Kino

"Musik geht direkt ins Herz"

Blick auf den East River mit Manhattan im Hintergrund, aufgenommen vom Ufer in Williamsburg, Brooklyn, New York am 22.06.2014.
Carneys Film spielt in New York City - eine "sehr musikalische Stadt", wie er sagt. © picture alliance / dpa / Alexandra Schuler
Moderation: Susanne Burg |
"Can a Song save your Life" ist der neue Film des irischen Regisseurs John Carney. Im Interview spricht er über die Bedeutung von Musik in einem Film, wann es zu viel Musik ist, und welche Macht sie entfalten kann - auch im realen Leben.
Vollbild: Am Donnerstag kommt der Film "Can a Song save your Life" in die Kinos. Und den Regisseur des Films begrüße ich jetzt ganz herzlich am Telefon in seiner Heimat Dublin.
John Carney, Ihr letzter Film "Once" ist mit ganz wenig Geld produziert worden und wurde zu einem richtigen Überraschungshit. Am Ende gab's sogar einen Oscar für den besten Song. Nun gab's für den neuen Film deutlich mehr Geld. Und er spielt nicht in Dublin, sondern in New York, aber es geht auch hier um Musiker, die versuchen, sich zu verwirklichen und ihren Platz im Musikbusiness zu finden. Was interessiert Sie an diesen Geschichten von Musikern und ihrem Kampf, sich durchzusetzen?
John Carney: Ich war nach der Schule in einer Band und ich bekam einen Eindruck von der Musikindustrie. Ich dachte mir, es wäre interessant, jetzt, da die Musikindustrie sich so verändert hat, mal einen Blick drauf zu werfen. Viele Leute haben ihren Job verloren und niemand weiß so recht, in welche Richtung sich alles entwickelt. Und der Film hat den Vorteil, dass ein Teil in einer Geschäftswelt spielt und ich aber auch eine Geschichte über die kreative Seite erzählen konnte, also wie eine Platte entsteht.
Kein positives Bild der Musikindustrie gezeichnet
Vollbild: Einer Ihrer Protagonisten ist Dan, ein A&R-Manager, also jener Mensch, der bei einer Plattenfirma dafür zuständig ist, neue Künstler zu finden. Warum haben Sie gerade den ins Zentrum gestellt und nicht zum Beispiel einen Musiker?
John Carney: Dan steht für die Musikindustrie. Er ist eine Mischung aus mehreren Menschen, die ich während meiner Bandzeit in den 90ern getroffen habe. Er ist ein A&R-Manager, der unbedingt eine neue Band unter Vertrag nehmen muss. Er trifft auf eine Musikerin, die nicht unbedingt nach einem Vertrag sucht, die auch nicht genug Selbstvertrauen hat. Und die beiden aufeinanderprallen zu lassen, bot viel komischen Stoff.
Vollbild: Und er versucht ja auch, sie noch immer zu überreden... Sie zeichnen kein sehr positives Bild von der Plattenindustrie bzw. von den Menschen, die dort arbeiten. Die Menschen unterhalten sich in Sprechblasen und alle Freundlichkeit wirkt aufgesetzt. Und wer sich schon mal in der Musikindustrie bewegt hat, wird sagen: Da ist einiges wahr dran. Wie schwierig war es, eine Industrie, die in der Realität schon wie ein gelebtes Klischee wirkt, glaubwürdig auf die Leinwand zu bannen?
John Carney: Es ist schwer zu beantworten. Ich habe viele Leute aus der Musikindustrie gecastet. Rob Morrow zum Beispiel ist ein Musiker und Schauspieler. Er spielt den Chef einer Plattenfirma. Und Mos Def, der Rapper, spielt Saul, den Chef von Dans Plattenfirma. Die haben also einen musikalischen Hintergrund und geben dem Ganzen Authentizität. Saul hat eine unabhängige Plattenfirma gegründet und will jetzt ein bisschen Geld damit verdienen. Er begeht ein bisschen Verrat an der Idee der unabhängigen Plattenfirmen, aber ich hoffe, ich habe die Plattenindustrie nicht als bösen Großkonzern dargestellt.
Vollbild: Der Film spielt ja in New York, einer Stadt, die voll ist mit Geschichten über gescheiterte und erfolgreiche Musiker. Zuletzt haben auch die Coen-Brüder in Ihrem Film "Inside Llewyn Davis" diesen Mythos der Musikstadt New York aufgregriffen. Inwieweit wollten Sie sich mit dem Film auch auf diese Tradition beziehen?
