Kino

Verantwortung und Vergebung

Beichtstuhl in der Kirche St. Maria im Kapitol in Köln
Ein Beichtstuhl - das theologische Zentrum des Films © picture-alliance / dpa / Oliver Berg
Von Thomas Kroll |
Der irische Film "Am Sonntag bist du tot" kommt in Deutschland in die Kinos. Die Jury der evangelischen Filmarbeit hat ihn zum "Film des Monats" gewählt und auch die katholische Filmkommission empfiehlt ihn. Es ist ein Film über Schuld und Sühne, Verantwortung und Vergebung - mit einer Prise schwarzem Humor.
O-Ton
"Ich bin von einem Priester vergewaltigt worden, als ich sieben Jahre alt war, oral und anal, wie es im Gerichtsprotokoll steht. Das ging fünf Jahre lang so, jeden zweiten Tag, fünf Jahre lang. Ich hab viel geblutet, wie ihr euch vorstellen könnt. Ich hab' verdammt viel geblutet."
Father James ist geschockt. Er sitzt im Beichtstuhl. Leinwandgroß sieht man sein Gesicht. Den Mann, der ihn mit der alten Höflichkeitsform "Ihr" anspricht, sieht man nicht.
O-Ton 2
"Haben Sie mit jemandem darüber gesprochen?
Ich spreche mit euch. Jetzt.
Ich meine, hatten sie vielleicht psychologische Hilfe?"
Es stellt sich heraus: Der Vergewaltiger ist tot und kann nicht mehr vor Gericht gebracht werden. Schließlich bringt der Mann sein Anliegen auf den Punkt:
O-Ton 3:
"Ich werde euch umbringen. Ich werde euch umbringen, weil ihr nichts falsch gemacht habt. Ich werde euch umbringen, weil ihr nicht schuldig seid."
Der Anfang des Films hat es in sich. Er provoziert, stellt Fragen – und stößt ins theologische Zentrum des Films vor: Ein Unschuldiger soll umgebracht werden? Was soll das? Und: Kann denn ein Guter Sühne leisten für einen Bösen?
Kein Film wie andere
Der Anfang des Films baut Spannung auf: Wer ist der Mann aus dem Beichtstuhl? Father James kennt ihn, ist aber an das Beichtgeheimnis gebunden. Wird der Mann seine Ankündigung wahr machen?
O-Ton 4:
"Wie wär's mit nächsten Sonntag? Wir treffen uns unten am Strand, unten am Wasser. An einem Sonntag einen Priester zu töten, das wär' doch mal genial!"
"'Am Sonntag bist Du tot' ist kein Film wie andere. Andere hätten daraus ein entrücktes Psychodrama gemacht, eine rüde Kirchenschelte oder ein ruppiges Rachedrama. Doch der Film ist nichts dergleichen und doch von allem ein bisschen. [Regisseur] McDonagh, der auch das Drehbuch schrieb, besitzt die Chuzpe, den Zuschauer nach dem Prolog zunächst erst mal in eine skurrile irische Welt voller Eigenbrötler zu entführen. Situationskomik wechselt mit beiläufiger Tiefgründigkeit."
Das schreibt der Kritiker Jörg Gerle in der Zeitschrift "film-dienst".
Zu den kuriosen Typen, auf die Father James trifft, zählt der reiche Ex-Banker Fitzgerald. In seinem Besitz befindet sich das Gemälde "Die Gesandten" von Hans Holbein dem Jüngeren.
O-Ton 5:
"Ich könnte da drauf pinkeln, wenn ich wollte. Ich sagte, ich liebe es – is' Quatsch. Es bedeutet mir nichts. Ich könnte's sofort runternehmen und drauf pinkeln. Würde euch das gefallen?
Laut und protestierend] Warum sollte mir so etwas gefallen?
Keine Ahnung. Vielleicht als so'ne Art spirituelle Offenbarung oder so'ne bescheuerte Prophezeiung, hä."
Zwei Gegenstände auf dem Gemälde von Hans Holbein bestätigen exemplarisch die "beiläufige Tiefgründigkeit" des Films.
Priesterfilm, Thriller und Passionsfilm
Da ist zum einen ein kleines, matt silbrig glänzendes Kruzifix links oben im Bild. Da ist zum anderen ein verzerrter Totenkopf unten in der Mitte des Gemäldes.
Beide darf man verstehen als visuelle Anspielungen auf den Ausgang und auf den Originaltitel des Films: Calvary. Zu deutsch: Kalvarienberg. Gemeint ist Golgota, der Berg vor den Toren Jerusalems. Dort wurde Jesus hingerichtet. Dort starb ein Unschuldiger, so die Bibel, für die Sünden der ganzen Welt. "Am Sonntag bist Du tot" ist nicht nur Priesterfilm und Thriller. Er wird zunehmend zum Passionsfilm.
Der stellt mit Father James eine ungewöhnliche Christusfigur vor Augen. Hauptdarsteller Brendan Gleeson zum Showdown des Films:
"Regisseur John McDonagh sagt, dass er Selbstmord begeht, aber ich bin da ganz anderer Meinung: Muss man einen Hang zum Suizid haben, wenn man sich den Panzern am Platz des Himmlischen Friedens entgegenstellt? Nein, es geht darum, die Panzer aufzuhalten, auch wenn man dadurch das eigene Leben aufs Spiel setzt. Wenn Father James runter zum Strand geht, um seinen Mörder zu treffen, dann ist es aus dem Impuls heraus, das Gute im Leben zu umarmen, auch wenn das den eigenen Tod zur Folge haben könnte."
In "Am Sonntag bist Du tot" hat der Tod, so viel sei verraten, weder das letzte Wort noch das letzte Bild. Unterhaltsam, spannend und mit etlichen Prisen schwarzen Humors gewürzt umkreist der Film die Themen Schuld und Sühne, Verantwortung und Vergebung. Er zeigt das Bild einer, wie Papst Franziskus sagen würde, "zerbeulten" Kirche in Irland, die nicht nur aufgrund der Missbrauchsfälle beschmutzt und verletzt ist. Er beschwört nicht Mitleid für die Opfer, sondern fordert Mitleiden heraus.