Top 5 des Arthouse-Kinos
In Francois' Girards Film "Der Chor" reiht sich ein Klischee ans andere, Werner Herzog hat auch schon spannendere Streifen gedreht und "Knight Of Cups" von Terrence Malick ist so anders, dass sich kaum sagen lässt, ob er gut ist oder schlecht. Drei der fünf Arthouse-Filme in unserer Kritik.
"Was passiert? - Keine Ahnung, ich habe einfach nur Film gemacht."
Film machen. Film fertig. Und wir schauen zu, wie die Zeit vergeht. Am Anfang, 1895: Ein Zug fährt ein in den Bahnhof, die Gäste steigen aus. Die Menschen waren bewegt, schockiert, was da in dieser einen Minute Echtzeit vor ihnen ablief. Eine Minute, eine Einstellung. 119 Jahre später, ...
Platz 5 – "Victoria" von Sebastian Schipper
... wieder eine Einstellung. Victoria mit "Sonne", "Boxer", "Blinker" und "Fuß" in der Berliner Nacht, ganz außer Atem. 140 Minuten aufregende Echtzeit, in der sich aber eine Geschichte zeigt, die viel mehr enthält als eine Stunde, 20 Minuten, reicher ist. In großen Kinogeschichten wie "Victoria" platzt die Zeit, die hier auf echte 140 Minuten begrenzt scheint, an allen Rändern, erzählt viel mehr. Was ist Zeit bei Terrence Malick?
Platz 4 – "Knight Of Cups" von Terrence Malick
"All die Jahre lebe ich das Leben eines Menschen, den ich gar nicht kenne."
Gedehnte Zeit, geraffte Zeit, Zeit der Erzählung. Unsere Zeit, die wir der Erzählung zuschauen, ihr geben. Wo mitunter die Chronologie der Geschichte sich auflöst, in Assoziationen verschwimmt, in einem Mix aus Stimmen, Musik, fragmentierten Stücken, die Handlung waren, wären, hätten sein können. Mehrstimmige Komposition.
Erzählte Zeit löst sich bei Terrence Malick in seinen Filmen der letzten Jahre "The Tree Of Life", "To be Wonder" und auch jetzt in "Knight Of Cups" immer weiter auf in einen Fluss von Bildern, Assoziationen, manchmal Unwägbarem. Es ist nicht selten schwer, diesem Sog von Transzendenz, der nichts mit Zeitmustern, die uns üblicherweise im Kino präsentiert werden, zu folgen. Es ist schwer zu sagen, ob so ein Film gut oder schlecht ist. Er ist ganz, ganz anders.
"Sieh mich an!"
Platz 3 –
"Sieh her!"
"Der Chor – Stimmen des Herzens" von Francois Girard
"Wie kannst du dein Talent nur derartig vergeuden. Sing weiter! Wie kann ich jemanden ernst nehmen, der mich missachtet. Und ebenso diese Schule."
Ein Film, der in seiner Erzählung von einem musikalisch hochbegabten, am Anfang rebellischen, dann ganz dem Gesang sich hingebenden Jungen ein Klischee nach dem nächsten aneinanderreiht. Natürlich ist Dustin Hoffman als Chorleiter der erst strenge, dann gute, aber immer Antreibende, der den Jungen auf seine Spur bringt. Chorfilme kommen gut im Kino. Das hat auch damit zu tun, dass ein Chorfilm immer auf diesen Moment hin treibt, wo sich mit der Musik und dem Gesang für einen Moment die Zeit auf der Leinwand zum Stillstand kommt. Vielleicht auch in unserem, dem Inneren des Kinogängers. Es gibt Moment bei Francois Girard, wo wir davon eine Ahnung bekommen.
"Sie haben nicht die Macht, mich aufzuhalten."
Platz 2 – "Königin der Wüste" von Werner Herzog
"Sie werden nicht aufbrechen. – Doch, das werde ich. Guten Tag, Gentleman!"
Werner Herzog mit einer typischen Werner-Herzog-Figur, so wie Aguirre, so wie Fitzcarraldo, so wie der Grizzly-Mann. Jetzt eine Frau.
"Ihr seid meine Gefangene. - Wenn ich sterbe, dann nur durch die Hand eures Scheichs."
Als Werner Herzog in seiner Dokumentation "Begegnungen am Ende der Welt" mit der Kamera unter das Wasser der Antarktis tauchte, als er - in 3D - in seinem Film "Die Höhlen der vergessenen Träume" über die 30.000 Jahre alten Tierzeichnungen in der französischen Chauvet-Höhle meditierte, hielt er die Zeit an, er zog uns in einen Strudel von etwas, was jenseits unserer Empfindung der Zeit ist. Wüstenbilder haben auch das Zeug dazu, uns wegzutragen, aber die Geschichte der Abenteurerin Gertrude Bell in der Wüste ist blutleer. Die Zeit des Films zieht sich dahin. Und wir bleiben zurück. Langeweile - Festhängen in der Zeit.
"Was ist das? - Ein Brief. - Was steht denn drin? - Ich glaube hier steht, man hat sie gefunden."
Platz 1 – "45 Years" von Andrew Haigh
Charlotte Rampling und Tom Courtenay haben in diesem Jahr für ihre Darstellung in "45 Years" den Silbernen Bären bekommen. In "45 Years" gerät die Zeit ganz aus den Fugen, wenn kurz vor dem 45. Hochzeitstag etwas, das ein halbes Jahrhundert zuvor - ein halbes Jahrhundert! - geschehen ist, aber offensichtlich nicht erledigt war, auf einer geraden Zeitlinie, wie ein Pfeil in den Alltag zurückschießt. Damals war Geoffs Freundin in den Alpen tödlich verunglückt, jetzt erst wurde ihre Leiche gefunden. Wie stabil ist eigentlich Kates und Geoffs Ehe? Wenn die Erinnerung und die Vergangenheit die beiden unter sich zu begraben droht? Mit welcher Wucht trägt die Zeit, ihr Rhythmus - wie immer auch der Film getaktet ist -, wie tragen all ihre Facetten dazu bei, wenn Kino uns ... tja, bitte ergänzen Sie dies hier mit Ihrem Verb.