Kinofilm "Mario"

Eine Liebe im Profi-Fußball

Max Hubacher (r.) als Titelheld und Aaron Altaras als Leon in einer Filmszene aus "Mario" von Marcel Gisler
Die Schauspieler Aaron Altaras (l) und Max Hubacher spielen im Film "Mario" ein Liebespaar. © © Triluna Film AG / Carac Film AG
Corny Littmann im Gespräch mit Liane von Billerbeck |
Homosexualität ist für Fußballspieler und Vereine immer noch ein großes Tabu, sagt Corny Littmann, der Präsident des Hamburger FC St. Pauli war. Im Film "Mario" werde diese Liebe zwischen zwei Männern nun sehr realistisch dargestellt.
Der Fußball ist vermutlich eine der letzten Bastionen der Homophobie. Nicht zufällig haben Profifußballer bislang erst nach dem Ende ihrer Karriere öffentlich darüber gesprochen. In seinem Film "Mario", der am 18. Oktober in die Kinos kommt, erzählt der in Berlin lebende Schweizer Regisseur Marcel Gisler von dem jungen, aufstrebenden Fußballer Mario (Max Hubacher), der sich in den neuen Spieler Leon (Aaron Altaras) verliebt, eigentlich sein Konkurrent in der Mannschaft.
Der Schauspieler und Fußballexperte Corny Littmann hat den Film gesehen und findet ihn sehr realistisch. "Es gibt sehr anrührende emotionale Momente in diesem Film", sagte er im Deutschlandfunk Kultur. "Ich kann eigentlich nur jedem empfehlen, sich den Film anzugucken, wenn er sich denn für diese Thematik interessiert, weil es zeigt viel vom Innenleben des Fußballs, also hinter den Kulissen."

(gem)

Das Interview im Wortlaut:

Liane von Billerbeck: Sie hören Deutschlandfunk Kultur. Morgen, am 18. Oktober, kommt der Film des Schweizer Regisseurs Marcel Gisler in die Kinos, "Mario" heißt er, der dreht sich um einen schwulen Nachwuchsfußballer, und es geht in diesem Film um die Frage, wie sehr dessen Homosexualität dessen Karrierechancen im Profifußball gefährdet. Wir wollen wissen, bedeutet Outing immer noch quasi automatisch das Aus für die Fußballkarriere. Darüber habe ich geredet mit Corny Littmann. Er ist Schauspieler und war bis 2010 viele Jahre Präsident des 1. FC Sankt Pauli, Geschäftsführer zudem von Schmidts Tivoli in Hamburg und bekennend schwul. Ich grüße Sie!
Corny Littmann: Hallo, guten Tag!
Billerbeck: Fast niemand versteht, warum es im Jahr 2018 noch ein Problem sein soll, als Profifußballer offen schwul zu sein. So hat der Regisseur Marcel Gisler das gesagt, der Regisseur des Films "Mario". Können Sie uns das erklären?
Littmann: Ja, es gibt mehrere Erklärungen dafür. Die eine Erklärung ist eine kulturell geprägte. Also alle Mannschaften der ersten und zweiten Liga haben ja Teams, die bei Weitem nicht mehr nur aus deutschen Spielern bestehen, sondern es sind internationale Mannschaften, die dort auf dem Platz laufen, heißt also Spieler verschiedenster Nationalitäten. Das können Russen sein, das können Chinesen sein, das können Kroaten oder Serben sein. Es ist eine bunte Mischung. Nur eines eint diese Teams: Es gibt keine tolerante Einstellung zur Homosexualität bei allen Spielern.
Mit einem Empfang feierte Littmann am 21.11.2012 seinen 60. Geburtstag.
Der Schauspieler Corny Littmann auf der Bühne vom "Schmidts Tivoli"-Theater in Hamburg. © picture alliance / dpa / Christian Charisius
Ganz im Gegenteil, es gibt Spieler, die haben Vorurteile, die wir in der Steinzeit ansiedeln. Man muss ja nur in die verschiedenen Kulturen schauen und sehen, wie dort Schwule und Lesben behandelt werden, dann weiß man ja, wie diese Spieler denken, von welchen Vorurteilen sie belastet sind. Also ein Schwuler, ein offen schwuler Spieler, wird in einer Mannschaft große Probleme bekommen, und diese Probleme möchte jeder Verein meiden. Deshalb sind auch die Vereinsführungen nicht unbedingt aufgeschlossen schwulen Spielern gegenüber.
Billerbeck: Aber das, was Sie eben gesagt haben, das klingt so, als ob dadurch, dass wir die Globalisierung haben und eben viele Spiele aus anderen Ländern, dass dadurch besonders die Homophobie im Fußball so verbreitet ist, als hätte es die vorher nicht gegeben.
Littmann: Es hat sich in Deutschland ja vieles geändert, und ich glaube, wenn Sie Mannschaften aus unteren Ligen nehmen, die fast ausschließlich aus deutschen Spielern bestehen, dann müssen Sie schon sehr weit in den Ligen nach unten gucken, dass Sie überhaupt noch rein deutsche Mannschaften finden. Dann wäre das sicherlich denkbar. Im Amateurfußball ist das vorstellbar, dass sich ein Spieler outet.
Im Profifußball ist das zurzeit zumindest noch nicht vorstellbar. Hinzu kommt etwas Zweites: Statistisch gesehen wechselt ein Spieler alle zweieinhalb Jahre den Verein. Das heißt, der eine Verein, wie der FC Sankt Pauli beispielsweise, der sehr offen und sehr tolerant auch mit einem schwulen Spieler umgehen würde, ist ja nicht die Garantie dafür, dass der nächste Verein, zu dem der Spiele auch aus Karrieregründen wechselt, genauso tolerant damit umgeht. Das heißt, er muss tatsächlich, der Spieler muss fürchten, dass seine Karriere dadurch ins Stocken gerät, wenn nicht gar beendet ist.

