Beethovens Musik im Film
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Im Coronajahr ist der gute alte "Ludwig van" etwas untergegangen, dabei hat Beethovens Musik auch in Krisenzeiten etwas Tröstendes und Erhebendes. Auch im Film wird sie gern eingesetzt - bis hin zur verstörenden Verfremdung.
Platz 5 – Symphonie Nr. 7 in "The King’s Speech" von Tom Hooper (2010)
Der englische König George VI. setzte noch 1939 seinen Außenminister davon in Kenntnis, dass die Juden, die aus Deutschland zu fliehen versuchten, besser davon abgehalten würden. Soweit das Historische. Im fiktionalen Narrativ mutiert der Royal, gespielt von Colin Firth, zum Kino-Helden, weil er sein schweres Stottern in der historischen Radioansprache zum Kriegsbeginn überwindet, wenn er am 3. September 1939 sein Volk auf Blut, Schweiß und Tränen vorbereitet. Und Beethovens "Nummer Sieben", die Sprache dazu rhythmisch sauber drauf montiert, liefert dazu Erhabenheit und Pathos pur. Das ist denn das eine konventionelle Film-Schicksal von Beethovens Musik: emotionaler Brandbeschleuniger unter den Bildern.
Platz 4 - Sinfonie Nr. 6, "Pastorale" in "Soylent Green" von Richard Fleischer (1973)
Düstere Zeiten: Im Jahr 2022 gibt’s kein sauberes Wasser mehr, kein Gemüse oder Fleisch. Die Menschen ernähren sich von Nahrungsmitteln, die angeblich aus Soja und Linsen bestehen, dem "Soylent Green". Doch Polizist Thorn (Charlton Heston) entdeckt, dass das in Wirklichkeit Menschenfleisch ist. In Zukunft sollen Menschen als Nahrungsmittel gezüchtet werden, um die Reichen zu ernähren. Fast schon tot schreit Thorn am Ende die Wahrheit heraus. Der einsetzende Abspann beginnt mit dem Bild eines Feldes mit Rosen, und es erklingt der erste Satz der sechsten Sinfonie des großen Naturliebhabers Beethoven. Kontrapunkt zur grausigen Dystopie, die "Soylent Green" erzählt. Hoffnungsschimmer? Eher nachgeklappertes humanistisches Bildungsgut.
Platz 3 – Klaviersonate Nr. 8 in "Der unauffällige Mr. Crane" von Ethan und Joel Coen (2001)
Gut macht sich Ludwig van … dagegen immer gerne auch als Kontrapunkt zur satten Welt-Düsternis. In der Film-Noir-Phantasie der Coen-Brüder hört Frisör, Erpresser und zukünftiger Mörder Ed Crane (Billy Bob Thornton) erstaunt diese wie jenseitig erscheinende Musik aus einem Zimmer, die Scarlett Johansson am Klavier spielt. Ein kurzer, friedvoller Moment in einer Welt der Grausamkeit. Einmal Luftholen, dann geht es weiter wie bisher.
Platz 2 – "Für Elise" in "Elephant" von Gus Van Sant (2003)
Das Stück von Beethoven, das jeden Klavierschüler schon zum Wahnsinn getrieben hat, klimpert Alex in seinem Kellerzimmer. Mitschüler Eric lümmelt sich auf dem Sofa herum und spielt Egoshooter-Spiele. Dann bricht Alex das Spiel ab und zeigt der Beethoven-Partitur auf dem Klavier zwei Stinkefinger. Alex und Eric brechen nun auf, um in ihrer Schule wahllos Lehrer und Mitschüler zu erschießen. Schulmassaker. Gus van Sant zeigt Beethovens Musik und ihre Verwendung im Film als leer von Utopie. Sie funktioniert nicht als humanistischer Rettungsanker gegen die Barbarei.
Platz 1 – Symphonie Nr. 9 in "Uhrwerk Orange" von Stanley Kubrick (1971)
Alex ist mit sich eins: "Es war ein wunderbarer Abend, und was er noch brauchte, um wahrhaftig großartig zu enden, war ein wenig vom alten Ludwig van …" Alex liebt Beethoven, das Fenster in seinem Zimmer im Haus seiner Eltern ziert ein großes Porträt des Komponisten. Einmal trägt der von Malcolm McDowell gespielte gewalttätige Jugendliche einen langen Mantel, der ihn wie einen Wiedergänger Beethovens erscheinen lässt.
"Uhrwerk Orange" und die Verwendung von Beethovens Musik darin steht bei Kubrick für eine radikale wie pessimistische Kulturkritik. Keine Gedanke, keine Musik ist – in Abwandlung eines Adorno-Zitats – "immun gegen seine Kommunikation". Denn zur staatlichen Umerziehung des Gewalttätigen wird Beethovens Musik deformiert zum Manipulations-, ja zum Folterinstrument. Und der "Chor der Freude" aus der Neunten Symphonie ist in ihrer elektronischen Verfremdung jegliche Erhabenheit radikal ausgetrieben. Hoffnungslos!