Die schönsten "Wunder" im Film
Ein Film strahlt immer auch eine gewisse Magie aus. Manchmal handelt er auch von übersinnlichen Dingen. Von einer Filmfigur, die plötzlich real wird, etwa. Oder von einer Quelle, die nach einem Gebet zu sprudeln beginnt.
Platz 5 - "The Purple Rose of Cairo" von Woody Allen (1985)
New Jersey in den 1930er Jahre – Cecilia betreibt Eskapismus, indem sie vor der Tristesse ihres Ehelebens und der Großen Depression, unter der das Land leidet, ins Kino flüchtet. Doch eines Tages tritt ihr Held, der Abenteurer Tom Baxter, aus der Leinwand heraus und steht nun leibhaftig vor den Kellnerin im Kinoraum. Ein Wunder, das nicht ohne Folgen bleibt. Nicht nur im Film. Die Mitspieler mosern: "Wenn sie sich für Tom entscheidet, können wir nicht weiterspielen. Dann sitzen wir für immer hier fest." Dass Tom und Cecilia die Realitätsebenen bald frei wechseln können, ist zwar wundervoll, aber am Ende steht Cecilia – gespielt von Mia Farrow – vor den Scherben ihrer Existenz. Das tut uns schon leid, aber mehr noch sind wir fasziniert von der betörenden Reise, auf die uns Woody Allen mitgenommen hat zwischen Schein und Sein, Irrealität und der Illusion, hier, an unserem Lieblings-Wunder-Ort Kino.
Platz 4 - "Die Jungfrauenquelle" von Ingmar Bergman (1960)
Mittelalter. Nachdem die Tochter des Bauern auf dem Weg ins Dorf von drei Hirten vergewaltigt und ermordet wurde, bringt ihr Vater die Männer um. Zwei Szenen von ungeheurer Brutalität in diesem magischen Kosmos der Bergmanschen Schwarz-Weiß-Bilder. Dann, da im Wald, wo die junge Frau dem Verbrechen zum Opfer fiel, wendet sich der Bauer – Max von Sydow – verzweifelt an Gott und bittet um Vergebung und verspricht hier eine Kirche aus Stein zu errichten. Und aus dem Boden entspringt nun eine Quelle und mit ihrem Wasser waschen die Überlebenden in "Die Jungfrauenquelle" Karins Leichnam. Sollte Gott, der sonst bei diesem Filmemacher schweigt, hier zu den Menschen gesprochen haben? Bergman, wie er später meinte, glaubte nicht an das Wunder einer Heilung des Menschen. Alter Agnostiker!
Platz 3 - "Lourdes" von Jessica Hausner (2009)
Christine, die an Multipler Sklerose leidet, fährt mit ihrer Betreuerin zum Wallfahrtsort Lourdes. Ob das Wunder für Christine geschah, ist nicht wirklich ausgemacht. Denn die Krankheit kommt in Schüben. Die Grenze zwischen Wunsch, Hoffnung, Schein und Realität ist also eine fließende. Dass das Wunder in Jessicas Hausners Film möglicherweise darin liegt, dass Christine für einen Moment ihr Leben genießen kann: wunderschön!
Platz 2 - "Beasts of the Southern Wild" von Benh Zeitlin (2012)
Hushpuppy lebt mit ihrem kranken Vater in den Sumpfgebieten von Louisiana und wird nicht nur Sturm und Wasserfluten überleben, sondern auch den Auerochsen-Monstern die Stirn bieten, diesen mythischen Wesen, die im Eis der Pole eingefroren waren und nun, da die Klimakatastrophe Realität geworden ist, zu Hushpuppy kommen. Doch als die gigantischen Tiere das sechsjährige Mädchen treffen, knien sie vor ihr nieder. Diese Heldin, die ihre Mutter und am Ende auch ihren Vater verloren hat, hat alles Recht der Welt, Fluten und Monster zu überleben. Das ist wundervoll zu sehen. Manchmal können wir eben als Erlösung von der Realität nicht ohne Wunder im Kino auskommen.
Platz 1 - "Das Wunder von Mailand" von Vittorio de Sica (1951)
Vielleicht ist ja das Wunder, neben dem, das im Film zu sehen ist, am Ende, wenn ihre Viertel doch abgerissen und die Ölförderanlage gebaut wird, wenn dann Totò und die anderen Slumbewohner der irdischen Tristesse entfliehen, reitend auf ihren Besen, emporsteigen in den Himmel von Mailand, vielleicht ist es ja das Wunder, dass magischer Realismus und Sozialkritik, die Vittorio de Sica 1951 meisterhaft zusammenbindet, wenn er von dem fundamentalen und nicht überwundenen Widerspruch von Arm und Reich erzählt ... nein, nicht vielleicht: Das Wunder ist, dass dieser Film mit seinem Thema heute, in diesen Tagen gerade, so unfassbar aktuell wirkt. So ist das bei Meisterwerken.