Kinofilm "Eiffel in Love"

Liebe versetzt Berge

11:31 Minuten
Szenenfoto aus "Eiffel in Love", Regie: Martin Bourboulon, 2021.
Von einem "Liebesmotor" angetrieben, entstand ein Turm aus Stahl in Paris: Szenenbild aus Martin Bourboulons Film "Eiffel in Love". © Constantin Film
Moderation: Susanne Burg |
Audio herunterladen
In Frankreich hat "Eiffel in Love" schon die Marke von einer Million Kinobesuchern geknackt. Im Mittelpunkt des Films steht eine Liebesgeschichte, die Gustave Eiffel zum Bau des Pariser Wahrzeichens inspiriert haben könnte.
"Eiffel in Love" erzählt in Zeitsprüngen von der Liebesgeschichte zwischen dem Ingenieur Gustave Eiffel (gespielt von Romain Duris) und einer Frau, die ihn letztendlich zum Bau des Eiffelturms inspiriert haben könnte – gespielt von Emma Mackey. Diese Liebesgeschichte ist historisch nicht belegt. Der Film vermischt sie mit der tatsächlichen Konstruktion des Eiffelturms und den Herausforderungen, diese gigantische Konstruktion Ende des 19. Jahrhunderts tatsächlich durchzuführen.
Susanne Burg hat sich mit dem Regisseur Martin Bourboulon über den Film unterhalten.
Burg: Es gibt mehrere Dokumentarfilme über die Arbeit von Gustave Eiffel und den Bau des Eiffelturms. Was war die Inspiration, einen Spielfilm über ihn zu machen?
Martin Bourboulon: Es ging in erster Linie darum, sich etwas auszusuchen aus dem Leben von Eiffel. Es ist kein klassisches Biopic, wir wollen nicht das gesamte Leben von Gustave Eiffel zeigen, sondern den Moment, in dem er sich dazu entschließt, diesen Eiffelturm wirklich zu bauen, und das hab ich gepaart mit einer großen Liebesgeschichte. Das heißt, anhand einer großen Liebesgeschichte sehen wir, wie Eiffel dazu kommt, diesen Eiffelturm zu bauen.

Die aufflammende Liebe treibt Eiffel beim Turmbau an

Burg: Eine große Liebesgeschichte, sagen Sie, was weiß man denn eigentlich über diese Beziehung von Adrienne Bourgès und Gustave Eiffel?
Bourboulon: Wir wissen, dass sich Gustave und Adrienne 1860 in Bordeaux begegnet sind, als Gustave Eiffel ein junger Ingenieur war und dort eine Brücke gebaut hat, und dass beide eine leidenschaftliche Liebesgeschichte verband. Sie sollten sogar heiraten, aus unterschiedlichen Gründen ist es jedoch nie zu dieser Heirat gekommen. Weil es jedoch damals nicht gut angesehen war, dass ein Mann unverheiratet blieb, gab es auch Druck von der Familie, dass sich Gustave Eiffel verheiraten sollte, und wir haben Briefe, in denen Eiffel an seine Mutter schreibt: Geben Sie mir doch bitte noch zwei, drei bis sechs Monate Zeit, ich möchte lieber eine Frau heiraten, die ich liebe, als eine Frau, für die ich viel weniger empfinde.
Szenenfoto aus "Eiffel in Love", Regie: Martin Bourboulon, 2021.
"Eiffel in Love"© Constantin Film
Aber so ist es nicht gekommen, Eiffel hat eine Frau geheiratet, mit der er fünf gemeinsame Kinder hatte, die allerdings schon sehr früh gestorben ist, nämlich im Alter von 34 Jahren. Das war genau 1877. Von Adrienne wissen wir, dass sie nie Kinder gehabt hat, aber wir wissen auch, dass die beiden später noch einmal in Kontakt standen. Und nun haben wir uns als Kinomacher gesagt, woher kommt es, dass Eiffel, der den Turm eigentlich nicht bauen wollte, plötzlich mit so einer Leidenschaft anfängt, sich in diesen Turmbau zu stürzen. Und da haben wir ein Angebot gemacht für das Kinopublikum, ein Angebot sozusagen der Fiktion, dass es dann plötzlich wieder zum Aufflammen dieser Liebe gekommen ist, die dazu geführt hat, dass er diesen Turm unbedingt bauen wollte.
Burg: Wie Sie sagen, im Film stellen Sie sich vor, dass die beiden sich wiedergesehen haben. Wie haben Sie dabei die Balance zwischen der Realität und der Fiktion ausgehandelt?
Bourboulon: Da wurde nichts verhandelt, das Kino hat sich da einfach alles erlaubt, wobei ich dazu sagen muss, ich hätte diesen Film nicht gemacht, wenn wir uns alles ausgedacht hätten, wenn das alles fiktiv gewesen wäre. Diese Liebesgeschichte gab es aber, das wissen wir, sie gab es 1860. Und wo das Kino jetzt eingreift, ist einfach ein bisschen später, wenn es um diesen Turmbau geht. Denn jetzt nur den Bau des Eiffelturms zu zeigen, dann kann man gleich eine Dokumentation oder einen Dokumentarfilm drehen, das macht doch kein großes Kino aus. Großes Kino entsteht eben erst dann, wenn man auch große leidenschaftliche Geschichten erzählt – übrigens, Jack und Rose auf der Titanic, die haben ja auch nie existiert.

