Kinokolumne

Top Five: Der Wolf im Schafspelz

Szene aus dem Film "Absolute Power" mit Clint Eastwood.
Szene aus dem Film "Absolute Power" mit Clint Eastwood. © picture-alliance / dpa
Von Hartwig Tegeler |
Dass ein "Wolf im Schafspelz" in ein hohes Amt gelangen kann, ist im Kino schon häufig durchgespielt worden. Unser Filmkritiker präsentiert fünf Filme, die gekonnt von der Verführung durch die Macht erzählen.

Platz 5

THE IDES OF MARCH - TAGE DES VERRATS von George Clooney (2011)
Mike Morris, alias George Clooney, im Präsidentschaftswahlkampf. Das Oval Office noch weit weg. Noch. Und noch ist er ein moralischer Kandidat. Er empört sich, dass sein Wahlkampfmanager eine Zusammenarbeit mit einem reaktionären Senator allein als wahlkampftaktischen Gründen vorschlägt. "Haben Sie noch alle Tassen im Schrank? Ein Mann, der die UN heute noch abschaffen könnte, wird bei mir doch nicht Außenminister. Ich werde es nicht tun." Wird es es wirklich nicht tun? George Clooneys Bild über die Macht, die Politik und das Potential von Verführung, das mit ihnen Hand in Hand geht, ist dunkel wie realistisch. Also wird wahrscheinlich der nächste Präsident Morris hier und da ein wenig und dann ein wenig mehr von den selbst gesteckten Idealen abweichen. Alles für den guten Zweck, denn er ist ja der Bessere. Und das ist natürlich nur der Anfang des Abweichens. Lange keiner mehr da, der wie der römische Priester dem siegreichen Feldherrn den Lorbeerkranz über dem Kopf hielt, dabei aber immer wieder sagte: "Bedenke, dass du sterblich bist!"

Platz 4

DER GHOSTWRITER von Roman Polanski (2010)
Der ehemalige britische Premierminister hat sich in seinem US-Exil in Sicherheit gebracht. Ihm droht eine Anklage vorm Internationalen Strafgerichtshof, weil er während seiner Amtszeit Terrorverdächtige an die USA ausgeliefert hat, die gefoltert wurden. Noch hat dieser Adam Lang, abgeschottet in dem Villa-Bunker auf der Luxusinsel, noch die Aura der alten Macht. Er klagt, dass man als Amtsträger gar kein eigenes Leben mehr hat; sich das Geld für eine Getränk im Automaten gar von den Bodyguards leihen muss. Macht zu haben, sich an ihr zu delektieren, erzählt Roman Polanski in diesem Polit- und Verschwörungsthriller, bedeutet vor allem, immer auch immer ein anderer sein zu können beim Geschäft, den Thron zu sichern. Wer sind Sie denn eigentlich wirklich, fragt diesen ehemaligen Premier sein Ghostwriter und erntet nur ein erstauntes Lachen angesichts dieser absurden Frage.

Platz 3

ABSOLUTE POWER von Clint Eastwood (1997)
Der US-Präsident in diesem Film ist ein veritabler Hurenbock und Sadist, der mit der Ehefrau seines reichen Gönners und Mentors eine Affäre hat, die umbringt und nun den einzigen Zeugen seiner Tat vom Secret Service aus dem Weg räumen lassen will. Den Präsidenten als amoralisches Wesen, das das Amt für die eigene Gier funktionalisiert, inszeniert der konservative Haudegen Clint Eastwood während der Amtszeit des Demokraten Bill Clinton, der´s ja mit der Praktikantin trieb. Kolportage, ja, aber auch ein gnadenloser Blick auf einen Machtmenschen, der besoffen ist vom eigenen Größenwahn.

Platz 2

NIXON von Oliver Stone (1995)
Ein Amtsträger, nicht fiktiv, sondern historisch real, der den Verführungen der Macht erlag, war Richard Nixon, der 37. Präsident der USA. Bis 1974, als er am Ende der Watergate-Affäre aus dem Amt gejagt wurde. Ob es reicht, Richard Nixon psychologisch mit der übermächtigen Mutter zu erklären, muss man Oliver Stone ernsthaft fragen. Aber das Bild des trinkenden Nixon, der in einem halbdunklen Zimmer die Tonbänder mit den aufgezeichneten Gesprächen im Weißen Haus abhört, zurückspult, dann neu hört, säuft, hört, es hat eine große Wucht. Einsamkeit der Macht, abgehoben sein von der Realität, fernab da oben.

Platz 1

IL DIVO von Paolo Sorrentino (2008)
Für das Leben in der Blase, jenseits von Normalität - Elfenbeinturm - findet auch die Geschichte über Guilio Andreotti ein verstörend-faszinierendes Bild: Wenn Andreotti, der Kleine, der Bucklige, von Kopfschmerzen geplagt, sieben Mal Ministerpräsident, 25 Mal Minister, nachts in Rom zur Kirche geht, beschützt, abgeschirmt, wie in einer Monade, nicht von dieser Welt, aber diese Welt lenkend, wenn er nachts in die Kirche geht. Macht ist für Andreotti alles; Rücksicht bei der Beseitigung von Feinden oder Freunden kennt er nicht. Verbindungen zur Mafia können nicht nachgewiesen werden. Hier sind wir nahe bei Shakespeare, den Königsdramen, weil die nicht nur einen Menschen, seine Abgründe, sein Höllen zeigten, sondern auch - so wie es Paolo Sorrentino tut - ein politisches System, das das Böse und den Missbrauch der Macht, lockend anbietet. Lass dich verführen auf deinem Thron. Und das "Memento moriendum esse - Bedenke, dass du sterblich bist"? Nun, nicht die nächsten vier Jahre.
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