Kindersicheres Surfen mit dem Delfin

Von Adalbert Siniawski |
Wie soll man Jugendliche vor Gefahren, die das Netz mit sich bringt, am besten schützen? Für die Jüngsten gibt es spezielle Kinderschutzprogramme: Sie sollen bestimmte Seiten automatisch sperren und den Computer zu einer sicheren Festung machen. Doch was taugen diese Programme wirklich?
Eine Gruppe von 20 Jugendlichen drischt auf einen einzelnen jungen Mann ein – und das nur, weil er seine Freundin vor heftigen Beschimpfungen im Internet schützen will. Diese Attacke, organisiert auf der Internetseite "Isharegossip", sorgte Mitte März für heftige Diskussionen: Wie soll man Jugendliche vor Gefahren, die das Netz mit sich bringt, am besten schützen? Für die Jüngsten gibt es spezielle Kinderschutzprogramme. Sie sollen bestimmte Seiten automatisch sperren und den Computer zu einer sicheren Festung machen. Doch was taugen diese Programme wirklich?

Stephan Wrede räumt einen Stapel Zeitungen von seinem Bürotisch. Die jüngsten Meldungen in den Medien über Fälle von Cyber-Mobbing bestärken ihn in seinem Kampf gegen Gefahren aus dem Internet.

"Wenn das Kind trotzdem von irgendeiner Internetseite hört, meinetwegen Isharegossip, und das in den Browser eingibt, kann es die Seite natürlich nicht öffnen, weil die bei uns auf der Blacklist ist. Aber Sie bekommen eine E-Mail, in der Ihr Kind Sie darum bittet, diese Seite freizugeben. Und wir wollen dann, dass im Grunde in dieser Situation Sie mit ihrem Kind darüber sprechen und sagen: 'Guck mal, aus den und den Gründen ist Isharegossip für dich nicht geeignet'."

Stephan Wrede – Anfang 50, modische Hornbrille, lässige Turnschuhe – hat mit seinem Vorstandskollegen Michael Klemund und einem Dutzend Mitarbeitern Anfang Februar eine Kinderschutzsoftware inklusive Online-Plattform auf den deutschen Markt gebracht: Dolphin Secure. Sein Ansporn:

"Also erstmal habe ich selbst Kinder, die sind zwar leider – oder vielleicht zum Glück – noch zu jung, um ins Internet zu gehen. Aber da ich mich schon lange mit Internetthemen beschäftige, haben mich befreundete Eltern immer gefragt, ob ich Software wüsste, wie sie Kinder schützen könnten, die waren immer ganz beunruhigt. Und da habe ich sozusagen zum ersten Mal das Gefühl gehabt: o, hoppla! Es gibt ja viele Software und so was. Aber aus irgendwelchen Gründen setzen sie das nicht ein."

Das bestätigt eine aktuelle Studie: 81 Prozent der Eltern mit Kindern zwischen sechs und 13 Jahren halten das Internet für ihren Nachwuchs für gefährlich, berichtet der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest. Doch nur 14 Prozent haben auf ihrem Rechner eine Kindersicherung installiert. Möglicherweise sind die technischen Hürden noch zu hoch.

Die gängigen Betriebssysteme bieten die Möglichkeit, Kindersicherungen, Zugriffsbeschränkungen und Zeitkonten einzurichten. Darüber hinaus kann man im W-Lan-Router Zugriffszeiten auf den PC festlegen und Anwendungen blockieren, wie Instant-Messenger und Filesharing-Clients. Das ist für den normalen Nutzer wohl kompliziert - doch ist der Rechner nicht geschützt, helfen Verbote wenig.

"Wenn Kinder auf dem Schulhof irgendwelche Schlagwörter hören, wollen sie sich über diese Wörter informieren. Das heißt: Es hat keinen Sinn ein Wort wie Pornografie oder Porno aus dem Internet zu verbannen, sondern man muss sozusagen dem Kind eine Möglichkeit geben, eine Internetseite zu finden, auf der das Thema kindgerecht erklärt ist."