Blick hinter die Kulissen

Billerbeck: Diese ganzen Probleme, die werden auch in dem Spielfilm "Mario" thematisiert. Sie haben den Film beim Filmfest Hamburg vor fast zwei Wochen gesehen. Wie hat er Ihnen gefallen?
Littmann: Ich finde die Geschichte sehr realistisch dargestellt. Es gibt sehr anrührende emotionale Momente in diesem Film, und ich kann eigentlich nur jedem empfehlen, sich den Film anzugucken, wenn er sich denn für diese Thematik interessiert, weil es zeigt viel vom Innenleben des Fußballs, also hinter den Kulissen. Die Betrachtungsweise vor und hinter den Kulissen ist, wenn man so will, originär eine unterschiedliche. Also wenn Sie im Verein sind, wenn Sie nah an der Mannschaft sind, dann werden Sie andere Probleme erkennen als der tolerante Zuschauer, der im Stadion oder am Fernsehgerät sitzt.
Das Team aus dem Film "Mario": Regisseur Marcel Gisler (v.l.n.r.), Jessy Moravec, Schauspielerin, und Max Hubacher, Schauspieler. 
Regisseur Marcel Gisler (links), die Schauspieler Jessy Moravec und Max Hubacher, Schauspieler bei der Vorstellung des Films "Mario". . © dpa / Anthony Anex
Billerbeck: Also eine Empfehlung von Corny Littmann, diesen Film zu sehen. Nun gibt es ja seit 2013 die sogenannte Berliner Erklärung, das ist ein Papier gegen Homophobie im Sport. Hat dieses Papier denn so gar nichts gebracht?
Littmann: Das Papier hat für verschiedene Sportarten sicherlich was gebracht, aber nicht für den Profifußball, und der Profifußball ist, wenn Sie einen Spieler betrachten, ist eine Ansammlung von Ich-AGs, und da geht es vornehmlich darum, in der Zeit einer Fußballkarriere, und die ist ja begrenzt zeitlich bis zum 35. Lebensjahr in der Regel maximal, in dieser Zeit das Geld für den Rest des Lebens zu verdienen.
Also die Spieler sind schon darauf bedacht, das möglichst konfliktfrei über die Bühne zu bringen, und das offen schwul sein schafft Konflikte in den Mannschaften, schafft Konflikte im Verein, und deshalb ist es nur zu verständlich, dass ein Spieler sehr zurückhaltend ist, seine Sexualität dort offen zu zeigen.

Das Problem ist offensichtlicher

Billerbeck: Eine Ansammlung von Ich-AGs haben Sie das eben genannt. Sie haben auch schon mal gesagt, die Fußballwelt sei ein berufliches Umfeld, in dem die soziale Kompetenz weitgehend fehle, um mit einem Outing umzugehen. Das war, glaube ich, 2012. Was hat sich denn seitdem geändert?
Littmann: Es hat sich natürlich an den Vereinen etwas geändert. Es hat sich unter Fangruppierungen etwas geändert. Das Problem ist offensichtlicher, aber es ist auch im Fußball nicht das vorrangige Problem. Das vorrangige Problem ist die Leistung der Mannschaft, und die wird durch verschiedene Faktoren natürlich beeinflusst. Ein schwuler Spieler, der nicht zu seiner Sexualität innerhalb des Vereins und innerhalb der Mannschaft stehen kann, der, sage ich mal salopp, der trägt nicht zur Leistungsförderung seiner selbst bei.
Billerbeck: Das heißt, es müssten sich eigentlich die Mannschaftsleitungen und die Vereine sehr darum kümmern, dass es den Spielern gut geht, also ein Umfeld schaffen, das es auch möglich macht, sich als schwul zum Beispiel zu outen. Wer muss sich da ändern?
Littmann: Ich glaube, da sind viele Beteiligte. Natürlich mannschaftsintern gibt es die Trainer, aber auch die Vereinsverantwortlichen. Das sind aber auch die Spieler selbst, und der Fokus liegt in einer Mannschaft – man kann es bedauern, aber es ist so –, der liegt eben nicht auf der Befindlichkeit, auf der Verfassung einzelner Spieler, es sei denn es betrifft die körperliche Verfassung.
Mit einer Ausnahme, die überraschend ist: Bayern München kümmert sich tatsächlich um die Spieler, die auch psychische Probleme haben, Alkoholprobleme haben. Gerd Müller ist ein gutes Beispiel dafür. Die kümmern sich um die Spieler weit über den Trainingsbetrieb hinaus. Das ist vorbildhaft und erstaunlich, weil man es dem FC Bayern München im ersten Moment ja nicht zutrauen würde, dass er sich mit diesen Fragen so intensiv beschäftigt.
Billerbeck: Da spricht der Pauli-Fan. Homosexualität und Fußballkarriere, darüber haben wir geredet mit dem Fußballer und Schauspieler Corny Littmann. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Hören Sie hier auch einen Beitrag zum Film von Jutta Heeß.
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