Kino-Kolumne Top Five

Die besten Filme von Ingmar Bergman zum Hundertsten

Ein kongeniales Duo: Der schwedische Film- und Theaterregisseur Ingmar Bergman (li) neben dem Kameramann Sven Nykvist.
Ein kongeniales Duo: Der schwedische Filmregisseur Ingmar Bergman und sein Kameramann Sven Nykvist. © dpa/Scanfoto_code_591
Von Hartwig Tegeler |
In "Das siebente Siegel" überredet der Ritter den Tod zum Schach und in "Schweigen" verrinnt die Existenz mit jedem Uhr-Ticken: Ingmar Bergman verhandelte in seinen Filmen die grundlegenden Fragen des Lebens. Die Bergman-Charts von Hartwig Tegeler.

Platz 5 - "Das siebente Siegel" von Ingmar Berman (1957)

Der Ritter überredet den Tod zu einem Schachspiel. Aufschub. Auf der Reise zu seinem Gut durchlebt der Zweifelnde und Suche alle Höhen und Tiefen einer Sinnsuche. Wie der Tod, der selber nicht einmal den Sinn seiner Existenz kennt - wie er zugeben muss -, am Ende den Ritter und seine Gefährten holt, beschreibt der Schauspieler seiner Frau diese Prozession: "Sie tanzen hinter ihm her, wie er es sieht. Und er selbst geht voran. - Was du immer siehst." Wenn die Welt in Angst – wie hier vor der Pest – versinkt, was ist dann – und diese Frage, die Ingmar Bergman in "Das siebente Siegel" mit einer ungeheuren Wucht stellt, bleibt bestehen, wir können und drehen und wenden, schreien oder stumm stellen -, was ist dann der Sinn unseres Seins?
Filmszene aus "Das siebente Siegel" von Ingmar Bergman.
Eine Filmszene aus "Das siebente Siegel" © Imago / United Archives

Platz 4 - "Das Schweigen" von Ingmar Bergman (1963)

Das Uhr-Ticken im "Schweigen". Die Existenz verrinnt. Was ist ihr Sinn? Ist der Skandalfilm der 1960er noch heute skandalös wie in den 1960er Jahren? Ja! Nicht wegen Sex, nackter Brust, Masturbationsszene. Wenn Anna im Hotelbett mit dem Unterrock bekleidet sich am Gitter des Bettes festhält und der Kellner sie von hinten nimmt, wenn wir ihr Gesicht in dieser Mischung aus Verzweiflung und Lust sehen, wissend, dass die gehasste und geliebte Schwester draußen, vor der Hotelzimmertür kauert, dann wirkt die Entblößung dieses Menschen in diesem Bild immer noch erschütternd. Wenn die Sexualität sichtbar wird als verzweifeltes Ventil, mit der Einsamkeit zu kommunizieren, weil Gott schweigt. "Das Schweigen" bietet keine Erlösung.

Platz 3 - "Wilde Erdbeeren" von Ingmar Bergman (1957)

Noch eine Reise. Ein Roadmovie, ja. Der alte Professor auf dem Weg zu einem Jubiläum. Im Auto seine Schwiegertochter Marianne – Ingrid Thulin, die in "Das Schweigen" eine Schwester spielte. Anhalter sind bald auch im Auto. Erinnerung überfluten die Reisenden, Bilder aus der Vergangenheit, solche an unglückliche Ehen. Und alle befinden sich in einem Diskurs über den Sinn der Existenz, die Frage nach Gott und die nach der Chance, ob eine Ehe glücklich sein kann. Ach ja, die Ehe. Die Ehen. An sich und für uns.
Szene aus "Wilde Erdbeeren"
Die Schauspieler Victor Sjösteröm, Ann-Marie Winam und Max von Sydow in einer Szene aus "Wilde Erdbeeren"© imago stock&people

Platz 2 - "Szenen einer Ehe" von Ingmar Bergman (1973)

Nicht nur im "Schweigen" von 1963, auch hier, in dem Psychodrama von Marianne und Johan, ist das Bestimmende das Schweigen, während das Paar doch unentwegt redet. Der antagonistische Widerspruch, von dem "Szenen einer Ehe" getragen wird. Dass trotz Sprechens Kommunikationslosigkeit herrscht. Dieter E. Zimmer brachte 1973 den Spiegel-Charakter von Bergmans Film für alle auf den Punkt, die Ehepartner waren oder es noch nicht waren oder es, nach "Szenen eine Ehe" - um Gottes Willen - nie werden wollten: "Man war im Kino und spielt im Tageslicht das gleiche Stück weiter." Ach ja, Bergmans Wahrhaftigkeit.
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Die Schauspielerin Liv Ullman und ihr Partner Erland Josephson in einer Szene des Films "Szenen einer Ehe". © Imago / United Archives

Platz 1 - "Fanny und Alexander" von Ingmar Bergman (1982)

Noch eine fürchterliche Ehe. 1907. Theaterfamilie. Der Vater stirbt, Emilie, Mutter von Fanny und Alexander, heiratet einen sadistischen wie bigotten Kirchenmann. Am Ende gelingt ihr die Flucht aus dieser Ehe. Ein "Wandgemälde", so hat Bergmann diesen Film selbst bezeichnet, der eine Art Vermächtnis seines Schaffens ist in dieser Erinnerung an eine Kindheit. Detailverliebt, sinnlich, angst- wie lustvoll. Inklusive der Frage nach der Existenz von Gott. Am Ende von "Fanny und Alexander" liest die ältere Schauspielerin aus dem neuen Stück vor, das aufgeführt werden wird. August Strindbergs "Ein Traumspiel": "Alles kann geschehen, alles ist möglich und wahrscheinlich. Zeit und Raum existieren nicht. Auf einem unbedeutenden wirklichen Grunde spinnt die Einbildung weiter und webt neue Muster." Was für ein Satz über Bergmans Kino. Was für ein Satz über das Kino schlechthin.
Mehr zum Thema