Kindertraum Bundesliga
Der Weg zum Profi ist weit: Das Talenteteam U-11 der TSV Eintracht Groß Grönau im Trainingslager in Trappenkamp. © Thorsten Philipps
Der weite Weg zum Profi
Für manche Kinder gibts nur Fußball. Aber wie wird man Profi? Studien zeigen: Je früher es ins Leistungszentrum geht, desto schlechter stehen die Chancen auf eine Profikarriere. Und wenn der Traum platzt, fallen viele in ein Loch.
Beim Regionalligisten VfB Lübeck ist Sichtungstraining für Zehnjährige angesagt. Für viele eine erste mögliche Zwischenstation auf dem Weg nach ganz oben: Noah Müller, der mit zehn Jahren bereits zum zweiten Mal den Verein gewechselt hat, hat klare Vorstellungen von seiner Fußballkarriere. Beim VfB soll es jetzt richtig losgehen.
"Also, es ist eigentlich, weil mir Fußball Spaß macht, nicht weil ich Geld haben will oder so was. Und mir ist es eigentlich egal, ob ich am Dienstag und Donnerstag dann auch noch Training hab. Aber ich will einfach Fußball spielen."
Sein Vater Tobias ist bei jedem Spiel dabei. Er sagt, er wolle seinen Sohn nicht drängen, merke aber schon, dass Noah Lust habe, mehr zu machen. Etwa zehn Kilometer fahren die Müllers dreimal die Woche zum Training.
Hohe Erwartungshaltung der Eltern
Trainer Jonas Wagner arbeitet als Lehrer in Lübeck. Er muss bei einigen Eltern häufig auf die Bremse treten. „Man kann es auch verstehen, wenn Eltern träumen, auch gerade, wenn das Kind talentiert ist. Das ist auf jeden Fall kritisch zu sehen in den jungen Jahren, das ist eine unserer größten Aufgaben in meinen Augen, dass wir die Erwartungshaltung ein bisschen reduzieren müssen. Einfach aus dem Grund, weil eine Talentprognose in jungen Jahren sehr schwierig ist. Der Weg zum Profifußball ist so weit, dass das in diesem Alter einfach noch sehr schwer zu sagen ist.“
Trainer Wagner nimmt deshalb nur eine begrenzte Anzahl von Kindern in seinen Kader auf. Es gebe leider viele negative Beispiele, wenn Trainer 30 Kinder mit Versprechungen lockten und die Hälfte nach einem halben Jahr wieder aussortierten und nach Hause schickten.
Wenn kleine Kicker träumen - der lange Weg zum Fußballprofi
16.10.2022
09:15 Minuten
Kaum Zeit für Freunde
Dann sei die Enttäuschung bei den Kindern umso größer, weiß auch Professor Arne Güllich, Sportwissenschaftler an der Universität Kaiserslautern. „Diese Fußballspieler in den Talentzentren, die haben oft eine sehr eingeengte Identität. Ich bin Fußballspieler und sonst nichts. Die haben ja auch keine anderen Hobbys. Sie haben wenig Zeit für Freundeskreis."
Wenn sie sich in den Leistungszentren nicht durchsetzen, "heißt das, dass sie vor einer vollkommenen Leere" stehen. "Die sind jetzt niemand mehr, die haben jetzt keine Identität mehr. Und das macht das Ausscheiden noch mal besonders schlimm", sagt Güllich.
"Nicht nur, dass der Traum von der Profikarriere geplatzt ist, sondern manche sagen in Interviews: ‚Jetzt gibt es mich nicht mehr‘.“ Arne Güllich hat den Jugendfußball unter die Lupe genommen und 57 Studien ausgewertet. Das Ergebnis: Je früher Kinder in Leistungszentren gehen, desto schlechter für die Profikarriere. Von 1.000 Talenten in deutschen Nachwuchsleistungszentren schafft es durchschnittlich nur einer in die Bundesliga.