Doch viele Schutzprogramme blockieren selbst Webseiten, die eigens für Kinder gemacht sind. Das geht aus einer Untersuchung von 26 Anwendungen im Auftrag der EU hervor. Selbst wenn der Kinderschutz aktiviert ist, liegt das Risiko auf bedenkliche Inhalte zu stoßen bei 20 Prozent. Außerdem können die wenigsten Programme den Zugang zu Sozialen Netzwerken, Foren und Blogs zuverlässig sperren. Stephan Wrede hat dafür eine Erklärung:

"Wenn man Seiten auf Kindgerechtheit prüft, darf man das nicht einem Suchalgorhythmus überlassen oder einer Software, sondern man muss das pädagogisch gebildeten Menschen überlassen, die jede Internetseite einzeln prüfen. Und – das ist auch bei der EU-Studie herausgekommen – man muss es auch in Altersgruppen einteilen."

Bei Dolphin Media hat ein sechsköpfiges Team mittlerweile rund 700 Seiten als kindkonform eingestuft und auf die sogenannte weiße Liste gesetzt. Die Blacklist mit blockierten Web-Adressen umfasst 17.000 Seiten. Die Online-Plattform richtet sich an sechs- bis zwölfjährige Kinder, die ihre ersten Erfahrungen mit dem Internet machen. Dort surfen sie auf redaktionell geprüften Info- und Spieleseiten und chatten in einer streng geschützten Umgebung nur für Kinder. Der Zugang dazu erfolgt über den Fingerabdruck. Ein entsprechender Scanner wird mitgeliefert. Nina Rössing, oberste Prüferin bei Dolphin Media:

"Wenn das Kind jetzt anfängt zu surfen, dann geht dieses Fenster auf und es wird aufgefordert, dass es sich einloggt. Dann kommt der kleine Delphin und er sagt: 'Log dich bitte ein mit deinem Fingerprintscanner.' Und dann zieht es den Finger über den Scanner und kommt dann in unsere Kinder-Community, auf sein eigenes Profil."

Die Eltern schlüpfen quasi in die Rolle eines Administrators: Sie entscheiden, wen ihr Kind als Freund verlinken kann und welche fremden Seiten es außerhalb der Plattform ansteuern darf.

"Dann kommt auch der Delphin und sagt: 'Die Seite kenne ich nicht, frag' mal deine Eltern, ob sie dir die frei schalten'."

Um die Kindersicherung vollends auszuschöpfen, müssen die Eltern nicht nur technikaffin sein, sondern sich auch genügend Zeit nehmen für die Kontrolle ihrer Kleinen. Doch selbst wenn der heimische Rechner eine sichere Festung ist: Wenn die Kinder mit ihren internetfähigen Smartphones oder am Computer ihrer Freunde surfen, bleibt den Eltern verborgen, ob sie nicht doch in Sozialen Netzwerken Fremde kontaktieren, illegal Videos herunterladen oder private Adressen preisgeben. Doch so weit muss es nicht kommen, sagt Nina Rössing:

"Unser großes Ziel ist, dass die Kinder auf dieser Plattform hier sicher surfen und gleichzeitig lernen, wie sie sich später im freien Internet bewegen, ohne in irgendwelche Gefahren zu kommen."

Stephan Wrede: "Darum geht es, dass man den Kindern – im Grunde genommen auch den Eltern – sagt: Also erstmal ist das Internet kein rechtsfreier Raum. Zweitens: Was immer ihr im Internet macht, wird da stehen für die nächsten zehn Jahre. Und drittens: Es kann jeder sehen. Also, wenn ihr sauer auf eure Freundin seid oder euren Freund, dann ist es besser das face-to-face zu sagen, als das im Internet zu posten."

Letztlich werden auch die Eltern und Lehrer nicht umhinkommen, mit den Kindern zu reden – über das richtige Verhalten im Netz, das sichere Surfen und den vorsichtigen Umgang mit persönlichen Daten.