Kinokolumne Top 5

Striptease im Film

05:47 Minuten
Die Schauspielerin Jennifer Lopez und der Schauspieler George Clooney sind in einer Filmszene von Out of Sight zu sehen.
Die Schauspielerin Jennifer Lopez und der Schauspieler George Clooney in einer Filmszene von "Out of Sight": Erotischer und schöner geht es nicht. © picture alliance / United Archives / TBM
Von Hartwig Tegeler |
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Nacktheit und Erotik – schwierig im klassischem Hollywood-Kino. Das europäische Kino oder das von Europäern, die in Hollywood drehen, ist da freizügiger. Die Top Five der besten "Striptease"-Einlagen im Film.
Platz 5: "Showgirls" von Paul Verhoeven (1995)
Provinzmädchen tanzt sich hoch in Las Vegas, vom mittelmäßigen Stripclub bis zur glamourösen Tanzrevue im edlen Casino. Allerdings zählt hier wie da weniger die kunstvolle Choreographie eines Erotiktanzes, denn Nacktheit: das Ausziehen. Der Star der Show erklärt der Newcomerin Elizabeth Berkley die politische Ökonomie des Striptanzes: "Wir holen uns ihre Kohle, wir lösen ihren Scheck ein. Wir zeigen ihnen, was sie sehen wollen." Verhoevens "Showgirls", nach Erscheinen als "schlechtester Film aller Zeiten" gehandelt, ist so schlecht nicht. Eher ein zynisches Abbild eines zynischen Geschäftes. Und fast meint man in den dynamischen-aggressiven Tanz-Bewegungen von Elizabeth Berkley die Wut über das Showgeschäft zu spüren, dessen Opfer sie nach diesem Film wurde. Karriere beendet.
Platz 4: "Magic Mike" von Steven Soderbergh (2012)
Das richtige Ausziehen eines männlichen Strippers will gelernt sein. In "Magic Mike" erklärt der alte Hase der Männer-Strip-Show dem Neuling das Geschäft: "Das ist nicht nur Strippen. Du erfüllst die wildesten Phantasien von allen, die da sitzen. Du bist die Befreiung." Die schönen, muskulösen Stripper sind aber keineswegs Herren ihres Schicksals, so potent sie bei ihrer Show auch wirken mögen, sondern kämpfen jenseits des erotisch-sexuellen-voyeuristischen Phantasieraums, den sie für ihr weibliches Publikum öffnen, gegen die brutale Realität. Und die lautet: Drogen, Lügen, Betrug, kein Geld und wenig Hoffnung, die eigenen Träume zu erfüllen. Anders als auf der Bühne, ist Backstage die Tristesse immer da.
Platz 3: "Ganz oder gar nicht" von Peter Catteneo (1997)
1995 ist von der blühenden Stahlindustrie in Sheffield nichts geblieben. Arbeitslosigkeit, Aussichtslosigkeit inklusive massiver familiärer Probleme beherrschen das Leben von Gaz und seinem Kumpel Dave – Robert Carlyle und Mark Addy. Um Geld zu verdienen will Gaz analog zu den California-Dream-Boys, den "Chippendales", eine urbritische Männer-Strip-Show auf die Beine stellen. Dieses Ausziehen im vollen Pub ist wunderbar inszeniert als sozial-therapeutischer Befreiungsschlag, als Selbstermächtigung dieser geschundenen, erniedrigten, keineswegs perfekt gebauten Männer. Das Nacktmachen ist wie ein Reinigungsritual, wie ein durch das Feuer gehen, um am Ende mit neuer Kraft und Selbstbewusstsein weiterzumachen. Der Hut, in diesem Fall die Polizeimütze, kann übrigens gerne drauf bleiben.
Platz 2: "Exotica" von Atom Egoyan (1994)
Im Striptease-Club "Exotica" gelten strenge Regeln: fünf Dollar für eine Privatvorstellung am Tisch, anfassen verboten. Wenn alle in der Rolle bleiben, die Besucher, die Tänzerinnen, können die, die schauen, auf die, die sich ausziehen, unbeschadet blicken. Was natürlich nicht funktioniert. Der Striptease wird in diesem komplexen Puzzle der Erzählung zur Metapher für das Seelenleben der Protagonisten. Kleidung war einst Verkleidung, war Maske vor dem Schmerz. Erst das Enthüllen, das Ablegen der Schichten – von Kleidung – machte es möglich, die traumatischen Erfahrungen zu erkennen und abzulegen. Und sich den Schichten, der Geschichte, zu stellen. "Aber es gab so viele Leute, die man einfach treffen musste. Ohne ihre Kleidung", singt im Film Leonard Cohen in seinem Song "Everybody knows".
Platz 1: "Out of Sight" von Steven Soderbergh (1998)
Ein Bankräuber und ein weiblicher US-Marshal treffen im Kofferraum seines Fluchtautos das erst Mal auf- beziehungsweise besser aneinander; sie flirten, fühlen sich zueinander hingezogen. Eine Beziehung ohne Zukunft, vielleicht. Dramatischer, emotionaler Höhepunkt: eine einzige Nacht im Hotel. Soderbergh montiert im genialen Rhythmus das Gespräch im Restaurant mit der Szene im Hotelzimmer, wenn George Clooney und Jennifer Lopez sich langsam ausziehen. Jenseits von Scham oder Verlogenheit oder Prüderie ein magischer Film-Striptease, eine erotische Klimax, in der das körperliche Nacktwerden, das sich Ausziehen, die emotionale Entblößung und Romantik zu einer vollendeten Synthese kommen. Erotischer und schöner geht es nicht.
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