Dieter Böge/Bernd Mölck-Tassel. Opa Mammut: Eine Familien- Weltgeschichte für Kinder
Verlag Jacoby & Stuart, Berlin 2016
128 Seiten, viele farbige Illustrationen, 19,95 Euro
Empfohlen für Kinder ab 10 Jahren
Vom Höhlenfeuer zum Smartphone
Ein Steinzeitmann blickt in die Zukunft: Mit "Opa Mammut" können junge Leserinnen und Leser durch die Zeit reisen – bis sie in ihrem eigenen Leben heute ankommen. Eine kluge Geschichte der Welt mit Illustrationen wie in einem alten Märchenbuch.
Vor 20.000 Jahren sitzt ein Mann im Eingang einer Höhle, hinter ihm ragen Berge in die Nacht und am Himmel funkeln die Sterne. Vor seinen nackten Füßen lodert ein Feuer, in das er nachdenklich blickt. Wie wird es wohl weitergehen mit seiner Familie, fragt er sich. Wie werden seine Enkel und Urenkel leben? Und weit in der Zukunft, Hunderte und Tausende von Jahren entfernt – was mag seinen Nachkommen dann wohl widerfahren?
Dieses Bild ist die Ausgangssituation, aus der heraus Dieter Böge und Bernd Mölck-Tassel ihr wunderbares Kinderbuch "Opa Mammut" entfalten. Der Mann aus der Steinzeit lädt seine jungen Leserinnen und Leser ein, sich mit ihm ans Feuer zu setzen und die Gedanken in die Zukunft schweifen zu lassen. Weil das alles seine Leute sind, die er durch die Jahrhunderte leben, arbeiten, hoffen und kämpfen sieht, schildert er sie – und das macht den Reiz dieses Buches aus – als vertraute, liebenswerte und individuelle Figuren.
Der erste Flötenspieler der Steinzeit
Da taucht der erste Flötenspieler in der Steinzeit auf, in seinem Pelzkleid schlafend unter einem Baum. Warum schläft er? Weil er so fleißig ist und mehr als jeder andere lernt und übt; das macht ihn manchmal müde. Doch wenn er erwacht, nimmt er gleich wieder die Flöte zur Hand und entlockt dem Instrument die wundersamsten Melodien. Oder er übt auf den Händen zu laufen. Denn auch das tut er gerne.
1400 Jahre vor der Zeitenwende blicken wir in die Stube eines hölzernen Grubenhauses; dort ist es immer feuchtkalt, das macht den Flachs weich und biegsam. Zwei Frauen sind damit beschäftigt, für die alle in der Siedlung Tuche zu weben, denn ein Pelzkleid trägt jetzt niemand mehr. Das Kind, das auf dem Boden spielt, hat Freude mit dem zahmen Raben.
So gleiten Autor und Illustrator sanft durch die Jahrhunderte, von Doppelseite zu Doppelseite, von einer Frau zu einem Mann, einem Kind, einem Dorf und erzählen so ein ganzes Leben und eine ganze Epoche gleich mit. Bis auf das Jesuskind im Jahre null geht es nicht um große Namen und auch nicht Herrscher und Könige und ach so wichtige Politiker treten auf, sondern kleine Burgfräulein, Bauern und Matrosen, hoffnungsvolle Auswanderer und Trümmerfrauen inmitten des Elends, das ihnen das Treiben der Mächtigen beschert hat. Ganz am Ende gelangt man zu einem Kind mit Smartphone – es ist der vorerst letzte Nachfahre des erzählenden Steinzeitmanns.
Bilder wie in einem alten Märchenbuch
Und die Bilder? Bernd Mölck-Tassel stimmt sie eng auf den freundlichen Erzählton und die erzählerischen Miniaturen ab. Seine Impressionen wirken oft verhalten; weit weg von allem Grellen und Plakativen haben sie viel von den Bildern in einem alten Märchenbuch. Ganz leise steht zum Beispiel die junge Nonne neben ihrem Kräutergarten, legt die Hände in die weiten, schwarzen Ärmel ihrer Kutte und betrachtet zufrieden, wie die pflanzliche Medizin wächst und gedeiht. Diese junge Frau hat nicht gedacht, dass sie im finsteren Mittelalter lebte, erzählt der Text – sie las die neuesten Bücher ihrer Zeit und war stolz darauf.
Dieses Buch ist eine Weltgeschichte, wie man sie Kindern nur wünschen kann: anschaulich, klug und so nah am Menschen, dass man die Herzen schlagen hört.