Wir wollen mehr!
Im Januar ist die Bundesregierung zur Berichterstattung über die Verwirklichung der Kinderrechte vor den UN-Ausschuss nach Genf geladen. Man könnte meinen, ein Land wie die Bundesrepublik sollte damit keine Probleme haben.
Doch Kinder in Deutschland beklagen, dass sie gemobbt oder diskriminiert werden. Sie kritisieren auch, dass zum Beispiel Ärzte eher ihre Eltern als sie hören, dass in der Heimerziehung ihre Privatsphäre nicht geschützt ist, dass sie durch die Einführung des achtjährigen Gymnasiums kaum noch freie Zeit haben. Sie wollen, dass Erwachsene weniger Macht ausüben.
Kinder- und Jugendorganisationen fordern, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen. So wären sie verbindlich und einklagbar. Doch so bekäme der Staat neben mehr Verpflichtungen auch mehr Möglichkeiten, Erwachsenenrechte zu beschneiden, sagen Kritiker dieser Idee. Die Anhörung in Genf und die To-do-Liste, die die Experten Deutschland mitgeben, wird die Diskussion um Kinderrechte neu anfachen.
Trailer zur Sendung:
Auszüge aus dem Manuskript:
Roberta: "Ich habe das Gefühl, dass es die Regierung gar nicht so doll interessiert, was jetzt mit den Kinderrechten ist. Dass sie eher denken, wir haben den Vertrag unterschrieben und deswegen müssen wir das halt jetzt machen. Aber wir machen das halt auch nur in dem Maße und wir setzen uns nicht besonders doll dafür ein."
Lara: "Kaum kommt ein Abgeordneter zu Kindern und Jugendlichen und fragt, was wollt ihr ändern? Was ist eure Sicht? Die Wahlplakate sind alle auf Erwachsene abgestimmt. Es gibt zwar auch mehr Bildung, aber es spricht nie ein Kind und einen Jugendlichen an. Dabei sollten sie Kinder und Jugendlichen auch mit vertreten und nicht nur die Erwachsenen."
Wie die Konvention umgesetzt wird, darüber müssen die Länder in der Regel alle fünf Jahre einem UN-Ausschuss berichten. Neben den offiziellen Regierungsinformationen gibt es einen kritischen Schattenbericht, den die Experten von der sogenannten "National Coalition" verfassen sowie einen Report der Kinder und Jugendlichen, zu dem einige von ihnen in Genf angehört werden.
Darauf bereiten sich Roberta und Lara bei ihrem Treffen vor.
Roberta: "Ich habe das Thema Gleichberechtigung bearbeitet. Also dass alle die gleichen Chancen haben und dass Deutschland auch noch viele Lücken hat."
Roberta ist 13 Jahre alt und kommt aus Hamburg.
Roberta: "Wenn man jetzt in die Mädchenzeitungen guckt, da sind nur Schminktipps für hellere Menschen oder Menschen mit glatten Haaren, aber es ist nie an Leute gerichtet mit Locken oder einem dunkleren Hauttyp. Ich habe halt auch das den anderen erzählt und die waren schon überrascht, weil die es gar nicht bemerkt haben. Ich glaube, das fällt einem nur auf, wenn man betroffen ist, nicht nur mit afrikanischem Hintergrund, sondern auch aus dem asiatischen Raum finden keine Möglichkeit, etwas zu machen. Und in Kindersendungen zum Beispiel gibt es kaum Mädchen mit Kopftuch, was auch nicht so gut ist, weil die Kinder dann immer überrascht sind, wenn sie im echten Leben mal jemand mit Kopftuch sehen. Oder so."
Vor 13 Jahren änderte der Bundestag gegen die Stimmen von CDU/CSU das Bürgerliche Gesetzbuch und verankerte dort das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Seitdem ist Gewalt gegen Kinder verboten. Das ist ein Erfolg. Allerdings sind Paragrafen das eine. Die Praxis das andere.
In ihrem Kinder- und Jugendreport berichten Mädchen und Jungen über Gewalterfahrungen: dass sie für eine Lüge von den Eltern blau geschlagen werden, dem Terror von älteren oder Stiefgeschwistern ausgesetzt sind, dass Jugendliche sie bedrohen und demütigen, dass Erwachsene sie sexuell belästigen ...
Ohne Gewalt aufwachsen zu können, bleibt einer der wichtigsten Wünsche von Kindern. Schätzungsweise jedes Fünfte aber lebt in einer gewaltbelasteten Familie. 2012 meldeten die Jugendämter 38.000 Kinder und Jugendliche, deren Wohl akut oder latent gefährdet ist. So vorbildlich die Ächtung der Gewalt in der Erziehung im Gesetz ist - das reicht nicht aus, sagt Prof. Lothar Krappmann, einer der führenden Kinderrechtsexperten in Deutschland:
"Die Umsetzung fehlt an ganz vielen Stellen. Es fehlt sozusagen eine nächste Ebene in dem Prozess. Diese nächste Ebene bestände manchmal auch in Regulierungen, Erlassen, die dann kommen müssten, wenn man das Gesetz schon hat. Es fehlt aber oft auch an der eingespielten Praxis. Und da ist wirklich noch viel zu tun."
Das vollständige Manuskript zur Sendung als PDF-Dokument oder im barrierefreien Textformat.
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