Kino-Kolumne Top Five

Die fünf besten Filme über die Spezies Diktator

Szene aus "The Death of Stalin" von Armando Iannucci, im Vordergrund der britische Schauspieler Jason Isaacs als Georgi Schukow
Szene aus "The Death of Stalin" von Armando Iannucci, im Vordergrund der britische Schauspieler Jason Isaacs als Georgi Schukow © © 2017 Concorde Filmverleih GmbH
Von Hartwig Tegeler |
In Russland bekam "The Death of Stalin" keine Aufführungslizenz, doch bei uns läuft die britisch-französische Satire über den sowjetischen Diktator jetzt in den Kinos an. Grund genug für Hartwig Tegeler, seine persönlichen Charts der Alleinherrscher-Filme vorzustellen.

Platz 5: "Welcome to Karastan" von Ben Hopkins (2014)

Eine Schlange, charmant und bösartig, ist dieser Diktator mit Fellmütze aus dem fiktiven Kaukasus-Staat. Charmant bei Bedarf, wenn er, wie in diesem Fall, vom britischen Regisseur das karastanische Volksepos gedreht haben will. Den Schein (!) als Realität erscheinen (!) zu lassen, ist nicht nur Filmemacher-, sondern auch Diktatoren-Kunst. Dem Land eine verlogene Hülle von Glanz und Gloria zu überziehen, auf die dieser Filmregisseur aus dem fremden Land nun im Dienst des Staates gerne hereinfällt. Endlich, nach Jahren, darf er mal wieder einen Film drehen!
Am Ende tobt ein Militäraufstand, der nächste Diktator steht in den Startlöchern, der alte ist im Exil in London, wo er einst seine Ausbildung zum Marketing-Experten bekam, und nun vom in Sicherheit geschafftem Geld leben kann. Soweit zum glücklichen Rentnerleben eines Diktators, wenn ihn vorher nicht die Rache des Volkes oder die des Nachfolgers ereilt hat.

Platz 4: "Die Tribute von Panem" (2012-2015) von Gary Ross und Francis Lawrence

Präsident, besser Diktator Snow alias Donald Sutherland sendet aus dem Regierungssitz Tele-Botschaften ans Volk. Er ist ein großer Kommunikator und verhüllt die Gewalt der faschistischen Ordnung mit schönen Worten und droht gleichzeitig all denen, die es wagen, sich gegen sie aufzulehnen.
Interessant, wie es bei dem Kampf zwischen dem diktatorischen System und den Widerständlern, angeführt von Katnis Everdeen alias Jennifer Lawrence, im letzten Teil der Saga nicht nur um gewonnene Schlachten, sondern auch darum geht, wer dem Volk die besseren Symbole unterjubelt. Schließlich hat der alte Diktator auch die Macht über die Bilder verloren. Schlecht für eine totalitäre Herrschaft. Dass die neue Diktatorin von Katnis mit einem Pfeilschuss erledigt wird, ist natürlich ... na ja, lassen wir das.

Platz 3: "¡NO!" von Pablo Larrain (2012)

General Augusto Pinochets Herrschaft liegt in den letzten Zügen, der chilenische Diktator muss seine Herrschaft legitimieren. "Aufgrund des internationalen Drucks muss Pinochet eine Gegenkampagne akzeptieren. Das ist die Gelegenheit für uns, die Diktatur zu stürzen," erklärt der alte Widerständler dem Werbefachmann, gespielt von Gael Garcia Bernal, der die Gegenkampagne mit TV-Spots zum Sieg führt.
Das Verblüffende, aber auch Irritierende an Pablo Larrains Geschichte, die historisch genau das Geschehen in Chile im Jahr 1988 rekonstruiert: Die Pinochet-Gegner gewinnen mit einer Feelgood-Kampagne. Ihr Sieg über die Diktatur ist einer mit Bildern, die die Gewalt der Diktatur gar nicht thematisieren.

Platz 2: "The Childhood of a Leader" von Brady Corbet (2015)

Wenn Robert Pattinson am Ende als bejubelter Diktator eines fiktiven Landes – Deutschland, UdSSR, Hitler, Stalin – aus dem Auto steigt, steht das für den Endpunkt einer grausamen Bildungsreise. Vorher seziert Filmemacher Brady Corbet ein Klima von starren Regularien, Sadismus, Manipulation, Unehrlichkeit und emotionaler Kälte, in denen der kleine Prescott in den 10er-Jahren des 20. Jahrhunderts aufwächst und schon früh die brutal-gnadenlosen Regularien familiärer Machtkämpfe lernt. Als Vorbereitung für die Karriere des späteren Diktators.

Platz 1: "Der Große Diktator" von Charlie Chaplin (1940)

Wenn Charlie Chaplin als Diktator Hynkel – eine Satire auf Hitler - nicht nur die Gebärden, sondern auch den Rhythmus der Sprache des Nazis parodiert, dann kopiert und untergräbt er genial die Dynamik der faschistischen Sprache. Chaplin dreht die Worte, die ja Hitlers Reden ihre massenpsychologische Wirkung verliehen, ins Absurde, ja Surreale. Löst sie auf. Unser Lachen wirkt wie eine Erlösung vor dem Entsetzen, dass Worte solch eine grässliche Kraft haben konnten. Jenseits ihres Inhalts.
Angesichts dessen wirkt auch der Appell des jüdischen Frisörs – Doppelgänger des Diktators – am Ende wie eine Erlösung: "Es tut mir leid, aber ich möchte kein Herrscher der Welt sein, denn das liegt mir nicht. Ich möchte weder herrschen noch irgendwen erobern. Sondern jedem Menschen helfen, wo immer ich kann. Den Juden, den Heiden, den Farbigen, den Weißen."

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