Kinokolumne "Top Five"

Die aufregendsten Filme mit Schnee

Frances Mc Dormand in einer Szene aus dem Kinofilm "Fargo" von Joel und Ethan Coen
Frances Mc Dormand in einer Szene aus dem Kinofilm "Fargo" von Joel und Ethan Coen © picture alliance / dpa / dpa-Film concorde
Von Hartwig Tegeler |
Frost-Tod, Eiseskälte, endlose Weiten in Weiß: Das Kino liebt den Schnee und setzt ihn gerne ein, um eine seltsam entrückte Atmosphäre zu erzeugen – oder Figuren in den eisigen Tod zu schicken. Wir stellen die fünf aufregendsten Filme mit Schnee vor.

Platz 5: "Citizen Kane" von Orson Welles (1941)

Es scheint nur noch wie ein Zitat von winterlicher Heimeligkeit und meint dabei psychoemotionale Erstarrung. Kurz vor seinem Tod, einsam auf seinem Schloss Xanadu, blickt der Zeitungsmagnat Charles Foster Kane in die Schneekugel aus seiner Kindheit und haucht sein Leben aus mit dem Wort "Rosebud". "Rosenknospe" – der Name des Schlittens aus seiner Kindheit. Was in dem Blick von Orson Welles auf den sanft fallenden Schnee in der Glaskugel der Mahlstrom der Erinnerung an die Kindheit aufreißt. Der Schnee und der Schlitten, den Charles zurücklässt, als er zu seinem neuen Vormund muss, sie rufen die Erinnerung hervor an die reine Unschuld des Kindes, das bis dahin aufgehoben war in seiner Welt. Die Stille und der Frieden einer verschneiten Landschaft hingegen verwandeln sich in dieser Erinnerung, werden zum verzweifelten Albtraum.

Platz 4: "Fargo" von Joel und Ethan Coen (1996)


"Wussten Sie nicht, dass Geld nicht alles ist! Wussten Sie das nicht?" Dieser Abschlusssatz der schwangeren Polizistin beweist hinlänglich, dass Marge zusammen mit ihrem Mann wohl ihre Unschuld bewahrt hat. Damit sind die beiden wahrscheinlich die Einzigen in der Schneewüste im Grenzgebiet von Montana und North Dakota. Wo der eisige Wind über die Highways fegt und Autoverkäufer Jerry seine Frau entführen lässt, damit er Lösegeld einheimsen kann. Was in einer Orgie von Blut endet. Joel und Ethan Coen beweisen im absurden Theater von "Fargo": Es gibt schneekompatible Schuhbekleidung wie ebensolche Winterparka von einer schier unfassbaren Unförmigkeit, die nicht nur schwangere Polizistinnen, sondern alle im Film wie watschelnde Enten wirken lassen, dabei immer in Gefahr, im Schnee zu versacken oder auf die Fresse zu fliegen. Ein Grund, warum "Fargo" im Schnee spielen musste. Der filmisch wichtigere allerdings: Das Rot des Blutes - tropfend, spritzend oder als Nebel sprühend (ich erinnere nur an den Holzhäcksler) - ist eindrucksvoller farblicher Kontrast zum Weiß des Schnees und konterkariert jegliche Unschuld.
Die Regisseure Ethan Coen (l) und Joel Coen (re)
Die Regisseure Ethan Coen (l) und Joel Coen (re) © picture alliance / dpa / Britta Pedersen

Platz 3: "Leichen pflastern seinen Weg" von Sergio Corbucci (1968)

Keine Wunder, dass es ein Schneewestern ist, in dem am Ende das Böse triumphiert. Snow Hill. 1898, Utah. Dieser Italowestern wirkt so unvergesslich, weil der Schnee eine merkwürdig entrückte Atmosphäre schafft. Die Menschen quälen sich durch ihn, die Reiter kommen nicht vorwärts, versacken. Und wenn sich dann noch der Nebel über die verschneite Landschaft legt, erscheint alles wie erlahmt in einer Zeitlupe. Düsterer als in diesem durchgängigen Weiß kann man die Welt kaum zeichnen. Die Revolution findet nicht statt, der Retter der Entrechteten – Jean-Louis Trintignant als stummer Revolverheld – kann eben die nicht retten. Die Kopfgeldjäger unter Führung von Klaus Kinski massakrieren alle.
Der Schauspieler Klaus Kinski in dem Italo-Western "Leichen pflastern seinen Weg" von 1968.
Klaus Kinski in dem Italo-Western "Leichen pflastern seinen Weg" von 1968.© Imago / United Archives

Platz 2: "Atanarjuat – Die Legende vom schnellen Läufer" von Zacharias Kunuk (2001)

Eine alte Inuit-Legende, inszeniert von einem Inuit-Regisseur, die am Ende des ersten Jahrtausends spielt und von Rache, Blutdurst, Machtgier und der Hoffnung handelt, dass nur einer am Ende sagen muss: Bis hierher und nicht weiter, es wird nicht mehr getötet. Die Schnee- und Eisspezialisten vor und hinter der Kamera inszenieren die kanadische Arktis als natürlichen Lebensraum wie den Wald oder das Gebirge. Es bedarf nur anderer Fähigkeiten, um zu überleben. Wenn aber der Mensch sich dem Menschen als Wolf zeigt, dann ist es wie überall: Die Hölle bricht los. Unvergesslich die Sequenz, wenn Atanarjuat nackt, vollkommen nackt, ohne Hose, ohne Stiefel, eine gefühlte Ewigkeit über das Eis, durch den Schnee, durch das eiskalte Schmelzwasser läuft. Auf der Flucht vor seinen Mördern. Man möchte da nicht sein.
Regisseur Zacharias Kunuk beim 54. Filmfestival von Cannes, 2001
Regisseur Zacharias Kunuk beim 54. Filmfestival von Cannes, 2001© picture alliance / dpa / dpaweb

Platz 1: "Shining" von Stanley Kubrik (1980)

Also ob Kubriks Figuren – der Schriftsteller, seine Frau, sein Sohn mit dem zweiten Gesicht, die Hüter des verschneiten, riesigen Hotels im Gebirge – hineingerutscht sind in eine Schneekugel. Eine wie in "Citizen Kane". Einer schüttelt, um den Schnee fallen zu lassen, und von da ab gibt es kein Entkommen mehr. In der Abgeschlossenheit dieser Situation kriecht mit zunehmender Kälte der Wahnsinn hoch. Und Jack Nicholson hetzt mit der Axt in der Hand mordlüsternd hinter seinem kleinen Sohn her, hinein in das verschneite Labyrinth – Danny, ich komme! – und bricht am Ende erschöpft zusammen. Und der Schnee fällt. Und wenn am Morgen die Sonne aufgeht, sehen wir nur den Kopf des Erfrorenen aus einem Schneehügel ragen. Wer nicht mit sich im Reinen ist, sollte nicht die Unschuld der reinen Schneedecke verletzen. Denn das Weiß kann zur tödlichen Falle werden. Nature strikes back.
Der Hollywood-Regisseur Stanley Kubrick (undatiertes Foto).
Der Hollywood-Regisseur Stanley Kubrick (undatiertes Foto). © AFP / STF
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