben: Gedichte über Tiere, voller Überraschungen und mit großer Wirkung. Für wen ist die Gans in "Gans für Dich"? Für die kleinen und großen Leser natürlich, aber auch für den Fuchs. Eng aneinander geschmiegt lehnen Gans und Fuchs auf dem Umschlagbild, die Augen geschlossen, zwei Verliebte. So innig, dass man sich keine Sorge macht um die Gans.
Bände mit Kindergedichten gibt es wie Sand am Meer. Große und kleine, dicke und dünne Bände, mit langen und kurzen, guten und schlechten Gedichten von Großmeistern und Kleinmeistern. Hier haben wir es mit kleinen Gedichten von zwei Großmeistern zu tun, siebzehn kurze, bisweilen ganz kurze Texte, ihnen gegenüber auf der anderen Buchseite jeweils ein Bild. Nur ein paar der Tiere, Hase, Maus und Spatz, gehören ins Standardrepertoire von Lyrikbänden für Kinder. Ölsardine und Chamäleon, Mistkäfer und Pfaue wie hier sind eher selten.
Entstanden sind diese 17 Gedichte, wie man erfährt, "andersrum": Zuerst gab es die schönen wie hintersinnigen Bilder von Christine Schwarz und dann schrieb Martin Baltscheit die Gedichte dazu - fast wie eine schriftliche Illustration.
Magische Bilder, poetische Texte
Gemalt sind diese Tierbilder mit fast altmeisterlicher Akribie. Die Ölsardinendose, das Giraffenfell, der Pelzkragen des gravitätischen Hasen und die Haare am Bauch des Mistkäfers sind zum Greifen genau. Doch so realistisch diese Tiere im Detail aquarelliert sind, so fantastisch sind die Zusammenhänge, in denen sie stehen. Sie erinnern an die magischen Bilder von Michael Sowa. Der strickende schwarze Menschenaffe mit den bunten Wollknäueln, das bunt gestreifte Zebra, der traurige Pinguin mit der Kerze oder der riesige Wal mit dem winzigen Schmetterling auf dem Maul – die Bilder geben viele Rätsel auf. Eine Geschichte erzählen sie nicht, das überlassen sie dem Betrachter.
Gedichte zu schreiben, die zu diesen geheimnisvollen Bildern passen, ist Kunst. Gute Gedichte zumindest, und diese sind gut. Weil sie die Bilder nicht erklären, sondern weiterspinnen, weil sie die Geheimnisse nicht lüften, sondern ihnen eine komische Wendung ermöglichen. Einige Gedichte könnten auch allein stehen, die meisten aber beziehen sich direkt oder indirekt auf die Bilder und entwerfen mögliche Geschichten über große Liebe und beste Freunde, Streit und Versöhnung, Zusammensein und Abschied. Kleine poetische Spielereien voller Charme und Augenzwinkern.
Nur wenige Gedichte sind pädagogisch angehaucht, die meisten sind glücklicherweise frei von Botschaften. Sie begeistern durch Sprachwitz, lockere Lakonie, überraschende Reime und wechselnde Rhythmen. Eins der schönsten heißt "Gedicht" und erinnert an die Lyrik eines Paul Maars oder Robert Gernhards: "Der Nebel fängt Lügen, die Wahrheit das Licht. Die Sprache fängt Kinder, mit einem Gedicht!" Mit diesem Buch bestimmt.