"Musik hören ist intimer als Sex"
John Carney: Ein bisschen. New York ist ja eine sehr musikalische Stadt. Viele große Bands sind aus ihr hervorgegangen. Dan ist der typische New Yorker. Es geht aber in erster Linie um einen Haufen Musiker in einer großen Stadt. Und New York erschien mir da als logischer und sinnvoller Drehort.
Vollbild: New York spielt aber schon eine wichtige Rolle. Dan und Gretta beschließen, ihre Platte auf der Straße aufzunehmen. Was hat Sie an der Idee gereizt?
John Carney: Sie nehmen ein Album auf, und ich wollte nicht, dass es sich auf ein Studio beschränkt. Ich habe als Musiker ständig auf der Straße aufgenommen. Nicht viele Bands tun das, aber es ist ein schönes Gefühl, draußen zu sitzen und Musik zu spielen und nicht in einem dunklen Studio ohne Fenster, wo du gefangen bist. Deswegen wollte ich auch im Film nach draußen gehen und die Bäume hören, den Wind und den Lärm der Stadt.
Vollbild: In einer Szene laufen Dan und Gretta durch New York und hören sich über Kopfhörer gemeinsam ihre Musik an, die sie auf dem Telefon haben. In vielen anderen Filmen wären die beiden zu dem Zeitpunkt ins Bett gegangen. Warum haben Sie stattdessen das gemeinsame Musikhören gewählt? Wie intim ist das?
John Carney: Ja, ich glaube, wenn sie Musik hören ist das in mancher Hinsicht intimer als wenn sie Sex hätten. Wenn sich Figuren im Film küssen oder im Bett landen, stellt sich mir als Regisseur die Frage: Sie haben's getan und was jetzt? In welche Richtung geht's jetzt weiter? Ich wollte keine Liebeskomödie drehen, es sollte darum gehen, dass Menschen an etwas gemeinsam arbeiten. Dan und Gretta spüren zwar eine gewisse Anziehung, aber sie beschließen, einen anderen Weg einzuschlagen. Und ich sage nicht, dass es ein sinnstiftenderer Weg ist, denn sie gehen keine wirkliche Beziehung ein, aber es ist für mich als Zuschauer interessanter. Und es ist für mich auch näher dran an der Erfahrung, wenn man mit Menschen arbeitet.
"Musik hat das Potential, das Leben zu verändern"
Vollbild: An einer Stelle sagt Dan zu Gretta: Das mag ich an Musik. Eine banale Szene wird plötzlich durch Musik mit Bedeutung aufgeladen. Für Filme gilt das ja bei 99,9 Prozent der Fälle, in denen Musik eingesetzt wird. Musik untermalt eine Szene. Das scheint Sie in Ihren Filmen aber nur sehr am Rande zu interessieren. In "Once" antwortet der Protagonist einmal in einer Szene auf eine Frage mit einem lustigen Song statt zu erzählen. Inwieweit kann Musik auch wirklich eine Geschichte erzählen?
John Carney: Das ist die Aufgabe der Musik in einem guten Film, die Geschichte mitzuerzählen. Und ich mag es, wenn Songs Teil der Handlung sind und nicht nur eine Verschnaufpause in einer dramatischen Geschichte. Das Problem ist: Wenn man es übertreibt, endet man beim Musiktheater, beim Musical. Und das ist auch nicht gut. Dann sind die Songs nicht persönlich, sondern Teil der Handlung. Deswegen muss man einen guten Mittelweg finden, so dass die Songs die Geschichte auch weiterbringen.
Volbild: "Can a Song save your Life" stellt die Frage, wie sehr einen Musik berühren kann. Nun könnte man die Frage erweitern: Can a Film save your Life? John Carney, Sie haben von der Musik ins Filmbusiness gewechselt. Wie ist das für Sie als Macher: Film funktioniert auf so vielen Ebenen, visuell und akustisch. Ist das Mehr an Möglichkeiten auch ein Mehr an Emotionen?
John Carney: Ich glaube, Musik hat mehr Potential, das Leben zu verändern, weil es eine so unerklärliche Kraft hat. Filme muss man ein bisschen mehr mit dem Kopf verdauen, drüber nachdenken. Musik – wie auch ein Gemälde – geht direkt ins Herz. Und entweder man reagiert drauf oder nicht. Oder die Musik verändert einen oder nicht. Die Frage, ob ein Song dein Leben verändern kann, ist also glaube ich eher für die Musik wichtig als für das Medium Film.
Vollbild: Herr Carney, ich danke Ihnen.