Lichtblicke in der Krise
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Kinosterben, bedrohte Festivals, Filmdrehs gefährdet: Corona wirkt sich auch auf die Filmbranche aus. Doch es gibt Hoffnung: Nachwuchsfilme bilden eine diverse Gesellschaft ab, Filmdrehs werden noch mehr Teamarbeit, Festivals finden trotzdem statt.
In Berlin demonstrieren Anwohner für den Erhalt des Colosseums. Das Traditionskino hat während der Coronakrise endgültig den Betrieb eingestellt. Seit Beginn der Pandemie haben hierzulande zwar bisher nur wenige Kinos aufgegeben, aber das wird sich, wenn die Zuschauerzahlen so bleiben, ändern. Große Hoffnung setzt die Filmbranche auf Christopher Nolans "Tenet", so auch Uli Aselmann von der Produzentenallianz. Immerhin ist die Filmproduktion in Deutschland wieder angelaufen – trotz hoher Risiken:
"Es ist spürbar, dass in Deutschland wieder viel gedreht wird, obwohl es immer noch keine Versicherung gibt für mögliche Covid-19-Erkrankungen innerhalb eines Teams", sagt Aselmann.
Denn Versicherungen zahlen nicht bei Corona-Ausfällen. Zwar übernehmen ARD und ZDF für ihre Auftragsproduktionen 50 Prozent des Schadens durch coronabedingte Drehabbrüche, aber der Verlust reiche, so Aselmann, um mittlere und kleinere Produktionsfirmen zu ruinieren. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat einen Ausfallfonds von 50 Millionen zugesagt, aber insgesamt seien die Finanzhilfen für die Filmindustrie nur ein Tropfen auf dem heißen Stein:
"Das ist ein großer Arbeitsbereich, der die Autoindustrie mittlerweile in die Tasche stecken kann. Und die Hilfen, die die Autoindustrie bekommen hat, da sind die 50 Millionen lächerlich."
Filmförderung ins Wirtschaftsministerium?
Problematisch sei auch, dass das Kulturstaatsministerium für die Filmbranche zuständig ist. Viel besser, meint Aselmann, wäre dieser komplexe Industriezweig beim Bundeswirtschaftsministerium aufgehoben:
"Im Wirtschaftsministerium kann man betriebliche Abläufe und Risiken, die ein Hersteller von was auch immer hat, viel stärker und klarer einschätzen, als das beim BKM der Fall ist."
Wenn die ersten Dreharbeiten durch Krankheitsfälle oder lokale Lockdowns gestoppt werden, könnte es zur Pleitewelle von Filmproduktionsfirmen kommen.
Nachwuchsfilme bilden eine diverse Gesellschaft ab
"Und jetzt? – Und wie und jetzt? Können Sie mal zum Punkt kommen? - Der Punkt ist, dass es nicht gut aussieht für Sie. – Na klasse. Was sind Sie denn für eine Anwältin? – Ansonsten bleibt Ihnen nur die Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen."
Das könnte Babtu vor der Abschiebung in den Senegal bewahren, aber er findet keine Frau für die Scheinehe. Die Lösung: er muss seinen Proll-Kumpel Dennis heiraten. Die Komödie "Toubab" spielt lustvoll mit Migrations- und Prekariat-Klischees und ist nominiert für den renommierten First-Steps-Award. Der Film ist in mancher Hinsicht typisch für die diesjährige Filmauswahl:
"Die Absolventinnen der Hochschulen sind so divers, ob das Gender, Herkunft oder ihre soziale Schicht anspricht. Sie sind so divers wie unsere Gesellschaft selber, dementsprechend sind auch die Perspektiven ihrer Protagonistinnen, ihre Geschichten, die sie erzählen, sehr divers. Und das macht den Jungfilm in Deutschland aus", meint Jennifer Stahl, die zusammen mit Anne Ballschmieter seit diesem Jahr die neue First-Steps-Doppelspitze bildet.
Filmemachen wird noch mehr zu Teamarbeit
So unterschiedlich die Filmschaffenden sich ausdrücken, eine Gemeinsamkeit ist auffällig:
"Das beobachten wir sehr in den letzten Jahren, dass es immer mehr eine Teamarbeit wird und alle Gewerke die gleiche Anerkennung bekommen. Es gibt nicht mehr DEN Regisseur und der macht den Film, sondern Filmschaffen ist eine Kollektivarbeit."
Coronabedingt wird die Preisverleihung im September erstmals übertragen – als Livestream im Internet. Und erstmals kann man sich die nominierten Filme im Netz anschauen:
"Das ganze Projekt ist natürlich noch technisch in den Kinderschuhen", sagt Stahl. "Aber wir sind total stolz und froh, dass wir diese erste Hürde genommen haben und die Nominierten eine Sichtbarkeit bekommen, erstmals über die regionalen Grenzen hinweg."
Die Berlinale 2021 als Signal für die Branche
Keinesfalls online, sondern physisch soll dagegen die Berlinale 2021 stattfinden. Diese Absicht hat jetzt die Leitung des Filmfestivals bekundet. Außerdem werden die Schauspielpreise künftig genderneutral vergeben. Kritik dafür gibt es von der Initiative Pro Quote, weil es die ohnehin schwierige Situation von Frauen im Filmgeschäft noch verschlimmern werde.
Dagegen hat man beim Max-Ophüls-Festival damit positive Erfahrungen gemacht, wie Festivalleiterin Svenja Böttger erzählt: "Uns war es tatsächlich wichtig, das genderneutral zu halten, damit es wirklich um die Leistung geht."
Quoten seien beim Max-Ophüls-Preis nicht nötig, denn man habe unter den teilnehmenden Filmschaffenden schon seit Jahren einen Frauenanteil von um die 50 Prozent. Das, so Böttger, liege vor allem daran, dass man ein Nachwuchsfestival sei. Denn an den Filmhochschulen sei der Anteil weiblicher und männlicher Studierender etwa gleich.
"Je weiter man in dieser Branche kommt in der Karriere, desto krasser wird die Schere, dass es wesentlich mehr Männer sind als Frauen."
Dass die Berlinale jetzt schon angekündigt hat, im Februar physisch stattfinden zu wollen, hält Böttger für ein wichtiges Signal:
"Festivals leben davon, dass es Zuschauer gibt, die mit den Filmemachern und den Filmen in eine Diskussion treten. Online kann ein toller Zusatz sein, aber ein reines Online-Festival kann ich mir nicht vorstellen, dann ist es ein kuratiertes VoD-Angebot und kein Festival, wie wir es kennen und missen."