Von der Wunderkammer zum White Cube
Das Kinderbuch "Wie kommt die Kunst ins Museum?" dreier tschechischer Kunsthistoriker und Kuratoren erklärt kenntnisreich und witzig, wie Museen funktionieren und wie sie entstanden sind. Herzstück ist die Organisation einer fiktiven Ausstellung.
Der Mann mit dem Hut sucht nach Inspiration. Die blonde Frau möchte sich an etwas Schönem erfreuen und der ältere Herr wünscht sich schlicht, mal wieder unter Leuten zu sein. Das sind schon einmal drei gute Gründe, um ins Museum zu gehen. Man könnte dort aber auch einen Vortrag besuchen, sich mit Freunden treffen, selbst kreativ werden, im Shop stöbern, Leute gucken oder - auch das ist möglich - einfach vor dem Regen flüchten.
David Böhm hat in seiner quietschbunten Zeichnung ein fröhliches Menschenknäuel auf dem Weg ins Museum dargestellt und ihre jeweilige Motivation gleich neben die Figuren geschrieben. Angst oder Ehrfurcht vor der Kunst und den hehren Hallen, in denen sie präsentiert wird, muss also keiner haben. Und langweilig, das macht der Zeichner auch gleich klar, muss es schon gar nicht werden.
Wie die Präsentation von Kunst Moden unterworfen ist
Kinder und Jugendliche fürs Museum zu begeistern, ist eine Spezialität von Ondřej Chrobák, Rostislav Koryčánek und Martin Vanĕk. Gemeinsam mit David Böhm haben die tschechischen Kunsthistoriker und Kuratoren nun das mitreißende Kinderbuch "Wie kommt die Kunst ins Museum?" konzipiert. Darin erklären sie, was Museen eigentlich zeigen, welchen Auftrag sie haben, wer dort arbeitet, wie Ausstellungen entwickelt werden - und nicht zuletzt, wie die Institution überhaupt entstanden ist und wie sie sich über die Jahrhunderte gewandelt hat.
Bereits von Beginn an wird deutlich, dass Kunst, Sammeln und Präsentieren mit Leidenschaft und Lust zu tun haben. So zeigt das erste Wimmelbild die Prager Kunstkammer von Kaiser Rudolph II. Tatsächlich waren die Kuriositätenkabinette europäischer Fürsten Vorversionen des modernen Museums. Sagenhaft, was es hier alles zu entdecken gibt: ausgestopfte Tiere, mechanische Apparate, Totenköpfe, Landkarten, Versteinerungen und natürlich auch Gemälde.
Es ist faszinierend anzusehen, wie sich auf den folgenden Seiten diese Wunderkammern wandeln und die Entwicklung bis hin zum White Cube gezeigt wird. So lässt sich unmittelbar nachvollziehen, dass Kunst und ihre Präsentation Moden unterworfen und an den zeitgeschichtlichen Kontext gebunden ist.
Dutzende Kunstwerke auf den Seiten versteckt
Das Herzstück des Buches bildet eine fiktive Ausstellung, die von der Planung bis zur Eröffnung durchgespielt wird. Aufklappbare Seiten zeigen dabei das spannende und vielfältige Innenleben eines Museums. Hier arbeiten Kuratorinnen, Museumspädagogen, Restaurateure, Archivarinnen, Techniker, Raumpfleger, Sicherheitsexperten, Wärter und viele andere Hand in Hand. Und manchmal auch nicht. Denn was ein Kurator gut findet, kann dem Verwaltungschef zu teuer, der PR-Frau schwer vermittelbar und dem Direktor zu eng geplant sein, wie die sehr lustigen Sprechblasen-Dialoge zwischen den Beteiligten illustrieren. Am Ende steht dann aber doch eine grandiose Schau mit Kunstwerken aus aller Welt.
So originell, kenntnisreich und witzig zugleich hat noch kein Kinderbuch vom Museum erzählt. Und da Dutzende Kunstwerke auf allen Seiten versteckt sind, passiert auch noch die Kunstgeschichte Revue. Hervorragend!