Kita-Streik

Wer soll sonst noch in Kitas arbeiten?

05:16 Minuten
Ein Erzieher sitzt auf einem Stein. Auf seinem Rück steht "Wir sind es wert". Neben ihm sitzt ein kleines Kind.
Kita-Streik am Weltfrauentag: Kinder brauchen optimale Betreuung. © picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte
Von Anke Schaefer |
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Am Weltfrauentag haben die Erzieherinnen der Kitas bundesweit gestreikt. Die Gewerkschaft Verdi will erreichen, dass die Arbeit von Erzieherinnen aufgewertet wird. Nach wie vor werden Erzieherinnen großen Belastungen bei schlechter Bezahlung ausgesetzt.
So ein richtiger, sichtbarer Streik mit Transparenten und Trommeln vor dem Saarbrücker Rathaus ist zur Zeit pandemiebedingt nicht gut möglich, daher hat die Gewerkschaft Verdi einen "Stay at Home Streik" ausgerufen.
Die Kita im Saarbrücker Stadtteil Scheidt ist heute zu. Doch davor stehen fürs Interview die Kita-Leiterin, eine Erzieherin und eine Mutter. Melanie Drenkelfuss bringt jeden Tag ihre zwei Kinder hier her. Heute, am Weltfrauentag, muss sie sie selbst betreuen. Macht nichts, sagt sie.

Ich bin ja auch eine Frau und wir müssen doch unsere Mit-Menschinnen unterstützen, das ist ein komisches Wort, aber die müssen wir unterstützen, wir müssen uns verbünden!

Melanie Drenkelfuss, Mutter von zwei Kindern

Kita-Leiterin Susanne Kunz ist Verdi-Mitglied und findet das ganz richtig, dass die Mütter gerade heute, am Weltfrauentag, eine andere Betreuungslösung für ihre Kinder suchen müssen: "Es geht darum, dass die Mütter auch weiterhin ihre Kinder in die Kitas schicken können."

Seit dem letzten Streik hat sich nicht viel getan

Das können sie, sagt Susanne Kunz, wenn der Job der Erzieherin endlich adäquat bezahlt würde und die Arbeitsbedingungen verbessert würden. Doch das sei nicht der Fall. Wenn eine junge Erzieherin ins Berufsleben einsteigt bekommt sie im Saarland zwischen 1.800 und 1.900 Euro und dann geht es aber langsamer nach oben, in höhere Eingruppierungen als anderswo:
"Wir haben festgestellt, seit 2015, da haben wir das letzte Mal gestreikt und da hat sich nicht viel getan in Sachen Vergütung. Um ein Beispiel zu nennen: Die Eingruppierungsstufen sind im Sozial- und Erziehungsdienst im Gegensatz zum Öffentlichen Dienst um ein Jahr länger. Und da fragen wir uns gerade am Weltfrauentag – wieso eigentlich? Wieso ist der Soziale- und Erziehungsdienst mit über 90 Prozent beschäftigten Frauen immer noch im Nachteil?"

Zu wenige Erzieherinnen

Erzieher*innen arbeiten drei Jahre in einer Vergütungsstufe, bevor sie höhergestuft werden, andere Mitarbeiterinnen im Öffentlichen Dienst verdienen schon nach zwei Jahren mehr. Da hört aber, aus Sicht von Verdi, die Ungerechtigkeit nicht auf. Denn in der Kita zu arbeiten, sei belastend, sagt Susanne Kunz, weil zu wenige Erzieherinnen zu viele Kinder betreuen müssten.
"Seit Jahren fordern alle Studien – auch die Bertelsmann-Studie, die für den frühkindlichen Bereich gemacht wird –, dass ein besserer Fachkraft-Kind-Schlüssel auch bessere Bildung bedeutet. Und wir sind im Saarland weit darunter. Den besten Betreuungsschlüssel hat im Moment Baden-Württemberg. Und die saarländischen Erzieherinnen betreuen im Schnitt 3,5 Kinder mehr, als die in Baden-Württemberg. Das kann nicht sein. Wir müssen das verändern."

Gelder wurden falsch verwendet

Im Saarland ist erst im Herbst das neue Saarländische Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsgesetz verabschiedet worden. Die saarländische Landesregierung will die Ausbildung in den Kitas stärken und das Personal entlasten.
Susanne Kunz aber sieht nicht, dass mit diesem neuen Gesetz der Fachkraft-Kind-Schlüssel nennenswert verändert worden wäre. Auch habe man die Gelder, die der Bund nach dem 2018 verabschiedeten Gute-Kita-Gesetz für die Stärkung der frühkindliche Bildung bereit gestellt hat, falsch verwendet.
"Dafür hat das Saarland 45 Millionen Euro, also 75 Prozent lediglich auf die Beitragsfreiheit in den Kitas gesetzt. Und glaubt, damit wird die Qualität erhöht." Das sei aber nicht der Fall, sagt Susanne Kunz.

Optimale Kinderbetreuung ist wichtig

Insofern sei tatsächlich nicht zu erwarten, dass sich in Zukunft mehr Menschen entscheiden, in der Kita zu arbeiten. Erzieherin Jennifer Steinmann aber hat das getan und sie wird auch nicht morgen kündigen: "Natürlich nicht. Aber ich bin da, weil ich meinen Job liebe und sehr gerne mache. Und ich verstehe auch alle diejenigen, die sagen, mit dieser Belastung: Ist es mir nicht wert!"
Jennifer Steinmann arbeitet in der Krippe der Kita in Saarbrücken-Scheidt. Sie sagt, dieser Job fordert sie voll und ganz: "Es sind viele Kinder in den Gruppen, obwohl die Räume zu klein sind. Es fehlen immer Kolleginnen, was dazu führt, dass wir oft alleine sind, mit 20 bis 30 Kindern und trotzdem soll der Alltag normal laufen."
Dass sich was ändern muss, das findet auch Mutter Melanie Drenkelfuss. Sie will sicher gehen, dass ihre Kinder optimal betreut werden: "In dieser Zeit wird der Charakter geprägt und ich finde es einen Frevel, da nicht alles zu tun, was möglich ist. Das ist doch unsere Zukunft."

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