Kinokolumne Top Five
Dann vielleicht doch lieber Home-Office: Szene aus dem siebeneinhalbten Stock in "Being John Malkovich". © imago/Cinema Publishers Collection
Die besten Bürofilme
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Soziotop, Kontaktbörse, Metapher für kapitalistisches Wirtschaften und menschliches Handeln: Das Büro hat Filmgeschichte geschrieben. Wir verraten in Zeiten des Homeoffice-Booms, welche Filme über das Büro sich ganz besonders lohnen.
Platz 5 - "Dame König As Spion" von Tomas Alfredson (2011)
Control, Chef des britischen Geheimdienstes, sucht in seiner Privatwohnung – neudeutsch: in seinem Homeoffice – in einem Berg von Akten nach der Identität des russischen Maulwurfs, ganz oben in der Führungsriege der Schlapphüte.
Das riesige Büro der Zentrale, grau, trist, dunkel, bietet unendliche Möglichkeiten, sich zu verstecken – im Konkreten wie Metaphorischen. Da kann es auch gefährlich werden, in den Aktenbergen zu Hause auf Wahrheiten zu stoßen.
Platz 4 - "Das Appartement" von Billy Wilder (1960)
Auch in C. C. Baxters Büro, im Zentralbüro der Versicherung mit 31.259 Angestellten, wo der kleine Angestellte im 19. Stock an Tisch 861 sitzt, gibt es Geheimnisse. Beispiel: Dieser kleine Büroangestellte stellt seinen Chefs das eigene Apartment für deren Tête-à-Têtes mit den Sekretärinnen zur Verfügung.
Dass Jack Lemmon so zur großen Liebe, Shirley MacLaine, kommt, ist das Eine. Dass das Büro in dieser Satire auf Geschäftsmoral und Untertanengeist aber etwas zutiefst Unmenschliches hat, ist das Andere. Die Karriereleiter im Büro zu erklimmen, dazu bedarf es extremes Duckmäusertum, erzählt uns Billy Wilder.
Platz 3 - "Secretary" von Steven Shainberg (2002)
Der große Kontrapunkt. Das Büro als ganz andere Kontaktbörse. Die Verletzungen, aber auch die Obsessionen zweier verlorener Seelen (Maggie Gyllenhaal und James Spader), die sich im kleinen Büro zeigen und entladen dürfen.
Zwischen Lee, die den devoten Teil übernimmt, und Edward – ihrem Chef – entwickelt sich eine S/M-Beziehung, in der sich beide auf nahezu zärtliche Weise entfalten können. Wo der Gang vom Vorzimmer ins Büro des Chefs zum erotischen Drahtseilakt wird, der hier aber nichts Peinliches hat, sondern die Gelegenheit zum Leben einer Obsession inklusive Glücksversprechen bietet. Am Ende sagt Lee, während Edward sie liebkost: "Und zum ersten Mal in meinem Leben empfand ich mich schön. Ich empfand mich endlich als einen Teil der Erde."
Platz 2 - "Man lernt nie aus" von Nancy Myers (2015)
Robert De Niro als Ben, ein 70-jähriger Pensionär, der sich als Senioren-Praktikant in einem hippen Start-up-Unternehmen bewirbt. Wunderbare Dialog-Pointe des jungen Personalchefs: "Wo sehen Sie sich selbst in zehn Jahren?" - "Wenn ich achtzig bin?"
Sonnendurchflutete gläserne Bürofluchten in einer aufgepimpten alten New Yorker Fabrik. Jules (Anne Hathaway als CEO des E-Commerce-Modeunternehmens) fährt gar mit dem Fahrrad über die Fläche. Aber auch in diesem luxuriösen, stylischen Ambiente brodeln, quasi unter dem Holzdienen-Boden, Geheimnisse, beispielsweise, dass Jules schlicht arbeitssüchtig ist, weil sie ihre Privatleben nicht ertragen kann. Also, auch mit der schönen neuen Büro-Welt ist es wie in alten Zeiten. Und Ben, der Senioren-Praktikant muss einiges heilen.
Platz 1 - "Being John Malkovich" von Spike Jonze (1999)
Ein Büro nicht im siebten oder achten Stockwerk, sondern im "siebeneinhalbten" des Gebäudes in Manhattan. Daselbst findet der erfolglose Puppenspieler Craig (John Cusack) Arbeit als Archivar. Als ihm eine Akte hinter einen Schrank fällt, entdeckt er eine kleine Tür, die direkt in das Gehirn … ja … ja … in das Gehirn von John Malkovich führt, der in "Being John Malkovich" von John Malkovich gespielt wird. Ausgangspunkt ist ja ganz offensichtlich das labyrinthische Büro in dieser labyrinthischen Erzählung. Ganz zu recht meint Craig: "Ich meine, da steigen doch tausend philosophische Grundfragen auf in einem auf. Verstehen Sie?" Und die Pforte erweist sich durchaus als metaphysische Schlangengrube. Also, die Pforte im Büro.
Und möchten wir mal kurz die Perspektive eines Hirnforschers einnehmen, hat es – im Großraumbüro sowieso, in der Zoom-Konferenz im Home-Office vielleicht aber ja auch – mit all seinen Vernetzungen, ja, auch Abgründen, etwas vom menschlichen Gehirn. Ergo, summa summarum, was zu beweisen war: das Büro – Soziotop, Kontaktbörse, Metapher für kapitalistisches Wirtschaften und menschliches Handeln; das Büro, na ja, im Film: Abbild des großen Ganzen.