Zeitreise ins Paris des ausgehenden 19. Jahrhunderts

Burg: Es gibt so viele technische Details bei der Konstruktion des Eiffelturms. Welche Details hielten Sie für essenziell in Ihrem Film, und welche Rolle spielten für Sie das Fundament und die vier Pfeiler des Turmes?
Bourboulon: Was für mich wirklich ganz wichtig war, war, den Erfindungsreichtum des Menschen, des Künstlers – Eiffel war natürlich auch ein Künstler und ein Ingenieur –, zu zeigen. Vieles von dem, was er damals beim Bau des Eiffelturms gemacht hat, war nicht nur für damals sehr erfinderisch und völlig neu. Auch heute, wenn Ihnen jemand vorschlagen würde, ein 320 Meter hohes Gebäude nur aus Stahl zu bauen und das mitten in Paris, würde man ihn auch heute noch für verrückt erklären. Gerade dieser Erfindungsreichtum, den wollte ich zeigen. Da zeigen wir natürlich in einer ersten Phase, wie das Fundament entstanden ist – das ist ein bisschen technisch, mit der ganzen Hydraulik, die da eine Rolle gespielt hat –, aber die zweite Phase, die natürlich noch viel, viel wichtiger war, wie diese vier Pfeiler dann in der ersten Etage miteinander verbunden worden sind … Ich glaube, dieser ausgefeilte Mechanismus, den wir da zeigen, das bringt auch dem heutigen Publikum noch sehr viel, dabei einfach zuzuschauen und eben einfach auch diesen Erfindungsreichtum zu bewundern.
Burg: Wir sind im Film quasi beim Bau dabei und sehen auch die unmittelbare Umgebung des Turms in Paris Ende des 19. Jahrhunderts. Was waren die technischen Herausforderungen, diese Zeit zu rekreieren?
Bourboulon: Die Herausforderung bestand einfach darin, dass wir einen Vertrag mit dem Zuschauer abschließen. Er erlebt plötzlich mit uns eine Zeitreise in das Paris des ausgehenden 19. Jahrhunderts, das wir wiedererschaffen, obwohl wir auch nur auf das heutige Paris zurückgreifen können. Da haben wir beispielsweise einen Pfeiler des Eiffelturms komplett nachgebaut, 25 Meter hoch, das hat auch sehr viel unseres Budgets aufgefressen, sehr viel Zeit, sehr viel Energie gekostet, aber es war notwendig, damit der Zuschauer an uns glaubt. Und der Rest sind dann einfach Special Effects.
Burg: Auf der Baustelle war es schlammig, dreckig, es war weit entfernt von jeglichem Glanz. Wie wichtig war es Ihnen, die Bedingungen auf der Baustelle nachfühlbar zu machen?
Bourboulon: Diese Arbeitsbedingungen waren sogar vielleicht noch anstrengender. Es war wirklich kalt, es war schlammig zu dieser Zeit, wo der Eiffelturm gebaut wird, war hauptsächlich Winter. Was mir sehr wichtig war, ist, dass ich zeige, wie Eiffel, der Chef sozusagen, mit seinen Arbeitern umgeht, die Arbeitsbedingungen, und dass er sie ernst nimmt, dass er selber zum Beispiel auch versucht, nach einem Unfall einen Arbeiter zu versorgen, dass er die Arbeiter ernst nimmt, die plötzlich Ohrenbluten bekommen. Und es gibt diese Szene aus seiner Jugend, als er einen Ertrinkenden vorm Ertrinken rettet. Das natürlich trägt bei zu einer gewissen Heroisierung unserer Hauptfigur, der natürlich unser Filmheld ist.

