Hiroko Motai/Marika Maijala: Tausend Millionen Weihnachtsmänner
Aus dem Englischen von Anu Stohner
Sauerländer, Frankfurt am Main 2015
40 Seiten, 14,99 Euro
Wundersame Weihnachtsmann-Vermehrung
Für viele Kinder ist es ein Dilemma: Sie glauben noch an den Weihnachtsmann, merken aber, dass die Eltern die Geschenke besorgen. In "Tausend Millionen Weihnachtsmänner" liefern Hiroko Motai und Marika Maijala eine fantasievolle Erklärung dafür - liebenswert, humorvoll, hintergründig.
Wie ein Märchen beginnt dieses Weihnachtsbilderbuch: "Vor langer, langer Zeit gab es auf der Welt nur einen einzigen Weihnachtsmann. Weil es nur ganz wenige Menschen auf der Welt gab." Doch je mehr Menschen es wurden, desto schwerer musste der Weihnachtsmann schuften. So dass er eines Tages den lieben Gott bat, zwei Weihnachtsmänner aus ihm zu machen. Doppelter Weihnachtsmann - halbe Arbeit. Ein Wunsch, den der liebe Gott prompt erfüllte.
Man glaubt zu wissen, wie es weiter geht: Aus zwei werden dann vier. Stimmt! Doch die vier wollen, dass der liebe Gott aus ihnen gleich eine Millionen Weihnachtsmänner macht. Ein größenwahnsinniger Wunsch, der im Märchen normalerweise hart bestraft wird. Doch Gott erfüllt auch diesen. Die wunderbare Weihnachtsmann-Vermehrung hat allerdings auch einen Haken: Je mehr Weihnachtsmänner es sind, desto kleiner werden sie. So dass sie schließlich kaum noch zu sehen sind und auch zu schwach, um Geschenke auszuliefern. Es gibt nur eine Lösung: Die Winzlinge schlüpfen den Eltern in die Ohren und flüstern ihnen zu, dass sie verantwortlich für die Geschenke sind!
Zauberhaft in Szene gesetzt
Eine prima Idee! Denn damit können die kleinen Leserinnen und Leser weiterhin an die Existenz des Weihnachtsmanns glauben und zugleich akzeptieren, dass ihre Eltern die Geschenke besorgen. Eine Idee, die von Marika Maijala zauberhaft in Szene gesetzt ist. Wie einfache Kinderzeichnungen wirken ihre Bilder: Pausbäckige Strichmännchen, spirrelige Weihnachtsbäume, zarte Weihnachtsmänner mit hohen roten Hüten, Tannenbäume im Wald wie grüne Dreiecke, Häuser flächig wie von einem Sechsjährigen. Das alles in Wachsmalkreide fett und farbig gezeichnet, lustig-bunt ausgemalt. Jedes Kind versteht diese ebenso einfache wie liebenswerte Bildsprache sofort.
Knapper Text und leuchtende Darstellungen
Aber Achtung! Naiv sind diese Illustrationen trotzdem nicht! Wie sich der sehr knappe Text und die intensiv leuchtenden Darstellungen auf den Doppelseiten verteilen; wie die Illustratorin mit den kräftigen Farbkontrasten arbeitet; dann wieder grau in grau oder blau in blau Schneewolken oder Dunkelheit evoziert; wie sie die Formen abstrahiert - die kleinen Weihnachtsmänner bestehen fast nur aus hohem rotem Tüten-Hut, die Tannenbäume sind hohe grüne Tüten-Dreiecke - das ist alles sehr ausdrucksstark und zieht den Betrachter hinein in die Geschichte.
"Tausend Millionen Weihnachtsmänner" ist ein hintergründiges Bilderbuch. Wer genau hinschaut, entdeckt viel Komik: Dass "vor langer, langer Zeit" die Eltern Kleider, Socken und Schuhe anhatten wie heute; dass die kleinen Weihnachtsmänner kaum zu sehen sind hinter ihren dicken Paketen; dass der liebe Gott als Tannenbaum erscheint oder die kleinen Männlein der schlafenden Mutter ins Ohr kriechen - das macht einfach Spaß. Und nachdem es nun kein Geheimnis mehr ist, dass nicht die Millionen Weihnachtsmänner die Geschenke bringen, sondern die Eltern, kann ich denen nur empfehlen, ihren Kindern dieses Buch zu Weihnachten zu schenken.