Die besten Skandalfilme
Was wäre das Kino ohne die kontroversen Skandalfilme? Deutlich ärmer! Zum Kinostart von Lars von Triers Schocker "The House that Jack Built" und Gaspar Noés "Climax" präsentieren wir die fünf berüchtigsten Aufreger der Filmgeschichte.
Platz 5 - "Funny Games" von Michael Haneke (1997)
Zwei junge Männer in weißem Tennis-Outfit dringen in die Villa ein und löschen die Familie aus. Genrekost: das Evozieren der Urangst, dass der unerschütterliche Schutzraum des Heims verletzt wird. Haneke liefert kein Motiv oder irgendeine psychologische Begründung, sondern setzt das Böse. Unerklärt. Das macht diese Geschichte schwer erträglich.
Gegen Ende schnappt sich die Frau das Gewehr und erschießt einen der Eindringlinge. Und wir sitzen da mit dem Gefühl der Erleichterung über ihren tödlichen Befreiungsschlag. Genretypisch eben. Doch dann spult Michael Haneke die Szene in seinem Film zurück bis vor den Schuss und lässt das Geschehen (!) ungeschehen (!) sein. Haut uns damit unsere Lust an Gewaltbildern im Mainstream-Kino um die Ohren.
Platz 4 - "Augen der Angst" von Michael Powell (1960)
Die Kamera und ihre Bilder sind das Medium, durch das der Filmemacher und wir als seine blickenden Verschworenen hindurch quälen, töten, unseren Begierden und unserer Lust frönen. Dann richtet der Kameramann Mark ein angespitztes Bein des Stativs auf die Frau. Und während er sie ermordet, filmt er - erregt - ihre Todesangst sowie ihren letzten Blick.
Diese verstörende Komposition aus sexueller Lust, der am Schauen und an der Gewalt, macht "Augen der Angst" zu einer großen Reflexion über das Kino. Und beendete 1960 die Karriere von Regisseur Powell und Hauptdarsteller Karlheinz Böhm. Ein Film, der nicht – wie die Kritik damals meinte - "abwegig" ist, sondern sich direkt, treffend, präzise, tief in die dunkle Seite des Mediums der bewegten Bilder bohrt.
Platz 3 – "Im Reich der Sinne" von Nagisa Oshima (1976)
Eine autistische Reise in die Gründe der sexuellen Begierde. Der Besitzer eines Geisha-Hauses und seine Dienerin erleben Lust und Schmerz in der radikalsten Überschreitung bis zur Selbstzerstörung. 1976 auf der Berlinale beschlagnahmt, heute im Fernsehen zu sehen. Kein Aufschrei mehr. Was wäre heute überhaupt noch ein "Skandalfilm"? Bertolucci könnte es vorgemacht haben.
Platz 2 – "Der letzte Tango in Paris" von Bernardo Bertolucci (1972)
Das Motiv des Rückzugs aus der Welt ist wie bei Nagisa Oshima auch im "letzten Tango" zentral. Ein älterer Mann (Marlon Brando), und eine junge Frau (Maria Schneider) in einer Pariser Wohnung. Sie haben Sex, so direkt, so "animalisch", wie sich die Kritik damals empörte, dass der Film in einigen Ländern die Zensur auf den Plan rief.
Heute erscheint der "letzte Tango" als großer Film, in der die Enttabuisierung der Sexualität, die er betreibt, gleichzeitig ein Bild des Umbruchs der bürgerlichen Gesellschaft liefert. Dass Maria Schneider während der Dreharbeiten – wie Bertolucci Jahre später mehr oder weniger offen zugab – zu der analen Vergewaltigungsszene im Film von Regisseur und Hauptdarsteller gezwungen wurde, ist die dunkle Seite dieses dunklen Films von 1972, der kommerziell ein riesiger Erfolg war.
Platz 1 - "Die 120 Tage von Sodom" von Pier Paolo Pasolini (1975)
Vier dekadente Faschisten halten junge Frauen und Männer in einem Schloß gefangen und leben an ihnen ihre Macht und Triebe aus. Am Ende werden die Opfer gefoltert und getötet. Kein Gefühl, keine Rettung, keine Hoffnung. Nur Hölle.
Das Aufführungsverbot fordernde Saarbrücker Amtsgericht befand damals eine "Aneinanderreihung brutalster Gewalt und Perversionen". Stimmt, nur was bedeutet sie? Der Kulturtheoretiker Klaus Theweleit sieht bei Pasolini die Beschreibung eines Typus' Mann, der nicht anders kann, als "sexuelle Genüsse in Gewaltvorgänge zu verkehren, und dies bevorzugt in den Formen sexualisierten Tötens". Nicht der Film "Die 120 Tage von Sodom" ist also pervers, sondern die Welt, in der das, was er zeigt, entstanden ist. Das ist der Skandal, den schwer auszuhalten ist.