Eiffel musste übermenschlich viele Widerstände überwinden

Burg: Während des Baus des Eiffelturms gab es viele Probleme, und die Leute bezweifelten, dass der Bau funktioniert. Wie wichtig war es Ihnen, die Menschen heute daran zu erinnern?
Bourboulon: Das Wichtige hierbei ist, wenn man neue Ideen mit alten Ideen konfrontiert. Ich erinnere mich zum Beispiel – ich bin Pariser –, welche Diskussionen es gegeben hat, als die Pyramide plötzlich beim Louvre gebaut worden ist. Es gibt immer diese Widerstände, und das ist etwas Zeitloses, weil nicht alle Teile der Gesellschaft sind für das Neue immer bereit. Man muss wirklich sagen, dass der Eiffelturm damals hoch umstritten war. Es gab sehr viele Künstler, die sich ganz stark dagegen ausgesprochen haben. Der Sohn von Alexandre Dumas hat eine leidenschaftliche Petition gegen den Eiffelturm geschrieben.
Es gab zwei große Einwände: Der erste Einwand war, man wollte nicht so ein großes, überdimensionales Denkmal mitten in Paris haben, und dann gab es wirklich eine Angst, dass der Eiffelturm zusammenkrachen könnte und sozusagen die Leute unter sich begräbt. Das war vielleicht eine Angst, die sehr viel ernster zu nehmen war und auch vielleicht sehr viel verständlicher war. Und wie es Gustave Eiffel dann geschafft hat, diese Widerstände zu überwinden, das hatte schon etwas Übermenschliches. Und deswegen, noch einmal, war für uns diese Liebesgeschichte so wichtig, weil es war so eine Art Liebesmotor, aus dem er Kraft schöpfen konnte, und dieser Liebesmotor hat ihn angetrieben, diese Widerstände zu überwinden.
Burg: Gustave Eiffel hat ja auch viele andere Gebäude und auch Brücken konstruiert. Sie erwähnen im Film die Freiheitsstatue in New York, für die Eiffel das Trägergerüst entwickelt hat. Warum gerade die Freiheitsstatue – weil sie für die USA vielleicht eine ähnliche symbolische Bedeutung hat wie der Eiffelturm für Frankreich?
Bourboulon: Sowohl die Freiheitsstatue in New York wie auch der Eiffelturm in Paris üben natürlich für eine Nation eine starke Symbolik aus, und was ich noch einmal betonen wollte, war, dass eben Gustave Eiffel der Architekt des Inneren der Freiheitsstatue war, ansonsten ist das ein Werk von Bartholdi, aber es hat immer etwas Symbolhaftes für eine Nation. Der Eiffelturm in Frankreich und vor allen Dingen für Paris nach den tragischen Ereignissen von 2015 stand ja plötzlich auch als ein Freiheitssymbol und symbolisierte das Leben eher als den Tod – es ist immer schöner, zu leben, als sich umzubringen.
Burg: Sie verweben im Film die Liebesgeschichte mit dem Bau des Turms. Was waren die Herausforderungen bei dieser Erzählstruktur und der Montage?
Bourboulon: Eigentlich erzählen wir ja drei Geschichten: Wir erzählen einmal die Liebesgeschichte von 1860, die in der Vergangenheit spielt, dann erzählen wir die Liebesgeschichte, die in unserer Filmgegenwart wieder ausbricht, und wir erzählen die Geschichte davon, wie der Eiffelturm gebaut worden ist. Bei der Geschichte um den Bau des Eiffelturms gibt es keine Spannungselemente mehr wirklich zu erzählen, weil ja jeder Zuschauer weiß, der Turm ist gebaut worden. Das heißt, es ging also darum, trotzdem innerhalb dieser drei Geschichte sie so miteinander zu vermengen, dass keine der drei Geschichten eine andere dominiert und dass wir innerhalb des Films eine gewisse Spannung aufbauen. Das war natürlich die große Herausforderung, die wir da gehabt haben, die Liebesgeschichte sollte natürlich den Turmbau bereichern und umgekehrt. Das heißt, das war das Versprechen, was wir dem Zuschauer gegeben haben, dass er uns das glaubt, dass wir diese Linien – und ich hoffe, es ist uns gelungen – eben so miteinander verbinden können, dass es auch für den Zuschauer immer spannend bleibt und dieses Geheimnis um diese Liebe immer aufrechterhalten bleibt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Der Film läuft ab dem 18.11.2021 in Deutschland im Kino.

Mehr zum Thema